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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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besser zu werden, und er durfte wieder außer dem Bette sitzen; nur das Reden und eine weniger strenge Diät erlaubte er sich noch nicht, und gehen konnte er nicht viel; in dieser Zeit hat er die folgenden Blätter geschrieben. Er befand sich aller seiner Beschwerden unerachtet jetzt in einer großen Heiterkeit, und erlaubte sich nun auch einige sanfte Gefühle, angenehme Rückerinnerungen oder schmeichelnde Hofnungen.

Nun stellte sich eine unmerkliche Auszehrung ein, mit noch immer anhaltender Schwäche verbunden. Seine Diät und Lebensart blieb noch die nehmliche; seine Seele befand sich in einer stillen, sanften Ruhe, und es schien, als wenn er nicht mehr nöthig hätte, seine Empfindlichkeit zu bekämpfen.

Vielleicht war er durch die lange Gewohnheit in eine gewisse Unempfindlichkeit versetzt, oder es war Folge von den allmählig sinkenden Kräften. Er hatte daher gar nichts von dem eigensinnigen, mürrischen Wesen, welches oft bei langwierigen Krankheiten ist; seine ganze Seele schien abgespannt zu seyn, er hofte und fürchtete nichts. Daher kam es auch wohl, daß er in dieser Zeit nichts mehr zu den folgenden Bemerkungen geschrieben hat. Dieß dauerte bis zu Anfang des Monats August.

Mit diesem Monat erhielt die Krankheit eine andere Wendung; er bekam mehr Heiterkeit und Lebhaftigkeit, erlaubte sich mehr zu reden, hatte viel heftigere Empfindungen, und der Mann, der


besser zu werden, und er durfte wieder außer dem Bette sitzen; nur das Reden und eine weniger strenge Diaͤt erlaubte er sich noch nicht, und gehen konnte er nicht viel; in dieser Zeit hat er die folgenden Blaͤtter geschrieben. Er befand sich aller seiner Beschwerden unerachtet jetzt in einer großen Heiterkeit, und erlaubte sich nun auch einige sanfte Gefuͤhle, angenehme Ruͤckerinnerungen oder schmeichelnde Hofnungen.

Nun stellte sich eine unmerkliche Auszehrung ein, mit noch immer anhaltender Schwaͤche verbunden. Seine Diaͤt und Lebensart blieb noch die nehmliche; seine Seele befand sich in einer stillen, sanften Ruhe, und es schien, als wenn er nicht mehr noͤthig haͤtte, seine Empfindlichkeit zu bekaͤmpfen.

Vielleicht war er durch die lange Gewohnheit in eine gewisse Unempfindlichkeit versetzt, oder es war Folge von den allmaͤhlig sinkenden Kraͤften. Er hatte daher gar nichts von dem eigensinnigen, muͤrrischen Wesen, welches oft bei langwierigen Krankheiten ist; seine ganze Seele schien abgespannt zu seyn, er hofte und fuͤrchtete nichts. Daher kam es auch wohl, daß er in dieser Zeit nichts mehr zu den folgenden Bemerkungen geschrieben hat. Dieß dauerte bis zu Anfang des Monats August.

Mit diesem Monat erhielt die Krankheit eine andere Wendung; er bekam mehr Heiterkeit und Lebhaftigkeit, erlaubte sich mehr zu reden, hatte viel heftigere Empfindungen, und der Mann, der

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[68/0068] besser zu werden, und er durfte wieder außer dem Bette sitzen; nur das Reden und eine weniger strenge Diaͤt erlaubte er sich noch nicht, und gehen konnte er nicht viel; in dieser Zeit hat er die folgenden Blaͤtter geschrieben. Er befand sich aller seiner Beschwerden unerachtet jetzt in einer großen Heiterkeit, und erlaubte sich nun auch einige sanfte Gefuͤhle, angenehme Ruͤckerinnerungen oder schmeichelnde Hofnungen. Nun stellte sich eine unmerkliche Auszehrung ein, mit noch immer anhaltender Schwaͤche verbunden. Seine Diaͤt und Lebensart blieb noch die nehmliche; seine Seele befand sich in einer stillen, sanften Ruhe, und es schien, als wenn er nicht mehr noͤthig haͤtte, seine Empfindlichkeit zu bekaͤmpfen. Vielleicht war er durch die lange Gewohnheit in eine gewisse Unempfindlichkeit versetzt, oder es war Folge von den allmaͤhlig sinkenden Kraͤften. Er hatte daher gar nichts von dem eigensinnigen, muͤrrischen Wesen, welches oft bei langwierigen Krankheiten ist; seine ganze Seele schien abgespannt zu seyn, er hofte und fuͤrchtete nichts. Daher kam es auch wohl, daß er in dieser Zeit nichts mehr zu den folgenden Bemerkungen geschrieben hat. Dieß dauerte bis zu Anfang des Monats August. Mit diesem Monat erhielt die Krankheit eine andere Wendung; er bekam mehr Heiterkeit und Lebhaftigkeit, erlaubte sich mehr zu reden, hatte viel heftigere Empfindungen, und der Mann, der

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/68>, abgerufen am 16.08.2024.