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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

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Vorgesetzter, und will doch noch Beicht sitzen, und predigen will ich, wenn ich auch auf die Kanzel kriechen soll. Wenn die Kinder sollen eingesegnet werden, denn will ich sie examiniren, da sollen gar keine Einfältige und Unwissende hinzugelassen werden, sondern die nichts wissen, die will ich dort hinaustreiben, und die guten frommen Kinder, die will ich einseegnen, so wie ich den reichen, vornehmen Mann eingeseegnet habe, hier vor dem Altare.

Als wir mit der Leiche in der schönsten Pracht waren, und in bester Majestät daher zogen, die ehrlichen Bauern ritten mit schönster Anstalt beiher, und die hochadelichen Herren des Gefolges waren mit ihren besten Kleidern und Zierde angethan: aber wie wir hier in Gingst in die Kirche kamen, so mußte der Pöbel, hier im öffentlichen Gotteshause, solchen Spectakel und Rumor machen.

Was die vornehmen hochadelichen Herren davon wohl gedacht haben? Jch weiß, daß sie sich alle rechtschaffen geärgert haben, denn ich habe mich zum wenigsten damals aufs äusserste geärgert. Aber sie mögen sagen, was sie wollen, der reiche, vornehme Herr, der damals beerdiget ward, daß der seelig geworden ist, dafür stehe ich ein, denn ich habe ihn ja hier vor dem Altare zur seeligen Ewigkeit und zur freudigen Auferstehung von den Todten eingeseegnet; eine solche Ehre kann nur solchen frommen, reichen und vornehmen Leuten zukom-


Vorgesetzter, und will doch noch Beicht sitzen, und predigen will ich, wenn ich auch auf die Kanzel kriechen soll. Wenn die Kinder sollen eingesegnet werden, denn will ich sie examiniren, da sollen gar keine Einfaͤltige und Unwissende hinzugelassen werden, sondern die nichts wissen, die will ich dort hinaustreiben, und die guten frommen Kinder, die will ich einseegnen, so wie ich den reichen, vornehmen Mann eingeseegnet habe, hier vor dem Altare.

Als wir mit der Leiche in der schoͤnsten Pracht waren, und in bester Majestaͤt daher zogen, die ehrlichen Bauern ritten mit schoͤnster Anstalt beiher, und die hochadelichen Herren des Gefolges waren mit ihren besten Kleidern und Zierde angethan: aber wie wir hier in Gingst in die Kirche kamen, so mußte der Poͤbel, hier im oͤffentlichen Gotteshause, solchen Spectakel und Rumor machen.

Was die vornehmen hochadelichen Herren davon wohl gedacht haben? Jch weiß, daß sie sich alle rechtschaffen geaͤrgert haben, denn ich habe mich zum wenigsten damals aufs aͤusserste geaͤrgert. Aber sie moͤgen sagen, was sie wollen, der reiche, vornehme Herr, der damals beerdiget ward, daß der seelig geworden ist, dafuͤr stehe ich ein, denn ich habe ihn ja hier vor dem Altare zur seeligen Ewigkeit und zur freudigen Auferstehung von den Todten eingeseegnet; eine solche Ehre kann nur solchen frommen, reichen und vornehmen Leuten zukom-

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[7/0009] Vorgesetzter, und will doch noch Beicht sitzen, und predigen will ich, wenn ich auch auf die Kanzel kriechen soll. Wenn die Kinder sollen eingesegnet werden, denn will ich sie examiniren, da sollen gar keine Einfaͤltige und Unwissende hinzugelassen werden, sondern die nichts wissen, die will ich dort hinaustreiben, und die guten frommen Kinder, die will ich einseegnen, so wie ich den reichen, vornehmen Mann eingeseegnet habe, hier vor dem Altare. Als wir mit der Leiche in der schoͤnsten Pracht waren, und in bester Majestaͤt daher zogen, die ehrlichen Bauern ritten mit schoͤnster Anstalt beiher, und die hochadelichen Herren des Gefolges waren mit ihren besten Kleidern und Zierde angethan: aber wie wir hier in Gingst in die Kirche kamen, so mußte der Poͤbel, hier im oͤffentlichen Gotteshause, solchen Spectakel und Rumor machen. Was die vornehmen hochadelichen Herren davon wohl gedacht haben? Jch weiß, daß sie sich alle rechtschaffen geaͤrgert haben, denn ich habe mich zum wenigsten damals aufs aͤusserste geaͤrgert. Aber sie moͤgen sagen, was sie wollen, der reiche, vornehme Herr, der damals beerdiget ward, daß der seelig geworden ist, dafuͤr stehe ich ein, denn ich habe ihn ja hier vor dem Altare zur seeligen Ewigkeit und zur freudigen Auferstehung von den Todten eingeseegnet; eine solche Ehre kann nur solchen frommen, reichen und vornehmen Leuten zukom-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/9>, abgerufen am 27.11.2024.