war es mir unmöglich, ihn genau zu beobachten; sondern ich merkte nur soviel, daß er etwas voll schlug. Endlich fing sie mit dem Kopf und Halse immer mehr zu drehen an; murmelte ganz unverständliche Worte; kam auch mit Händen und Füssen in mehrere, theils zitternde Bewegungen: daher schlossen die Eltern, daß sie nun bald ihre fürchterliche Zufälle wieder bekommen würde. Sie baten mich gar sehr, ihnen doch Rath für dieses ihr elendes Kind zu ertheilen, und mich erbarmen zu lassen, ihm zu helfen, woran sie gar nicht zweifelten, daß ich es könnte, wenn ich nur wollte. Jhre Bemühung, um Hülfe für dasselbe, wäre bisher, da sie aus den umliegenden Städten schon genug Arzeneyen empfangen und dem Kinde eingegeben, ohne daß Linderung der Zufälle und der Krankheit erfolget, ohne Wirkung gewesen; vielmehr hätte es sich verschlimmert: sie könnten nun weiter nichts mehr thun, als dieses ihr elendes und verwirrtes Kind dem Schicksal und gewissen Tode überlassen.
Voll Mitleiden und Menschenliebe versprach ich, meine Sorgfalt zu Heilung desselben, nach bestem Wissen und Gewissen, anzuwenden; ich machte aber zu einer ausdrücklichen Bedingung: daß, währender Zeit ich ihm Verordnungen gäbe, die Eltern alle diese nicht nur genau befolgen, sondern auch noch überdem keine andre Mittel darneben gebrauchen müßten; sie mögten Nahmen haben wie, und von wem sie wollten. Hierauf sagte
war es mir unmoͤglich, ihn genau zu beobachten; sondern ich merkte nur soviel, daß er etwas voll schlug. Endlich fing sie mit dem Kopf und Halse immer mehr zu drehen an; murmelte ganz unverstaͤndliche Worte; kam auch mit Haͤnden und Fuͤssen in mehrere, theils zitternde Bewegungen: daher schlossen die Eltern, daß sie nun bald ihre fuͤrchterliche Zufaͤlle wieder bekommen wuͤrde. Sie baten mich gar sehr, ihnen doch Rath fuͤr dieses ihr elendes Kind zu ertheilen, und mich erbarmen zu lassen, ihm zu helfen, woran sie gar nicht zweifelten, daß ich es koͤnnte, wenn ich nur wollte. Jhre Bemuͤhung, um Huͤlfe fuͤr dasselbe, waͤre bisher, da sie aus den umliegenden Staͤdten schon genug Arzeneyen empfangen und dem Kinde eingegeben, ohne daß Linderung der Zufaͤlle und der Krankheit erfolget, ohne Wirkung gewesen; vielmehr haͤtte es sich verschlimmert: sie koͤnnten nun weiter nichts mehr thun, als dieses ihr elendes und verwirrtes Kind dem Schicksal und gewissen Tode uͤberlassen.
Voll Mitleiden und Menschenliebe versprach ich, meine Sorgfalt zu Heilung desselben, nach bestem Wissen und Gewissen, anzuwenden; ich machte aber zu einer ausdruͤcklichen Bedingung: daß, waͤhrender Zeit ich ihm Verordnungen gaͤbe, die Eltern alle diese nicht nur genau befolgen, sondern auch noch uͤberdem keine andre Mittel darneben gebrauchen muͤßten; sie moͤgten Nahmen haben wie, und von wem sie wollten. Hierauf sagte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0030"n="30"/><lb/>
war es mir unmoͤglich, ihn genau zu beobachten; sondern ich merkte nur soviel, daß er etwas voll schlug. Endlich fing sie mit dem Kopf und Halse immer mehr zu drehen an; murmelte ganz unverstaͤndliche Worte; kam auch mit Haͤnden und Fuͤssen in mehrere, theils zitternde Bewegungen: daher schlossen die Eltern, daß sie nun bald ihre fuͤrchterliche Zufaͤlle wieder bekommen wuͤrde. Sie baten mich gar sehr, ihnen doch Rath fuͤr dieses ihr elendes Kind zu ertheilen, und mich erbarmen zu lassen, ihm zu helfen, <choice><corr>woran</corr><sic>waran</sic></choice> sie gar nicht zweifelten, daß ich es koͤnnte, wenn ich nur wollte. Jhre Bemuͤhung, um Huͤlfe fuͤr dasselbe, waͤre bisher, da sie aus den umliegenden Staͤdten schon genug Arzeneyen empfangen und dem Kinde eingegeben, ohne <choice><corr>daß</corr><sic>das</sic></choice> Linderung der Zufaͤlle und der Krankheit erfolget, ohne Wirkung gewesen; vielmehr haͤtte es sich verschlimmert: sie koͤnnten nun weiter nichts mehr thun, als dieses ihr elendes und verwirrtes Kind dem Schicksal und gewissen Tode uͤberlassen.</p><p>Voll Mitleiden und Menschenliebe versprach ich, meine Sorgfalt zu Heilung desselben, nach bestem Wissen und Gewissen, anzuwenden; ich machte aber zu einer ausdruͤcklichen Bedingung: daß, waͤhrender Zeit ich ihm Verordnungen gaͤbe, die Eltern alle diese nicht nur genau befolgen, sondern auch noch uͤberdem keine andre Mittel darneben gebrauchen muͤßten; sie moͤgten Nahmen haben wie, und von wem sie wollten. Hierauf sagte<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[30/0030]
war es mir unmoͤglich, ihn genau zu beobachten; sondern ich merkte nur soviel, daß er etwas voll schlug. Endlich fing sie mit dem Kopf und Halse immer mehr zu drehen an; murmelte ganz unverstaͤndliche Worte; kam auch mit Haͤnden und Fuͤssen in mehrere, theils zitternde Bewegungen: daher schlossen die Eltern, daß sie nun bald ihre fuͤrchterliche Zufaͤlle wieder bekommen wuͤrde. Sie baten mich gar sehr, ihnen doch Rath fuͤr dieses ihr elendes Kind zu ertheilen, und mich erbarmen zu lassen, ihm zu helfen, woran sie gar nicht zweifelten, daß ich es koͤnnte, wenn ich nur wollte. Jhre Bemuͤhung, um Huͤlfe fuͤr dasselbe, waͤre bisher, da sie aus den umliegenden Staͤdten schon genug Arzeneyen empfangen und dem Kinde eingegeben, ohne daß Linderung der Zufaͤlle und der Krankheit erfolget, ohne Wirkung gewesen; vielmehr haͤtte es sich verschlimmert: sie koͤnnten nun weiter nichts mehr thun, als dieses ihr elendes und verwirrtes Kind dem Schicksal und gewissen Tode uͤberlassen.
Voll Mitleiden und Menschenliebe versprach ich, meine Sorgfalt zu Heilung desselben, nach bestem Wissen und Gewissen, anzuwenden; ich machte aber zu einer ausdruͤcklichen Bedingung: daß, waͤhrender Zeit ich ihm Verordnungen gaͤbe, die Eltern alle diese nicht nur genau befolgen, sondern auch noch uͤberdem keine andre Mittel darneben gebrauchen muͤßten; sie moͤgten Nahmen haben wie, und von wem sie wollten. Hierauf sagte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/30>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.