Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


nen Häufchen Pulver, die man nie bemerkt haben würde, wenn nicht das ganze Zimmer in Brand gerathen wäre, die nun aber, so wie an jedem die Flamme kömmt, den Glanz des übrigen überstralen. Die flüchtigen Regungen, welche sonst zuweilen durch die Seele fliegen, und ehe sie wahrgenommen werden, verschwinden, verwandelten sich bei mir in bleibende ausgemahlte Bilder; die unbemerkte vorübereilende gefällige und mißfällige Empfindung an etwas hielt nun an, und schien die Stelle eines festen Begehrens und Verabscheuens einnehmen zu wollen; denn alles, was gereizt ward, war in der gleichgültigen Lage der Seele Herr.

Dieß gab zum Theil schreckliche Phänomene; der Gedanke, den ich verfluchte, ward Bild, annehmliches Bild. Das heftige Mißfallen an diesem entdeckten bösen Zuge, und oft gar die Unfähigkeit, ihn nur so weit zu dämpfen, daß er nicht wirklicher Wunsch ward; und bei allen diesem, Kraftlosigkeit sich zu ermannen; die Zügel der Einbildungskraft zu ergreifen -- das alles versetzte die Seele in -- nicht Traurigkeit, sondern -- Unmuth und Verdrießlichkeit. -- Jch würde mich unendlich schämen, wenn zu solcher Zeit ein Mensch meine Seele hätte sehen können. Deswegen fühle ich mich auch zu schwach, einen einzelnen von diesen Fällen hier anzugeben, obgleich ich erwarten kann, daß diese Art von Erscheinung wohl von jedem redlichen Beobachter seiner selbst wahrgenommen ist.



nen Haͤufchen Pulver, die man nie bemerkt haben wuͤrde, wenn nicht das ganze Zimmer in Brand gerathen waͤre, die nun aber, so wie an jedem die Flamme koͤmmt, den Glanz des uͤbrigen uͤberstralen. Die fluͤchtigen Regungen, welche sonst zuweilen durch die Seele fliegen, und ehe sie wahrgenommen werden, verschwinden, verwandelten sich bei mir in bleibende ausgemahlte Bilder; die unbemerkte voruͤbereilende gefaͤllige und mißfaͤllige Empfindung an etwas hielt nun an, und schien die Stelle eines festen Begehrens und Verabscheuens einnehmen zu wollen; denn alles, was gereizt ward, war in der gleichguͤltigen Lage der Seele Herr.

Dieß gab zum Theil schreckliche Phaͤnomene; der Gedanke, den ich verfluchte, ward Bild, annehmliches Bild. Das heftige Mißfallen an diesem entdeckten boͤsen Zuge, und oft gar die Unfaͤhigkeit, ihn nur so weit zu daͤmpfen, daß er nicht wirklicher Wunsch ward; und bei allen diesem, Kraftlosigkeit sich zu ermannen; die Zuͤgel der Einbildungskraft zu ergreifen — das alles versetzte die Seele in — nicht Traurigkeit, sondern — Unmuth und Verdrießlichkeit. — Jch wuͤrde mich unendlich schaͤmen, wenn zu solcher Zeit ein Mensch meine Seele haͤtte sehen koͤnnen. Deswegen fuͤhle ich mich auch zu schwach, einen einzelnen von diesen Faͤllen hier anzugeben, obgleich ich erwarten kann, daß diese Art von Erscheinung wohl von jedem redlichen Beobachter seiner selbst wahrgenommen ist.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0074" n="74"/><lb/>
nen Ha&#x0364;ufchen Pulver, die man nie bemerkt haben                   wu&#x0364;rde, wenn nicht das ganze Zimmer in Brand gerathen wa&#x0364;re, die nun aber, so wie an                   jedem die Flamme ko&#x0364;mmt, den Glanz des u&#x0364;brigen u&#x0364;berstralen. Die flu&#x0364;chtigen                   Regungen, welche sonst zuweilen durch die Seele fliegen, und ehe sie wahrgenommen                   werden, verschwinden, verwandelten sich bei mir in bleibende ausgemahlte Bilder;                   die unbemerkte voru&#x0364;bereilende gefa&#x0364;llige und mißfa&#x0364;llige Empfindung an etwas hielt                   nun an, und schien die Stelle eines festen Begehrens und Verabscheuens einnehmen                   zu wollen; denn alles, was gereizt ward, war in der gleichgu&#x0364;ltigen Lage der Seele                   Herr. </p>
              <p>Dieß gab zum Theil schreckliche Pha&#x0364;nomene; der Gedanke, den ich verfluchte, ward                   Bild, annehmliches Bild. Das heftige Mißfallen an diesem entdeckten bo&#x0364;sen Zuge,                   und oft gar die Unfa&#x0364;higkeit, ihn nur so weit zu da&#x0364;mpfen, daß er nicht wirklicher                   Wunsch ward; und bei allen diesem, Kraftlosigkeit sich zu ermannen; die Zu&#x0364;gel der                   Einbildungskraft zu ergreifen &#x2014; das alles versetzte die Seele in &#x2014; nicht                   Traurigkeit, sondern &#x2014; Unmuth und Verdrießlichkeit. &#x2014; Jch wu&#x0364;rde mich unendlich                   scha&#x0364;men, wenn zu solcher Zeit ein Mensch meine Seele ha&#x0364;tte sehen ko&#x0364;nnen. Deswegen                   fu&#x0364;hle ich mich auch zu schwach, einen einzelnen von diesen Fa&#x0364;llen hier anzugeben,                   obgleich ich erwarten kann, daß diese Art von Erscheinung wohl von jedem redlichen                   Beobachter seiner selbst wahrgenommen ist. </p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0074] nen Haͤufchen Pulver, die man nie bemerkt haben wuͤrde, wenn nicht das ganze Zimmer in Brand gerathen waͤre, die nun aber, so wie an jedem die Flamme koͤmmt, den Glanz des uͤbrigen uͤberstralen. Die fluͤchtigen Regungen, welche sonst zuweilen durch die Seele fliegen, und ehe sie wahrgenommen werden, verschwinden, verwandelten sich bei mir in bleibende ausgemahlte Bilder; die unbemerkte voruͤbereilende gefaͤllige und mißfaͤllige Empfindung an etwas hielt nun an, und schien die Stelle eines festen Begehrens und Verabscheuens einnehmen zu wollen; denn alles, was gereizt ward, war in der gleichguͤltigen Lage der Seele Herr. Dieß gab zum Theil schreckliche Phaͤnomene; der Gedanke, den ich verfluchte, ward Bild, annehmliches Bild. Das heftige Mißfallen an diesem entdeckten boͤsen Zuge, und oft gar die Unfaͤhigkeit, ihn nur so weit zu daͤmpfen, daß er nicht wirklicher Wunsch ward; und bei allen diesem, Kraftlosigkeit sich zu ermannen; die Zuͤgel der Einbildungskraft zu ergreifen — das alles versetzte die Seele in — nicht Traurigkeit, sondern — Unmuth und Verdrießlichkeit. — Jch wuͤrde mich unendlich schaͤmen, wenn zu solcher Zeit ein Mensch meine Seele haͤtte sehen koͤnnen. Deswegen fuͤhle ich mich auch zu schwach, einen einzelnen von diesen Faͤllen hier anzugeben, obgleich ich erwarten kann, daß diese Art von Erscheinung wohl von jedem redlichen Beobachter seiner selbst wahrgenommen ist.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/74
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/74>, abgerufen am 25.11.2024.