Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
Beschäftigt muß er immer seyn. Ehe man sichs versieht, hat er mit seinem Mitschüler ein Gespräch angefangen, oder er hat kleine Spielwerke, die ihn zerstreuen, die seinen Beifall und keinen geringen Werth für ihn haben, auch wenn sie weiter niemand bemerkt und niemand schön findet. Es ist nichts seltenes, daß er über dergleichen Tändeleien ein kleines Gelächter erhebt, und es dann, obgleich etwas beschämt, aber doch treuherzig genug gesteht, wenn man ihn nach der Ursach davon fragt. Ein Verweis darüber ist ihm empfindlich; seine Scham wird sichtbar und endigt sich gemeiniglich mit Thränen, die ihm schnell entstürzen. Und dann scheint er alles feiner und stärker zu empfinden. Erinnerungen fruchten nun mehr und prägen sich tiefer bei ihm ein, als sonst. Ein Blick eines seiner Mit-
Beschaͤftigt muß er immer seyn. Ehe man sichs versieht, hat er mit seinem Mitschuͤler ein Gespraͤch angefangen, oder er hat kleine Spielwerke, die ihn zerstreuen, die seinen Beifall und keinen geringen Werth fuͤr ihn haben, auch wenn sie weiter niemand bemerkt und niemand schoͤn findet. Es ist nichts seltenes, daß er uͤber dergleichen Taͤndeleien ein kleines Gelaͤchter erhebt, und es dann, obgleich etwas beschaͤmt, aber doch treuherzig genug gesteht, wenn man ihn nach der Ursach davon fragt. Ein Verweis daruͤber ist ihm empfindlich; seine Scham wird sichtbar und endigt sich gemeiniglich mit Thraͤnen, die ihm schnell entstuͤrzen. Und dann scheint er alles feiner und staͤrker zu empfinden. Erinnerungen fruchten nun mehr und praͤgen sich tiefer bei ihm ein, als sonst. Ein Blick eines seiner Mit- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0117" n="117"/><lb/> hoͤren wuͤrde, wobei er weiter nichts zu thun hat, als aufzumerken und es dann allenfalls wieder zu vergessen. Wenn aber etwas Jnteresse fuͤr ihn hat, wenn etwas grade fuͤr ihn erheblich ist, dann sieht man ihm die ganze Neigung an, die ihn beseelt, recht viel von dieser Sache zu hoͤren. Dann scheint sich sein Koͤrper vorwaͤrts zu neigen, gerade als ob er mehr von der Sache hoͤren koͤnnte, wenn sein Ohr sich dem Schall der Worte mehr genaͤhert hat. Er fragt alsdann nach demjenigen, was er nicht recht verstanden hat, oder was er etwa außerdem davon wissen moͤchte. Auch erzaͤhlt er gern, was er schon davon gehoͤrt hat. </p> <p>Beschaͤftigt muß er immer seyn. Ehe man sichs versieht, hat er mit seinem Mitschuͤler ein Gespraͤch angefangen, oder er hat kleine Spielwerke, die ihn zerstreuen, die seinen Beifall und keinen geringen Werth fuͤr ihn haben, auch wenn sie weiter niemand bemerkt und niemand schoͤn findet. Es ist nichts seltenes, daß er uͤber dergleichen Taͤndeleien ein kleines Gelaͤchter erhebt, und es dann, obgleich etwas beschaͤmt, aber doch treuherzig genug gesteht, wenn man ihn nach der Ursach davon fragt. Ein Verweis daruͤber ist ihm empfindlich; seine Scham wird sichtbar und endigt sich gemeiniglich mit Thraͤnen, die ihm schnell entstuͤrzen. Und dann scheint er alles feiner und staͤrker zu empfinden. Erinnerungen fruchten nun mehr und praͤgen sich tiefer bei ihm ein, als sonst. Ein Blick eines seiner Mit-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0117]
hoͤren wuͤrde, wobei er weiter nichts zu thun hat, als aufzumerken und es dann allenfalls wieder zu vergessen. Wenn aber etwas Jnteresse fuͤr ihn hat, wenn etwas grade fuͤr ihn erheblich ist, dann sieht man ihm die ganze Neigung an, die ihn beseelt, recht viel von dieser Sache zu hoͤren. Dann scheint sich sein Koͤrper vorwaͤrts zu neigen, gerade als ob er mehr von der Sache hoͤren koͤnnte, wenn sein Ohr sich dem Schall der Worte mehr genaͤhert hat. Er fragt alsdann nach demjenigen, was er nicht recht verstanden hat, oder was er etwa außerdem davon wissen moͤchte. Auch erzaͤhlt er gern, was er schon davon gehoͤrt hat.
Beschaͤftigt muß er immer seyn. Ehe man sichs versieht, hat er mit seinem Mitschuͤler ein Gespraͤch angefangen, oder er hat kleine Spielwerke, die ihn zerstreuen, die seinen Beifall und keinen geringen Werth fuͤr ihn haben, auch wenn sie weiter niemand bemerkt und niemand schoͤn findet. Es ist nichts seltenes, daß er uͤber dergleichen Taͤndeleien ein kleines Gelaͤchter erhebt, und es dann, obgleich etwas beschaͤmt, aber doch treuherzig genug gesteht, wenn man ihn nach der Ursach davon fragt. Ein Verweis daruͤber ist ihm empfindlich; seine Scham wird sichtbar und endigt sich gemeiniglich mit Thraͤnen, die ihm schnell entstuͤrzen. Und dann scheint er alles feiner und staͤrker zu empfinden. Erinnerungen fruchten nun mehr und praͤgen sich tiefer bei ihm ein, als sonst. Ein Blick eines seiner Mit-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/117>, abgerufen am 22.07.2024. |