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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

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wollte Gott! wir träumten, so hätten wir unsern Freund noch.

Jch befahl der Magd voranzugehen und dem Knecht zu sagen, daß er anspannen sollte, um uns sogleich nach R.. zu fahren. Wir fanden den Boten noch da, der uns die Nachricht von unserm verunglückten Freund mit den Worten brachte, als ich sie schon im Traum erhalten, und meiner Frau erzählt hatte, nur mit dem Beisatz, daß er die Zeit bestimmte, wenn dieser unglückliche Fall geschehen sei, nemlich heute Nachmittag gegen fünf Uhr.

Die Pferde standen vor dem Wagen, wir setzten uns, wie wir gingen, ein, und fuhren dahin. Meine präsagische Seele hatte mich schon mehrmals was voraussehen lassen, was genau eingetroffen, aber noch nie eine Sache, so deutlich und umständlich, als diese, in welcher so zu reden die Probe so vollkommen war, als die Tragödie selbst.

Wir kamen dahin. Mir schauderte die Haut vor jedem neuen Auftritt, den ich immer schon vorher wußte, und meiner Frau aus meinem erzählten Traum auch schon bekannt waren, da nicht einmal eine Veränderung des Anzugs von mehr als hundert Personen anzutreffen war, sondern jeder so erschien, als er mir schon eilf Stunden vorher erscheinen mußte. Meine Frau, die mich den ganzen Tag mit einer ängstlichen Unruh bei meinen vermeintlich un-


wollte Gott! wir traͤumten, so haͤtten wir unsern Freund noch.

Jch befahl der Magd voranzugehen und dem Knecht zu sagen, daß er anspannen sollte, um uns sogleich nach R.. zu fahren. Wir fanden den Boten noch da, der uns die Nachricht von unserm verungluͤckten Freund mit den Worten brachte, als ich sie schon im Traum erhalten, und meiner Frau erzaͤhlt hatte, nur mit dem Beisatz, daß er die Zeit bestimmte, wenn dieser ungluͤckliche Fall geschehen sei, nemlich heute Nachmittag gegen fuͤnf Uhr.

Die Pferde standen vor dem Wagen, wir setzten uns, wie wir gingen, ein, und fuhren dahin. Meine praͤsagische Seele hatte mich schon mehrmals was voraussehen lassen, was genau eingetroffen, aber noch nie eine Sache, so deutlich und umstaͤndlich, als diese, in welcher so zu reden die Probe so vollkommen war, als die Tragoͤdie selbst.

Wir kamen dahin. Mir schauderte die Haut vor jedem neuen Auftritt, den ich immer schon vorher wußte, und meiner Frau aus meinem erzaͤhlten Traum auch schon bekannt waren, da nicht einmal eine Veraͤnderung des Anzugs von mehr als hundert Personen anzutreffen war, sondern jeder so erschien, als er mir schon eilf Stunden vorher erscheinen mußte. Meine Frau, die mich den ganzen Tag mit einer aͤngstlichen Unruh bei meinen vermeintlich un-

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[55/0057] wollte Gott! wir traͤumten, so haͤtten wir unsern Freund noch. Jch befahl der Magd voranzugehen und dem Knecht zu sagen, daß er anspannen sollte, um uns sogleich nach R.. zu fahren. Wir fanden den Boten noch da, der uns die Nachricht von unserm verungluͤckten Freund mit den Worten brachte, als ich sie schon im Traum erhalten, und meiner Frau erzaͤhlt hatte, nur mit dem Beisatz, daß er die Zeit bestimmte, wenn dieser ungluͤckliche Fall geschehen sei, nemlich heute Nachmittag gegen fuͤnf Uhr. Die Pferde standen vor dem Wagen, wir setzten uns, wie wir gingen, ein, und fuhren dahin. Meine praͤsagische Seele hatte mich schon mehrmals was voraussehen lassen, was genau eingetroffen, aber noch nie eine Sache, so deutlich und umstaͤndlich, als diese, in welcher so zu reden die Probe so vollkommen war, als die Tragoͤdie selbst. Wir kamen dahin. Mir schauderte die Haut vor jedem neuen Auftritt, den ich immer schon vorher wußte, und meiner Frau aus meinem erzaͤhlten Traum auch schon bekannt waren, da nicht einmal eine Veraͤnderung des Anzugs von mehr als hundert Personen anzutreffen war, sondern jeder so erschien, als er mir schon eilf Stunden vorher erscheinen mußte. Meine Frau, die mich den ganzen Tag mit einer aͤngstlichen Unruh bei meinen vermeintlich un-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/57>, abgerufen am 30.04.2024.