Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.
Mein Geist ist wieder lebhaft und feurig und kann wieder thätig seyn, nur fehlt es ihm hier an Muth; auf meiner Stube beim Buche bin ich heiter, aber sobald ich nur einen Blick auf die Straße thue, bin ich niedergeschlagen, der Anblick meiner Zeitgenoßen kränkt mich, besonders diese Festtage hindurch sind sie alle thätig, ich nicht. So gerne möchte ich predigen, nur kann ich hier nicht das Herz faßen: es herrscht solche Rastlosigkeit in meiner Seele, ich kann nicht für den gegenwärtigen Anblick leben, dieß kränkt mich, und macht mir meine Tage trübe, keine frohe Aussicht auf den Tag, der Gedanke, Du kannst doch nichts zum Wohl der menschlichen Gesellschaft verrichten, Du bist itzt für sie todt, ach! wie betrübt mich das? Jch kann nicht dabei zu Kräften kommen. Ach! die unglückliche unreife Jdee, in welches Labyrinth hat sie mich versenkt, ach! wie thätig muß
Mein Geist ist wieder lebhaft und feurig und kann wieder thaͤtig seyn, nur fehlt es ihm hier an Muth; auf meiner Stube beim Buche bin ich heiter, aber sobald ich nur einen Blick auf die Straße thue, bin ich niedergeschlagen, der Anblick meiner Zeitgenoßen kraͤnkt mich, besonders diese Festtage hindurch sind sie alle thaͤtig, ich nicht. So gerne moͤchte ich predigen, nur kann ich hier nicht das Herz faßen: es herrscht solche Rastlosigkeit in meiner Seele, ich kann nicht fuͤr den gegenwaͤrtigen Anblick leben, dieß kraͤnkt mich, und macht mir meine Tage truͤbe, keine frohe Aussicht auf den Tag, der Gedanke, Du kannst doch nichts zum Wohl der menschlichen Gesellschaft verrichten, Du bist itzt fuͤr sie todt, ach! wie betruͤbt mich das? Jch kann nicht dabei zu Kraͤften kommen. Ach! die ungluͤckliche unreife Jdee, in welches Labyrinth hat sie mich versenkt, ach! wie thaͤtig muß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0094" n="92"/><lb/> vergnuͤgter und zufriedener als ich hier mitten in der Stadt B** auf dem Kohlmarkte? ob ich gleich wohl mehr Ursache haͤtte <hi rendition="#b">freudig</hi> als mißvergnuͤgt zu seyn: so muß ich es Dir, als meinem Herzensfreunde doch aufrichtig gestehen, daß ich wieder ganze Wochenlang die schwermuͤthigsten Launen gehabt: es dauert mich, Dich vielleicht dadurch zu betruͤben, aber ich wollte gern so mal mein ganzes Herz ausschuͤtten, und doch habe ich zu keinem groͤßeres Zutrauen, als zu Dir, Du weißt ja warum? — </p> <p>Mein Geist ist wieder lebhaft und feurig und kann wieder thaͤtig seyn, nur fehlt es ihm hier an Muth; auf meiner Stube beim Buche bin ich heiter, aber sobald ich nur einen Blick auf die Straße thue, bin ich niedergeschlagen, der Anblick meiner Zeitgenoßen kraͤnkt mich, besonders diese Festtage hindurch sind sie alle <hi rendition="#b">thaͤtig,</hi> ich nicht. </p> <p>So gerne moͤchte ich predigen, nur kann ich hier nicht das Herz faßen: es herrscht solche Rastlosigkeit in meiner Seele, ich kann nicht fuͤr den gegenwaͤrtigen Anblick leben, dieß kraͤnkt mich, und macht mir meine Tage truͤbe, keine frohe Aussicht auf den Tag, der Gedanke, Du kannst doch nichts zum Wohl der menschlichen Gesellschaft verrichten, Du bist itzt fuͤr sie todt, ach! wie betruͤbt mich das? </p> <p>Jch kann nicht dabei zu Kraͤften kommen. Ach! die ungluͤckliche unreife Jdee, in welches Labyrinth hat sie mich versenkt, ach! wie thaͤtig muß<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0094]
vergnuͤgter und zufriedener als ich hier mitten in der Stadt B** auf dem Kohlmarkte? ob ich gleich wohl mehr Ursache haͤtte freudig als mißvergnuͤgt zu seyn: so muß ich es Dir, als meinem Herzensfreunde doch aufrichtig gestehen, daß ich wieder ganze Wochenlang die schwermuͤthigsten Launen gehabt: es dauert mich, Dich vielleicht dadurch zu betruͤben, aber ich wollte gern so mal mein ganzes Herz ausschuͤtten, und doch habe ich zu keinem groͤßeres Zutrauen, als zu Dir, Du weißt ja warum? —
Mein Geist ist wieder lebhaft und feurig und kann wieder thaͤtig seyn, nur fehlt es ihm hier an Muth; auf meiner Stube beim Buche bin ich heiter, aber sobald ich nur einen Blick auf die Straße thue, bin ich niedergeschlagen, der Anblick meiner Zeitgenoßen kraͤnkt mich, besonders diese Festtage hindurch sind sie alle thaͤtig, ich nicht.
So gerne moͤchte ich predigen, nur kann ich hier nicht das Herz faßen: es herrscht solche Rastlosigkeit in meiner Seele, ich kann nicht fuͤr den gegenwaͤrtigen Anblick leben, dieß kraͤnkt mich, und macht mir meine Tage truͤbe, keine frohe Aussicht auf den Tag, der Gedanke, Du kannst doch nichts zum Wohl der menschlichen Gesellschaft verrichten, Du bist itzt fuͤr sie todt, ach! wie betruͤbt mich das?
Jch kann nicht dabei zu Kraͤften kommen. Ach! die ungluͤckliche unreife Jdee, in welches Labyrinth hat sie mich versenkt, ach! wie thaͤtig muß
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/94>, abgerufen am 15.08.2024. |