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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.

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gen, daß er die Ader gehörig öffnen konnte; endlich gelang es ihm, und die Ader blutete recht gut. Das Auffallenste hierbei war aber, daß die Kranke, statt sich davor zu fürchten oder gar zu erschrecken, an dieser ihrer Aderöffnung ein Vergnügen hatte, lustig spielte und oft lachte, wenn sie dem Bluten zusahe. Ja, da die Ader verbunden wurde, kaum darin zu willigen schien. Nach der Aderlaß legten sich die vorher so häufige Bewegungen der Gliedmaßen sehr merklich. Ein paar Stunden darauf, da ich meine Geschäfte daselbst verrichtet und mich auch der Chirurgus zur Ader gelassen hatte, reiseten wir wieder, und ich setzte Mutter und Tochter in ihrem Dorfe ab und bestellte den Vater Tages darauf zu mir nach B...

Dieser kam schon des Morgens früh zu mir mit Vermelden: wie die Kranke gegen vorige, diese Nacht sehr ruhig gelegen und auch wieder etwas ordentlich geschlafen hätte. Er wünschte sehnlich, daß dieses continuiren mögte, und ich ihm meinen fernern guten Rath geben wollte, mit fester Versicherung, mir in allen Vorschriften mit seiner Tochter ganz genau zu folgen.

Alle vorgemeldete widernatürliche Bewegungen, Verzuckungen und Verdrehungen hielte ich für Convulsiones; und die Ursache hiervon, glaubte ich in Würmern zu finden. Jch verfuhr daher also: daß ich nach der Aderöffnung erst innerlich temperirende und nächstdem eigentliche Wurmmit-


gen, daß er die Ader gehoͤrig oͤffnen konnte; endlich gelang es ihm, und die Ader blutete recht gut. Das Auffallenste hierbei war aber, daß die Kranke, statt sich davor zu fuͤrchten oder gar zu erschrecken, an dieser ihrer Aderoͤffnung ein Vergnuͤgen hatte, lustig spielte und oft lachte, wenn sie dem Bluten zusahe. Ja, da die Ader verbunden wurde, kaum darin zu willigen schien. Nach der Aderlaß legten sich die vorher so haͤufige Bewegungen der Gliedmaßen sehr merklich. Ein paar Stunden darauf, da ich meine Geschaͤfte daselbst verrichtet und mich auch der Chirurgus zur Ader gelassen hatte, reiseten wir wieder, und ich setzte Mutter und Tochter in ihrem Dorfe ab und bestellte den Vater Tages darauf zu mir nach B...

Dieser kam schon des Morgens fruͤh zu mir mit Vermelden: wie die Kranke gegen vorige, diese Nacht sehr ruhig gelegen und auch wieder etwas ordentlich geschlafen haͤtte. Er wuͤnschte sehnlich, daß dieses continuiren moͤgte, und ich ihm meinen fernern guten Rath geben wollte, mit fester Versicherung, mir in allen Vorschriften mit seiner Tochter ganz genau zu folgen.

Alle vorgemeldete widernatuͤrliche Bewegungen, Verzuckungen und Verdrehungen hielte ich fuͤr Convulsiones; und die Ursache hiervon, glaubte ich in Wuͤrmern zu finden. Jch verfuhr daher also: daß ich nach der Aderoͤffnung erst innerlich temperirende und naͤchstdem eigentliche Wurmmit-

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[32/0032] gen, daß er die Ader gehoͤrig oͤffnen konnte; endlich gelang es ihm, und die Ader blutete recht gut. Das Auffallenste hierbei war aber, daß die Kranke, statt sich davor zu fuͤrchten oder gar zu erschrecken, an dieser ihrer Aderoͤffnung ein Vergnuͤgen hatte, lustig spielte und oft lachte, wenn sie dem Bluten zusahe. Ja, da die Ader verbunden wurde, kaum darin zu willigen schien. Nach der Aderlaß legten sich die vorher so haͤufige Bewegungen der Gliedmaßen sehr merklich. Ein paar Stunden darauf, da ich meine Geschaͤfte daselbst verrichtet und mich auch der Chirurgus zur Ader gelassen hatte, reiseten wir wieder, und ich setzte Mutter und Tochter in ihrem Dorfe ab und bestellte den Vater Tages darauf zu mir nach B... Dieser kam schon des Morgens fruͤh zu mir mit Vermelden: wie die Kranke gegen vorige, diese Nacht sehr ruhig gelegen und auch wieder etwas ordentlich geschlafen haͤtte. Er wuͤnschte sehnlich, daß dieses continuiren moͤgte, und ich ihm meinen fernern guten Rath geben wollte, mit fester Versicherung, mir in allen Vorschriften mit seiner Tochter ganz genau zu folgen. Alle vorgemeldete widernatuͤrliche Bewegungen, Verzuckungen und Verdrehungen hielte ich fuͤr Convulsiones; und die Ursache hiervon, glaubte ich in Wuͤrmern zu finden. Jch verfuhr daher also: daß ich nach der Aderoͤffnung erst innerlich temperirende und naͤchstdem eigentliche Wurmmit-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/32>, abgerufen am 23.11.2024.