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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.

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Mann hatte Schacks Grosvater herzlich geliebt, hatte ihn zum Vertrauten seines Herzens gemacht, und in seiner Freundschaft oft Trost gegen die Sorgen gesucht, die ihm von seinem coquetten Weibe gemacht wurden. Diese Frau hatte unter die unselige Klasse von Frauenzimmern gehört, welche ohnmöglich einem Manne treu bleiben, sondern immer mehrere Anbeter haben müssen, unter welchen sie ihr Herz theilen können. Des Herrn von Schiers Gattin, so hieß der Mann, war aber nicht bloß ein coquettes, sondern auch ein wirklich ausschweifendes Weib gewesen; sie hatte das Guth ihres Mannes verthan und an ihre wollüstigen Freunde verschwendet; hatte sich ganze Tage nicht um ihren arbeitsamen Mann bekümmert -- und war nur immer allein ihren sinnlichen Vergnügungen nachgegangen. Herr von Schier war ein viel zu sanfter Mann gewesen, um der ganzen Sache durch entschlossene Widersetzung ein Ende machen zu können. Oft hatte ihn Schacks Grosvater im Stillen weinen sehen, und oft hatte er diesem mit einem Gefühl der Verzweifelung seine Leiden geklagt. Endlich hatten ihn Gram und Sorgen so sehr mitgenommen, daß er krank ward. Schacks Grosvater war seine einzige Gesellschaft auf seinem Krankenbette, und er starb auch in seinen Armen, nachdem er noch verschiedenemahl geäußert hatte, daß sein Geist noch nach dem Tode über die Ausschweifungen seines Weibes Ach und Weh schreien


Mann hatte Schacks Grosvater herzlich geliebt, hatte ihn zum Vertrauten seines Herzens gemacht, und in seiner Freundschaft oft Trost gegen die Sorgen gesucht, die ihm von seinem coquetten Weibe gemacht wurden. Diese Frau hatte unter die unselige Klasse von Frauenzimmern gehoͤrt, welche ohnmoͤglich einem Manne treu bleiben, sondern immer mehrere Anbeter haben muͤssen, unter welchen sie ihr Herz theilen koͤnnen. Des Herrn von Schiers Gattin, so hieß der Mann, war aber nicht bloß ein coquettes, sondern auch ein wirklich ausschweifendes Weib gewesen; sie hatte das Guth ihres Mannes verthan und an ihre wolluͤstigen Freunde verschwendet; hatte sich ganze Tage nicht um ihren arbeitsamen Mann bekuͤmmert — und war nur immer allein ihren sinnlichen Vergnuͤgungen nachgegangen. Herr von Schier war ein viel zu sanfter Mann gewesen, um der ganzen Sache durch entschlossene Widersetzung ein Ende machen zu koͤnnen. Oft hatte ihn Schacks Grosvater im Stillen weinen sehen, und oft hatte er diesem mit einem Gefuͤhl der Verzweifelung seine Leiden geklagt. Endlich hatten ihn Gram und Sorgen so sehr mitgenommen, daß er krank ward. Schacks Grosvater war seine einzige Gesellschaft auf seinem Krankenbette, und er starb auch in seinen Armen, nachdem er noch verschiedenemahl geaͤußert hatte, daß sein Geist noch nach dem Tode uͤber die Ausschweifungen seines Weibes Ach und Weh schreien

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[63/0063] Mann hatte Schacks Grosvater herzlich geliebt, hatte ihn zum Vertrauten seines Herzens gemacht, und in seiner Freundschaft oft Trost gegen die Sorgen gesucht, die ihm von seinem coquetten Weibe gemacht wurden. Diese Frau hatte unter die unselige Klasse von Frauenzimmern gehoͤrt, welche ohnmoͤglich einem Manne treu bleiben, sondern immer mehrere Anbeter haben muͤssen, unter welchen sie ihr Herz theilen koͤnnen. Des Herrn von Schiers Gattin, so hieß der Mann, war aber nicht bloß ein coquettes, sondern auch ein wirklich ausschweifendes Weib gewesen; sie hatte das Guth ihres Mannes verthan und an ihre wolluͤstigen Freunde verschwendet; hatte sich ganze Tage nicht um ihren arbeitsamen Mann bekuͤmmert — und war nur immer allein ihren sinnlichen Vergnuͤgungen nachgegangen. Herr von Schier war ein viel zu sanfter Mann gewesen, um der ganzen Sache durch entschlossene Widersetzung ein Ende machen zu koͤnnen. Oft hatte ihn Schacks Grosvater im Stillen weinen sehen, und oft hatte er diesem mit einem Gefuͤhl der Verzweifelung seine Leiden geklagt. Endlich hatten ihn Gram und Sorgen so sehr mitgenommen, daß er krank ward. Schacks Grosvater war seine einzige Gesellschaft auf seinem Krankenbette, und er starb auch in seinen Armen, nachdem er noch verschiedenemahl geaͤußert hatte, daß sein Geist noch nach dem Tode uͤber die Ausschweifungen seines Weibes Ach und Weh schreien

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/63>, abgerufen am 28.11.2024.