Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Jch kann mir diese sonderbare Begebenheit nicht anders erklären, als daß in seiner frühesten Kindheit eine ähnliche Melodie, die ihm seine Mutter oder seine Amme vorgesungen haben kann, sich in seiner zarten Seele festgesetzt hatte, nun durch den Zufall wieder aufgeweckt wurde und in eine lebhafte Empfindung überging. Mir schien der Vorfall des Aufzeichnens immer werth zu seyn, und ich wünsche, daß er wenigstens dazu diene, Erzieher aufmerksamer auf die Aeußerungen ihrer Kinder zu machen, und ihnen Gelegenheit gebe, den ersten Quellen ihrer öfters sonderbaren Gewohnheiten, Neigungen und Abneigungen nachzuspüren, bei Ausrottung schädlicher, und Einpflanzung guter Neigungen immer, wo möglich, einen Hinblick auf ihr ganzes Selbst, besonders auf ihren Unterricht, auf die Umstände, auf die Gesellschaft und auf die Personen zu werfen, die sie zuerst umgaben und von denen sie den ersten Gebrauch ih-
Jch kann mir diese sonderbare Begebenheit nicht anders erklaͤren, als daß in seiner fruͤhesten Kindheit eine aͤhnliche Melodie, die ihm seine Mutter oder seine Amme vorgesungen haben kann, sich in seiner zarten Seele festgesetzt hatte, nun durch den Zufall wieder aufgeweckt wurde und in eine lebhafte Empfindung uͤberging. Mir schien der Vorfall des Aufzeichnens immer werth zu seyn, und ich wuͤnsche, daß er wenigstens dazu diene, Erzieher aufmerksamer auf die Aeußerungen ihrer Kinder zu machen, und ihnen Gelegenheit gebe, den ersten Quellen ihrer oͤfters sonderbaren Gewohnheiten, Neigungen und Abneigungen nachzuspuͤren, bei Ausrottung schaͤdlicher, und Einpflanzung guter Neigungen immer, wo moͤglich, einen Hinblick auf ihr ganzes Selbst, besonders auf ihren Unterricht, auf die Umstaͤnde, auf die Gesellschaft und auf die Personen zu werfen, die sie zuerst umgaben und von denen sie den ersten Gebrauch ih- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0096" n="96"/><lb/> Mangel alles musikalischen Gehoͤrs, unmoͤglich hintergehen konnte. Aber dennoch merkte er den Satz, wenn er noch so sonderbar mit andern verbunden war, und er that gleiche Wirkung auf ihn. Wie denn am Ende sich alles abstumpft, so verlor sich auch bei ihm diese zufaͤllig erregte Reizbarkeit, man that ihm Gewalt an, hatte ihn bestaͤndig zum Besten, und peinigte ihn vom Morgen bis zum Abend damit. </p> <p>Jch kann mir diese sonderbare Begebenheit nicht anders erklaͤren, als daß in seiner fruͤhesten Kindheit eine aͤhnliche Melodie, die ihm seine Mutter oder seine Amme vorgesungen haben kann, sich in seiner zarten Seele festgesetzt hatte, nun durch den Zufall wieder aufgeweckt wurde und in eine lebhafte Empfindung uͤberging. Mir schien der Vorfall des Aufzeichnens immer werth zu seyn, und ich wuͤnsche, daß er wenigstens dazu diene, Erzieher aufmerksamer auf die Aeußerungen ihrer Kinder zu machen, und ihnen Gelegenheit gebe, den ersten Quellen ihrer oͤfters sonderbaren Gewohnheiten, Neigungen und Abneigungen nachzuspuͤren, bei Ausrottung schaͤdlicher, und Einpflanzung guter Neigungen immer, wo moͤglich, einen Hinblick auf ihr ganzes Selbst, besonders auf ihren Unterricht, auf die Umstaͤnde, auf die Gesellschaft und auf die Personen zu werfen, die sie zuerst umgaben und von denen sie den ersten Gebrauch ih-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0096]
Mangel alles musikalischen Gehoͤrs, unmoͤglich hintergehen konnte. Aber dennoch merkte er den Satz, wenn er noch so sonderbar mit andern verbunden war, und er that gleiche Wirkung auf ihn. Wie denn am Ende sich alles abstumpft, so verlor sich auch bei ihm diese zufaͤllig erregte Reizbarkeit, man that ihm Gewalt an, hatte ihn bestaͤndig zum Besten, und peinigte ihn vom Morgen bis zum Abend damit.
Jch kann mir diese sonderbare Begebenheit nicht anders erklaͤren, als daß in seiner fruͤhesten Kindheit eine aͤhnliche Melodie, die ihm seine Mutter oder seine Amme vorgesungen haben kann, sich in seiner zarten Seele festgesetzt hatte, nun durch den Zufall wieder aufgeweckt wurde und in eine lebhafte Empfindung uͤberging. Mir schien der Vorfall des Aufzeichnens immer werth zu seyn, und ich wuͤnsche, daß er wenigstens dazu diene, Erzieher aufmerksamer auf die Aeußerungen ihrer Kinder zu machen, und ihnen Gelegenheit gebe, den ersten Quellen ihrer oͤfters sonderbaren Gewohnheiten, Neigungen und Abneigungen nachzuspuͤren, bei Ausrottung schaͤdlicher, und Einpflanzung guter Neigungen immer, wo moͤglich, einen Hinblick auf ihr ganzes Selbst, besonders auf ihren Unterricht, auf die Umstaͤnde, auf die Gesellschaft und auf die Personen zu werfen, die sie zuerst umgaben und von denen sie den ersten Gebrauch ih-
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