Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


drücken mußten, die ihnen am nächsten lagen; deren besondere Gestalten die Aufmerksamkeit erregen konnten; oder die sie auch mit einem gewissen Wohlgefallen betrachteten. Eltern haben daher immer das süße Vergnügen, worauf sie mit Recht Ansprüche machen können, daß ihre Namen zuerst von den kleinen Lieblingen ihrer Herzen ausgesprochen werden. Ueberhaupt lernen Kinder das gemeiniglich am ersten ausdrücken, was eine genaue Beziehung auf die Bedürfnisse ihres Körpers hat, aber sie verfahren dabei ohne alle Ordnung. --

Es ist in der That zu bewundern, wie wenig sich Kinder bei einem Geschäfte, das ihnen doch anfangs nichts weniger als leicht seyn kann, bei Erlernung so vieler unzusammenhängender Sprachwörter, verwirren, womit ihr Gedächtniß, bei ohnehin noch so vielen verworrenen, halbreifen und ungeordneten Begriffen derselben, überladen wird; -- allein es kommen ihnen, wie mich dünkt, hier gewisse vortheilhafte Umstände zu Hülfe, die jene Verwirrung verhindern, und hierher rechne ich vornehmlich die schon vorhandenen Bezeichnungen der Abstrakten, der Geschlechter und Arten; (wodurch zugleich ihre Sprache einen weit schnellern Fortgang, als die der ersten Menschen erhalten mußte) die natürliche den Menschen vermöge einer Vernunft angeborne Fähigkeit, Aehnlichkeiten zu bemerken, und denn auch vornehmlich den Unterschied, welchen die Natur in die Be-


druͤcken mußten, die ihnen am naͤchsten lagen; deren besondere Gestalten die Aufmerksamkeit erregen konnten; oder die sie auch mit einem gewissen Wohlgefallen betrachteten. Eltern haben daher immer das suͤße Vergnuͤgen, worauf sie mit Recht Anspruͤche machen koͤnnen, daß ihre Namen zuerst von den kleinen Lieblingen ihrer Herzen ausgesprochen werden. Ueberhaupt lernen Kinder das gemeiniglich am ersten ausdruͤcken, was eine genaue Beziehung auf die Beduͤrfnisse ihres Koͤrpers hat, aber sie verfahren dabei ohne alle Ordnung. —

Es ist in der That zu bewundern, wie wenig sich Kinder bei einem Geschaͤfte, das ihnen doch anfangs nichts weniger als leicht seyn kann, bei Erlernung so vieler unzusammenhaͤngender Sprachwoͤrter, verwirren, womit ihr Gedaͤchtniß, bei ohnehin noch so vielen verworrenen, halbreifen und ungeordneten Begriffen derselben, uͤberladen wird; — allein es kommen ihnen, wie mich duͤnkt, hier gewisse vortheilhafte Umstaͤnde zu Huͤlfe, die jene Verwirrung verhindern, und hierher rechne ich vornehmlich die schon vorhandenen Bezeichnungen der Abstrakten, der Geschlechter und Arten; (wodurch zugleich ihre Sprache einen weit schnellern Fortgang, als die der ersten Menschen erhalten mußte) die natuͤrliche den Menschen vermoͤge einer Vernunft angeborne Faͤhigkeit, Aehnlichkeiten zu bemerken, und denn auch vornehmlich den Unterschied, welchen die Natur in die Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0083" n="81"/><lb/>
dru&#x0364;cken mußten, die ihnen am na&#x0364;chsten                   lagen; deren besondere Gestalten die Aufmerksamkeit erregen konnten; oder die sie                   auch mit einem gewissen <hi rendition="#b">Wohlgefallen</hi> betrachteten. Eltern                   haben daher immer das su&#x0364;ße Vergnu&#x0364;gen, worauf sie mit Recht Anspru&#x0364;che machen                   ko&#x0364;nnen, daß ihre Namen zuerst von den kleinen Lieblingen ihrer Herzen                   ausgesprochen werden. Ueberhaupt lernen Kinder das gemeiniglich am ersten                   ausdru&#x0364;cken, was eine <hi rendition="#b">genaue Beziehung</hi> auf die Bedu&#x0364;rfnisse                   ihres Ko&#x0364;rpers hat, aber sie verfahren dabei ohne alle Ordnung. &#x2014; </p>
            <p>Es ist in der That zu bewundern, <hi rendition="#b">wie wenig</hi> sich Kinder                   bei einem Gescha&#x0364;fte, das ihnen doch anfangs nichts weniger als leicht seyn kann,                   bei Erlernung so vieler unzusammenha&#x0364;ngender Sprachwo&#x0364;rter, <hi rendition="#b">verwirren,</hi> womit ihr Geda&#x0364;chtniß, bei ohnehin noch so vielen                   verworrenen, halbreifen und ungeordneten Begriffen derselben, u&#x0364;berladen wird; &#x2014;                   allein es kommen ihnen, wie mich du&#x0364;nkt, hier gewisse vortheilhafte Umsta&#x0364;nde zu                   Hu&#x0364;lfe, die jene Verwirrung verhindern, und hierher rechne ich vornehmlich die                   schon vorhandenen <hi rendition="#b">Bezeichnungen der Abstrakten,</hi> der <hi rendition="#b">Geschlechter</hi> und <hi rendition="#b">Arten;</hi> (wodurch                   zugleich ihre Sprache einen weit schnellern Fortgang, als die der ersten Menschen                   erhalten mußte) die <hi rendition="#b">natu&#x0364;rliche</hi> den Menschen vermo&#x0364;ge einer                   Vernunft <hi rendition="#b">angeborne Fa&#x0364;higkeit, Aehnlichkeiten zu bemerken,</hi> und denn auch vornehmlich <hi rendition="#b">den Unterschied,</hi> welchen die                   Natur in die Be-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0083] druͤcken mußten, die ihnen am naͤchsten lagen; deren besondere Gestalten die Aufmerksamkeit erregen konnten; oder die sie auch mit einem gewissen Wohlgefallen betrachteten. Eltern haben daher immer das suͤße Vergnuͤgen, worauf sie mit Recht Anspruͤche machen koͤnnen, daß ihre Namen zuerst von den kleinen Lieblingen ihrer Herzen ausgesprochen werden. Ueberhaupt lernen Kinder das gemeiniglich am ersten ausdruͤcken, was eine genaue Beziehung auf die Beduͤrfnisse ihres Koͤrpers hat, aber sie verfahren dabei ohne alle Ordnung. — Es ist in der That zu bewundern, wie wenig sich Kinder bei einem Geschaͤfte, das ihnen doch anfangs nichts weniger als leicht seyn kann, bei Erlernung so vieler unzusammenhaͤngender Sprachwoͤrter, verwirren, womit ihr Gedaͤchtniß, bei ohnehin noch so vielen verworrenen, halbreifen und ungeordneten Begriffen derselben, uͤberladen wird; — allein es kommen ihnen, wie mich duͤnkt, hier gewisse vortheilhafte Umstaͤnde zu Huͤlfe, die jene Verwirrung verhindern, und hierher rechne ich vornehmlich die schon vorhandenen Bezeichnungen der Abstrakten, der Geschlechter und Arten; (wodurch zugleich ihre Sprache einen weit schnellern Fortgang, als die der ersten Menschen erhalten mußte) die natuͤrliche den Menschen vermoͤge einer Vernunft angeborne Faͤhigkeit, Aehnlichkeiten zu bemerken, und denn auch vornehmlich den Unterschied, welchen die Natur in die Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/83
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/83>, abgerufen am 30.04.2024.