Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
Von dem Plural zu dem abstrakten Begriffe ist nur ein unmerklicher Uebergang. Die Menschen sind sterblich, und der Mensch (das Abstraktum) ist sterblich sagt fast einerlei -- und wenn der Artikel die im Plural nicht statt des Pronomens steht, als die Menschen, welche u.s.w., so umfaßt er ja alle Dinge einer Art, und macht daher die Mehrheit selbst zu einem abstrakten Begriffe. Jch kehre nach dieser Ausschweifung zu dem Plural von ich bin zurück, wo sich also nach eben dem Gesetz des Denkens die bestimmten Unterschiede, und selbst die genauere Bezeichnung des Daseyns, in den herrschenden Begriff von der Mehrheit der Personen verliert. Diese Mehrheit ist selbst schon ein abstrakter Begriff, und kann daher auch nur mit dem abgezognen Begriffe des Daseyns zusammenschmelzen, welcher durch sind ausgedrückt wird. Ehe ich in diesen Untersuchungen weiter fortgehe, will ich mein Nachdenken erst zu einer Vergleichung mehreren Sprachen miteinander zurückrufen, um mich nicht durch einseitiges Beobachten zu Hypothesen, welche zu gewagt sind, verleiten zu lassen.
Von dem Plural zu dem abstrakten Begriffe ist nur ein unmerklicher Uebergang. Die Menschen sind sterblich, und der Mensch (das Abstraktum) ist sterblich sagt fast einerlei — und wenn der Artikel die im Plural nicht statt des Pronomens steht, als die Menschen, welche u.s.w., so umfaßt er ja alle Dinge einer Art, und macht daher die Mehrheit selbst zu einem abstrakten Begriffe. Jch kehre nach dieser Ausschweifung zu dem Plural von ich bin zuruͤck, wo sich also nach eben dem Gesetz des Denkens die bestimmten Unterschiede, und selbst die genauere Bezeichnung des Daseyns, in den herrschenden Begriff von der Mehrheit der Personen verliert. Diese Mehrheit ist selbst schon ein abstrakter Begriff, und kann daher auch nur mit dem abgezognen Begriffe des Daseyns zusammenschmelzen, welcher durch sind ausgedruͤckt wird. Ehe ich in diesen Untersuchungen weiter fortgehe, will ich mein Nachdenken erst zu einer Vergleichung mehreren Sprachen miteinander zuruͤckrufen, um mich nicht durch einseitiges Beobachten zu Hypothesen, welche zu gewagt sind, verleiten zu lassen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0102" n="102"/><lb/> keit, Guͤte,</hi> sind selbst schon etwas <hi rendition="#b">Zusammengenommenes,</hi> aus <hi rendition="#b">Einzelnheiten erwachsnes,</hi> und der Artikel <hi rendition="#b">die,</hi> welcher vor denselben steht, kann fast eben so gut wie ein Zeichen des Plurals, als wie ein Zeichen des Femininums betrachtet werden. </p> <p>Von dem Plural zu dem abstrakten Begriffe ist nur ein unmerklicher Uebergang. </p> <p>Die Menschen sind sterblich, und</p> <p>der Mensch (das Abstraktum) ist sterblich </p> <p>sagt fast einerlei — und wenn der Artikel <hi rendition="#b">die</hi> im Plural nicht statt des Pronomens steht, als <hi rendition="#b">die Menschen, welche</hi> u.s.w., so <hi rendition="#b">umfaßt er ja alle Dinge einer Art,</hi> und macht daher die Mehrheit selbst zu einem abstrakten Begriffe. </p> <p>Jch kehre nach dieser Ausschweifung zu dem Plural von <hi rendition="#b">ich bin</hi> zuruͤck, wo sich also nach eben dem Gesetz des Denkens die bestimmten Unterschiede, und selbst die genauere Bezeichnung des Daseyns, in den herrschenden Begriff von der Mehrheit der Personen verliert. Diese Mehrheit ist selbst schon ein abstrakter Begriff, und kann daher auch nur mit dem abgezognen Begriffe des Daseyns zusammenschmelzen, welcher durch <hi rendition="#b">sind</hi> ausgedruͤckt wird. </p> <p>Ehe ich in diesen Untersuchungen weiter fortgehe, will ich mein Nachdenken erst zu einer Vergleichung mehreren Sprachen miteinander zuruͤckrufen, um mich nicht durch einseitiges Beobachten zu Hypothesen, welche zu gewagt sind, verleiten zu lassen. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0102]
keit, Guͤte, sind selbst schon etwas Zusammengenommenes, aus Einzelnheiten erwachsnes, und der Artikel die, welcher vor denselben steht, kann fast eben so gut wie ein Zeichen des Plurals, als wie ein Zeichen des Femininums betrachtet werden.
Von dem Plural zu dem abstrakten Begriffe ist nur ein unmerklicher Uebergang.
Die Menschen sind sterblich, und
der Mensch (das Abstraktum) ist sterblich
sagt fast einerlei — und wenn der Artikel die im Plural nicht statt des Pronomens steht, als die Menschen, welche u.s.w., so umfaßt er ja alle Dinge einer Art, und macht daher die Mehrheit selbst zu einem abstrakten Begriffe.
Jch kehre nach dieser Ausschweifung zu dem Plural von ich bin zuruͤck, wo sich also nach eben dem Gesetz des Denkens die bestimmten Unterschiede, und selbst die genauere Bezeichnung des Daseyns, in den herrschenden Begriff von der Mehrheit der Personen verliert. Diese Mehrheit ist selbst schon ein abstrakter Begriff, und kann daher auch nur mit dem abgezognen Begriffe des Daseyns zusammenschmelzen, welcher durch sind ausgedruͤckt wird.
Ehe ich in diesen Untersuchungen weiter fortgehe, will ich mein Nachdenken erst zu einer Vergleichung mehreren Sprachen miteinander zuruͤckrufen, um mich nicht durch einseitiges Beobachten zu Hypothesen, welche zu gewagt sind, verleiten zu lassen.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/102>, abgerufen am 20.07.2024. |