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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.

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dern sogar in den besondern Umständen mit diesen zusammentreffen: er ist es sich ebenfalls bewußt, daß die unangenehmen Eindrücke von seiner Kindheit an, bei ihm das Uebergewicht gehabt haben; nur bleibt es ihm noch immer zweifelhaft, ob dieß Uebergewicht durch die größre Menge der unangenehmen Eindrücke, oder durch eine besondre melancholische Stimmung des Gemüths, bewirkt wurde, die vielleicht schon von seiner Geburt an, in sein Daseyn verwebt war. Er hat oft in einsamen Stunden über diesen unwiderstehlichen Hang seiner Seele zur Traurigkeit nachgedacht, der ihn oft schon wieder traurig machte, indem er im Begriff war, den Grund dieser Traurigkeit aufzufinden. Er glaubte, einst zu bemerken, daß diese Traurigkeit bloß in einer gewissen Trägheit der Seele gegründet sey; daß es manchmal wirklich bequemer sey, traurig, als vergnügt zu seyn; daß die unangenehmen Eindrücke leichter sind, als die angenehmen, weil sie die Seele nicht so erfüllen, und ihrer Thätigkeit nicht so viel Stoff geben, als die reichern und vollern angenehmern Eindrücke; woher nun aber gerade bei ihm wieder diese Trägheit, die einen solchen unerklärlichen Abscheu vor dem reichen und vollen der angenehmen Eindrücke verursacht, welcher mit dem Eckel vor den Speisen so viel Aehnliches hat? -- Hier sah' er Dunkelheit und Nacht vor sich. -- --

(Die Fortsetzung künftig.)



dern sogar in den besondern Umstaͤnden mit diesen zusammentreffen: er ist es sich ebenfalls bewußt, daß die unangenehmen Eindruͤcke von seiner Kindheit an, bei ihm das Uebergewicht gehabt haben; nur bleibt es ihm noch immer zweifelhaft, ob dieß Uebergewicht durch die groͤßre Menge der unangenehmen Eindruͤcke, oder durch eine besondre melancholische Stimmung des Gemuͤths, bewirkt wurde, die vielleicht schon von seiner Geburt an, in sein Daseyn verwebt war. Er hat oft in einsamen Stunden uͤber diesen unwiderstehlichen Hang seiner Seele zur Traurigkeit nachgedacht, der ihn oft schon wieder traurig machte, indem er im Begriff war, den Grund dieser Traurigkeit aufzufinden. Er glaubte, einst zu bemerken, daß diese Traurigkeit bloß in einer gewissen Traͤgheit der Seele gegruͤndet sey; daß es manchmal wirklich bequemer sey, traurig, als vergnuͤgt zu seyn; daß die unangenehmen Eindruͤcke leichter sind, als die angenehmen, weil sie die Seele nicht so erfuͤllen, und ihrer Thaͤtigkeit nicht so viel Stoff geben, als die reichern und vollern angenehmern Eindruͤcke; woher nun aber gerade bei ihm wieder diese Traͤgheit, die einen solchen unerklaͤrlichen Abscheu vor dem reichen und vollen der angenehmen Eindruͤcke verursacht, welcher mit dem Eckel vor den Speisen so viel Aehnliches hat? — Hier sah' er Dunkelheit und Nacht vor sich. — —

(Die Fortsetzung kuͤnftig.)


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[16/0016] dern sogar in den besondern Umstaͤnden mit diesen zusammentreffen: er ist es sich ebenfalls bewußt, daß die unangenehmen Eindruͤcke von seiner Kindheit an, bei ihm das Uebergewicht gehabt haben; nur bleibt es ihm noch immer zweifelhaft, ob dieß Uebergewicht durch die groͤßre Menge der unangenehmen Eindruͤcke, oder durch eine besondre melancholische Stimmung des Gemuͤths, bewirkt wurde, die vielleicht schon von seiner Geburt an, in sein Daseyn verwebt war. Er hat oft in einsamen Stunden uͤber diesen unwiderstehlichen Hang seiner Seele zur Traurigkeit nachgedacht, der ihn oft schon wieder traurig machte, indem er im Begriff war, den Grund dieser Traurigkeit aufzufinden. Er glaubte, einst zu bemerken, daß diese Traurigkeit bloß in einer gewissen Traͤgheit der Seele gegruͤndet sey; daß es manchmal wirklich bequemer sey, traurig, als vergnuͤgt zu seyn; daß die unangenehmen Eindruͤcke leichter sind, als die angenehmen, weil sie die Seele nicht so erfuͤllen, und ihrer Thaͤtigkeit nicht so viel Stoff geben, als die reichern und vollern angenehmern Eindruͤcke; woher nun aber gerade bei ihm wieder diese Traͤgheit, die einen solchen unerklaͤrlichen Abscheu vor dem reichen und vollen der angenehmen Eindruͤcke verursacht, welcher mit dem Eckel vor den Speisen so viel Aehnliches hat? — Hier sah' er Dunkelheit und Nacht vor sich. — — (Die Fortsetzung kuͤnftig.)

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/16>, abgerufen am 28.04.2024.