Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Der Morgen brachte mir die so sehnlich erwarteten Nachrichten wegen seines Verhaltens am verlassenen Orte mit, und ich eilte zu meinem Aesculap, sie ihm mitzutheilen. Nach bedächtiger Durchlesung derselben und Anhörung meiner Bemerkungen versicherte mich dieser einsichtsvolle und edelmüthige Arzt, er würde über seinen Zustand nachdenken und ihn besuchen, pflichtete auch in so weit überhaupt seinem Vorgänger in der Kurart bei, das häufige Aderlassen ausgenommen. Mittag und Nachmittag verstrichen wie am gestrigen Tag, gegen Abend gingen wir wieder spatzieren, und hierbei nahm augenscheinlich die innere Hitze bei ihm zu; so laut als wären wir auf dem Gang alleine, fing er an Fragen in Beziehung auf vorjährige Vorfallenheiten aufzuwerfen, die Anzüglichkeit mit sich führten; warf Tadel um sich gegen uns, wurde trotzend und endigte zuletzt völlig im Ton des Heautontimorumenos. Beim Eingang am Haus bestand er mit Widersetzlichkeit darauf, noch einen alten hiesigen Schulfreund zu besuchen, und ob der Abend gleich schon dämmerte, so fand ich doch rathsam, ihm den Besuch auf eine halbe Stunde zuzulassen, damit er nicht
Der Morgen brachte mir die so sehnlich erwarteten Nachrichten wegen seines Verhaltens am verlassenen Orte mit, und ich eilte zu meinem Aesculap, sie ihm mitzutheilen. Nach bedaͤchtiger Durchlesung derselben und Anhoͤrung meiner Bemerkungen versicherte mich dieser einsichtsvolle und edelmuͤthige Arzt, er wuͤrde uͤber seinen Zustand nachdenken und ihn besuchen, pflichtete auch in so weit uͤberhaupt seinem Vorgaͤnger in der Kurart bei, das haͤufige Aderlassen ausgenommen. Mittag und Nachmittag verstrichen wie am gestrigen Tag, gegen Abend gingen wir wieder spatzieren, und hierbei nahm augenscheinlich die innere Hitze bei ihm zu; so laut als waͤren wir auf dem Gang alleine, fing er an Fragen in Beziehung auf vorjaͤhrige Vorfallenheiten aufzuwerfen, die Anzuͤglichkeit mit sich fuͤhrten; warf Tadel um sich gegen uns, wurde trotzend und endigte zuletzt voͤllig im Ton des Heautontimorumenos. Beim Eingang am Haus bestand er mit Widersetzlichkeit darauf, noch einen alten hiesigen Schulfreund zu besuchen, und ob der Abend gleich schon daͤmmerte, so fand ich doch rathsam, ihm den Besuch auf eine halbe Stunde zuzulassen, damit er nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0025" n="25"/><lb/> uͤber, nur bei ersterem hatte der Widersprechungsgeist viel zu schaffen, und Leichtsinnigkeit im Spielen begleitete denselben. Die Nacht wurde so wie die vorhergehende, meist mit Dichten, zugebracht, und eben wieder so wenig Schlaf. </p> <p>Der Morgen brachte mir die so sehnlich erwarteten Nachrichten wegen seines Verhaltens am verlassenen Orte mit, und ich eilte zu meinem Aesculap, sie ihm mitzutheilen. Nach bedaͤchtiger Durchlesung derselben und Anhoͤrung meiner Bemerkungen versicherte mich dieser einsichtsvolle und edelmuͤthige Arzt, er wuͤrde uͤber seinen Zustand nachdenken und ihn besuchen, pflichtete auch in so weit uͤberhaupt seinem Vorgaͤnger in der Kurart bei, das haͤufige Aderlassen ausgenommen. Mittag und Nachmittag verstrichen wie am gestrigen Tag, gegen Abend gingen wir wieder spatzieren, und hierbei nahm augenscheinlich die innere Hitze bei ihm zu; so laut als waͤren wir auf dem Gang alleine, fing er an Fragen in Beziehung auf vorjaͤhrige Vorfallenheiten aufzuwerfen, die Anzuͤglichkeit mit sich fuͤhrten; warf Tadel um sich gegen uns, wurde trotzend und endigte zuletzt voͤllig im Ton des <choice><corr>Heautontimorumenos</corr><sic>Heavtontimorumenos</sic></choice>. </p> <p>Beim Eingang am Haus bestand er mit Widersetzlichkeit darauf, noch einen alten hiesigen Schulfreund zu besuchen, und ob der Abend gleich schon daͤmmerte, so fand ich doch rathsam, ihm den Besuch auf eine halbe Stunde zuzulassen, damit er nicht<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0025]
uͤber, nur bei ersterem hatte der Widersprechungsgeist viel zu schaffen, und Leichtsinnigkeit im Spielen begleitete denselben. Die Nacht wurde so wie die vorhergehende, meist mit Dichten, zugebracht, und eben wieder so wenig Schlaf.
Der Morgen brachte mir die so sehnlich erwarteten Nachrichten wegen seines Verhaltens am verlassenen Orte mit, und ich eilte zu meinem Aesculap, sie ihm mitzutheilen. Nach bedaͤchtiger Durchlesung derselben und Anhoͤrung meiner Bemerkungen versicherte mich dieser einsichtsvolle und edelmuͤthige Arzt, er wuͤrde uͤber seinen Zustand nachdenken und ihn besuchen, pflichtete auch in so weit uͤberhaupt seinem Vorgaͤnger in der Kurart bei, das haͤufige Aderlassen ausgenommen. Mittag und Nachmittag verstrichen wie am gestrigen Tag, gegen Abend gingen wir wieder spatzieren, und hierbei nahm augenscheinlich die innere Hitze bei ihm zu; so laut als waͤren wir auf dem Gang alleine, fing er an Fragen in Beziehung auf vorjaͤhrige Vorfallenheiten aufzuwerfen, die Anzuͤglichkeit mit sich fuͤhrten; warf Tadel um sich gegen uns, wurde trotzend und endigte zuletzt voͤllig im Ton des Heautontimorumenos.
Beim Eingang am Haus bestand er mit Widersetzlichkeit darauf, noch einen alten hiesigen Schulfreund zu besuchen, und ob der Abend gleich schon daͤmmerte, so fand ich doch rathsam, ihm den Besuch auf eine halbe Stunde zuzulassen, damit er nicht
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/25>, abgerufen am 16.07.2024. |