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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

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die ersten Aeußerungen der menschlichen Natursprache, und ich möchte noch hinzusetzen, der Vernunft. Das Bisarre und Kontrastirende in äußern Formen sowohl als in Tönen fängt frühzeitig auf sie zu würken an, und sie lachen darüber, ehe sie noch reden können; eigentlichaber lachen sie mehr aus einer in sich gefühlten starken Freude, die zunächst das Wohlbehagen ihres Körpers betriff, und bloß thierischer Art ist.*)

Zwischen dem Gehör des Kindes und der menschlichen Stimme herrscht gleich vom Anfange seines Lebens an die feinste Harmonie, oder wenn ich mich so ausdrücken darf, das freundschaftlichste Verständniß. Das Kind erschrickt nie vor

*) Es ist nicht zu leugnen, daß Thiere, wenigstens die, welche näher an den Menschen angränzen, zuweilen ein ähnliches Gefühl der Freude haben, indem sie es deutlich genug durch ihre äußern Handlungen an den Tag legen; aber eigentlich lachen sie doch nie, so wie der Mensch, und der Grund davon liegt wohl darin, daß sie aus Mangel lebhafter und deutlicher Vorstellungen dessen, was wir lächerlich nennen, und einer feinern Einbildungskraft den hohen Grad der Freude nicht fühlen, dessen der Mensch fähig ist. Ueberdem scheint auch ihr gröberes, mit einer haarigten Haut umgebenes Gesicht, nicht einmahl zum sichtbaren Ausdruck des Lachens gebaut zu seyn. Doch bemerkt man an verschiedenen Thieren, z.B. an Hunden, wenn sie sich sehr freuen, eine Verzerrung ihrer Gesichtsmuskeln, die einem sichtbaren Lachen ähnlich sieht; so wie eine gewisse feine Modulation ihrer Stimme, die wohl nichts anders, als ein Ausdruck ihrer Freude seyn kann. Anm. d. Verf.


die ersten Aeußerungen der menschlichen Natursprache, und ich moͤchte noch hinzusetzen, der Vernunft. Das Bisarre und Kontrastirende in aͤußern Formen sowohl als in Toͤnen faͤngt fruͤhzeitig auf sie zu wuͤrken an, und sie lachen daruͤber, ehe sie noch reden koͤnnen; eigentlichaber lachen sie mehr aus einer in sich gefuͤhlten starken Freude, die zunaͤchst das Wohlbehagen ihres Koͤrpers betriff, und bloß thierischer Art ist.*)

Zwischen dem Gehoͤr des Kindes und der menschlichen Stimme herrscht gleich vom Anfange seines Lebens an die feinste Harmonie, oder wenn ich mich so ausdruͤcken darf, das freundschaftlichste Verstaͤndniß. Das Kind erschrickt nie vor

*) Es ist nicht zu leugnen, daß Thiere, wenigstens die, welche naͤher an den Menschen angraͤnzen, zuweilen ein aͤhnliches Gefuͤhl der Freude haben, indem sie es deutlich genug durch ihre aͤußern Handlungen an den Tag legen; aber eigentlich lachen sie doch nie, so wie der Mensch, und der Grund davon liegt wohl darin, daß sie aus Mangel lebhafter und deutlicher Vorstellungen dessen, was wir laͤcherlich nennen, und einer feinern Einbildungskraft den hohen Grad der Freude nicht fuͤhlen, dessen der Mensch faͤhig ist. Ueberdem scheint auch ihr groͤberes, mit einer haarigten Haut umgebenes Gesicht, nicht einmahl zum sichtbaren Ausdruck des Lachens gebaut zu seyn. Doch bemerkt man an verschiedenen Thieren, z.B. an Hunden, wenn sie sich sehr freuen, eine Verzerrung ihrer Gesichtsmuskeln, die einem sichtbaren Lachen aͤhnlich sieht; so wie eine gewisse feine Modulation ihrer Stimme, die wohl nichts anders, als ein Ausdruck ihrer Freude seyn kann. Anm. d. Verf.
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[77/0079] die ersten Aeußerungen der menschlichen Natursprache, und ich moͤchte noch hinzusetzen, der Vernunft. Das Bisarre und Kontrastirende in aͤußern Formen sowohl als in Toͤnen faͤngt fruͤhzeitig auf sie zu wuͤrken an, und sie lachen daruͤber, ehe sie noch reden koͤnnen; eigentlichaber lachen sie mehr aus einer in sich gefuͤhlten starken Freude, die zunaͤchst das Wohlbehagen ihres Koͤrpers betriff, und bloß thierischer Art ist.*) Zwischen dem Gehoͤr des Kindes und der menschlichen Stimme herrscht gleich vom Anfange seines Lebens an die feinste Harmonie, oder wenn ich mich so ausdruͤcken darf, das freundschaftlichste Verstaͤndniß. Das Kind erschrickt nie vor *) Es ist nicht zu leugnen, daß Thiere, wenigstens die, welche naͤher an den Menschen angraͤnzen, zuweilen ein aͤhnliches Gefuͤhl der Freude haben, indem sie es deutlich genug durch ihre aͤußern Handlungen an den Tag legen; aber eigentlich lachen sie doch nie, so wie der Mensch, und der Grund davon liegt wohl darin, daß sie aus Mangel lebhafter und deutlicher Vorstellungen dessen, was wir laͤcherlich nennen, und einer feinern Einbildungskraft den hohen Grad der Freude nicht fuͤhlen, dessen der Mensch faͤhig ist. Ueberdem scheint auch ihr groͤberes, mit einer haarigten Haut umgebenes Gesicht, nicht einmahl zum sichtbaren Ausdruck des Lachens gebaut zu seyn. Doch bemerkt man an verschiedenen Thieren, z.B. an Hunden, wenn sie sich sehr freuen, eine Verzerrung ihrer Gesichtsmuskeln, die einem sichtbaren Lachen aͤhnlich sieht; so wie eine gewisse feine Modulation ihrer Stimme, die wohl nichts anders, als ein Ausdruck ihrer Freude seyn kann. Anm. d. Verf.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/79>, abgerufen am 30.04.2024.