Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.Zur Seelenzeichenkunde. Nebeneinanderstellung jugendlicher Charaktere. 1. ** Dessen ich im 2ten Stücke des ersten Bandes S. 112 erwähnte, hat sich in den verfloßnen drittehalb Jahren fast um nichts geändert. Auf seinem Gesichte sieht man noch die schuldlose jugendliche Freude, die man allen Menschen wünschen möchte. Fast immer bemerkt man ein Lächeln an ihm, so sanft und so gefällig, daß man es, bei ihm wenigstens, lieber siehet, als wenn es mit mehr Ernst vermischt wäre. Er ist beständig froh und heiter. Eine Kleinigkeit, womit er tändelt, eine freundliche Anrede scheint ihm noch alles zu seyn, was seines Wunsches werth ist. Aber eben daher ist er auch in seinen Kenntnissen wenig weiter gekommen. Er findet es noch nicht wichtig genug, sich anzustrengen, und stundenlang seine Gedanken und seine Aufmerksamkeit auf Dinge zu heften, deren Nutzen er nicht einsieht, und alle Vorstellungen darüber scheinen ihm gar sehr unbedeutend zu seyn. Jndessen hört er sie aufmerksam und mit innerer Behaglichkeit an, etwa wie er ein Feenmährchen an- Zur Seelenzeichenkunde. Nebeneinanderstellung jugendlicher Charaktere. 1. ** Dessen ich im 2ten Stuͤcke des ersten Bandes S. 112 erwaͤhnte, hat sich in den verfloßnen drittehalb Jahren fast um nichts geaͤndert. Auf seinem Gesichte sieht man noch die schuldlose jugendliche Freude, die man allen Menschen wuͤnschen moͤchte. Fast immer bemerkt man ein Laͤcheln an ihm, so sanft und so gefaͤllig, daß man es, bei ihm wenigstens, lieber siehet, als wenn es mit mehr Ernst vermischt waͤre. Er ist bestaͤndig froh und heiter. Eine Kleinigkeit, womit er taͤndelt, eine freundliche Anrede scheint ihm noch alles zu seyn, was seines Wunsches werth ist. Aber eben daher ist er auch in seinen Kenntnissen wenig weiter gekommen. Er findet es noch nicht wichtig genug, sich anzustrengen, und stundenlang seine Gedanken und seine Aufmerksamkeit auf Dinge zu heften, deren Nutzen er nicht einsieht, und alle Vorstellungen daruͤber scheinen ihm gar sehr unbedeutend zu seyn. Jndessen hoͤrt er sie aufmerksam und mit innerer Behaglichkeit an, etwa wie er ein Feenmaͤhrchen an- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0116" n="116"/><lb/><lb/> </div> </div> <div n="2"> <head>Zur Seelenzeichenkunde.</head><lb/> <div n="3"> <head>Nebeneinanderstellung jugendlicher Charaktere.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref88"><note type="editorial"/>Seidel, Johann Friedrich</persName> </bibl> </note> <div n="4"> <head>1.</head><lb/> <p><hi rendition="#b">**</hi> Dessen ich im 2ten Stuͤcke des ersten Bandes S. 112 erwaͤhnte, hat sich in den verfloßnen drittehalb Jahren fast um nichts geaͤndert. Auf seinem Gesichte sieht man noch die schuldlose jugendliche Freude, die man allen Menschen wuͤnschen moͤchte. Fast immer bemerkt man ein Laͤcheln an ihm, so sanft und so gefaͤllig, daß man es, bei ihm wenigstens, lieber siehet, als wenn es mit mehr Ernst vermischt waͤre. Er ist bestaͤndig froh und heiter. Eine Kleinigkeit, womit er taͤndelt, eine freundliche Anrede scheint ihm noch alles zu seyn, was seines Wunsches werth ist. Aber eben daher ist er auch in seinen Kenntnissen wenig weiter gekommen. Er findet es noch nicht wichtig genug, sich anzustrengen, und stundenlang seine Gedanken und seine Aufmerksamkeit auf Dinge zu heften, deren Nutzen er nicht einsieht, und alle Vorstellungen daruͤber scheinen ihm gar sehr unbedeutend zu seyn. Jndessen hoͤrt er sie aufmerksam und mit innerer Behaglichkeit an, etwa wie er ein Feenmaͤhrchen an-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0116]
Zur Seelenzeichenkunde.
Nebeneinanderstellung jugendlicher Charaktere.
1.
** Dessen ich im 2ten Stuͤcke des ersten Bandes S. 112 erwaͤhnte, hat sich in den verfloßnen drittehalb Jahren fast um nichts geaͤndert. Auf seinem Gesichte sieht man noch die schuldlose jugendliche Freude, die man allen Menschen wuͤnschen moͤchte. Fast immer bemerkt man ein Laͤcheln an ihm, so sanft und so gefaͤllig, daß man es, bei ihm wenigstens, lieber siehet, als wenn es mit mehr Ernst vermischt waͤre. Er ist bestaͤndig froh und heiter. Eine Kleinigkeit, womit er taͤndelt, eine freundliche Anrede scheint ihm noch alles zu seyn, was seines Wunsches werth ist. Aber eben daher ist er auch in seinen Kenntnissen wenig weiter gekommen. Er findet es noch nicht wichtig genug, sich anzustrengen, und stundenlang seine Gedanken und seine Aufmerksamkeit auf Dinge zu heften, deren Nutzen er nicht einsieht, und alle Vorstellungen daruͤber scheinen ihm gar sehr unbedeutend zu seyn. Jndessen hoͤrt er sie aufmerksam und mit innerer Behaglichkeit an, etwa wie er ein Feenmaͤhrchen an-
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