Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


der, wenn uns dieß noch fester zusammenband? Nur der, der selbst so unglücklich, so von allen fremden Antheilnehmen an seinem Leiden entfernt gewesen ist, als ich, und wenn er dann irgend ein menschliches Wesen findet, das ihm ohnedem nicht gleichgültig ist -- das dann einen Theil seiner Last tragen hilft; an dessen Busen er sein Elend vergessen kann, nur der wirds mir glauben, wie mit beiden Händen er nach der Gelegenheit hascht, sie fest hält, und -- sie so gut benutzt, als er kann. ---

Ueberdem fand ich auch an ihr eine gewisse Aehnlichkeit mit mir, in Ansehung des Herzens. Sie fand ihr größtes Vergnügen darinnen: dienstfertig gegen jeden und äusserst mitleidig gegen Arme zu seyn. Freilich war dieß nicht Tugend, es war Temperament. Bei ihren guten Handlungen war sie etwas eitel, und verrichtete sie mit einigem Geräusch. Allein das war Fehler der Erziehung: denn man hatte sie in ihren jüngern Jahren oft gelobt, wenn sie irgend einem Armen etwas gab; das war ihr nun so zur Gewohnheit geworden ----------

(Hier ist durch Zufall ein Blatt Mspt. verloren

gegangen.)

Jch habe mich nicht überwinden können, meiner Freundin diese meine letzte fehlgeschlagne Hofnung zu hinterbringen. Und doch wär es in der Folge vielleicht besser gewesen. Nun traue ich keiner Aussicht mehr, denn ich bin zu oft getäuscht.



der, wenn uns dieß noch fester zusammenband? Nur der, der selbst so ungluͤcklich, so von allen fremden Antheilnehmen an seinem Leiden entfernt gewesen ist, als ich, und wenn er dann irgend ein menschliches Wesen findet, das ihm ohnedem nicht gleichguͤltig ist — das dann einen Theil seiner Last tragen hilft; an dessen Busen er sein Elend vergessen kann, nur der wirds mir glauben, wie mit beiden Haͤnden er nach der Gelegenheit hascht, sie fest haͤlt, und — sie so gut benutzt, als er kann. -—

Ueberdem fand ich auch an ihr eine gewisse Aehnlichkeit mit mir, in Ansehung des Herzens. Sie fand ihr groͤßtes Vergnuͤgen darinnen: dienstfertig gegen jeden und aͤusserst mitleidig gegen Arme zu seyn. Freilich war dieß nicht Tugend, es war Temperament. Bei ihren guten Handlungen war sie etwas eitel, und verrichtete sie mit einigem Geraͤusch. Allein das war Fehler der Erziehung: denn man hatte sie in ihren juͤngern Jahren oft gelobt, wenn sie irgend einem Armen etwas gab; das war ihr nun so zur Gewohnheit geworden ----------

(Hier ist durch Zufall ein Blatt Mspt. verloren

gegangen.)

Jch habe mich nicht uͤberwinden koͤnnen, meiner Freundin diese meine letzte fehlgeschlagne Hofnung zu hinterbringen. Und doch waͤr es in der Folge vielleicht besser gewesen. Nun traue ich keiner Aussicht mehr, denn ich bin zu oft getaͤuscht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0042" n="40"/><lb/>
der, wenn uns dieß noch fester zusammenband? Nur                   der, der selbst so unglu&#x0364;cklich, so von allen fremden Antheilnehmen an seinem                   Leiden entfernt gewesen ist, als ich, und wenn er dann irgend ein menschliches                   Wesen findet, das ihm ohnedem nicht gleichgu&#x0364;ltig ist &#x2014; das dann einen Theil seiner                   Last tragen hilft; an dessen Busen er sein Elend vergessen kann, nur der wirds mir                   glauben, wie mit beiden Ha&#x0364;nden er nach der Gelegenheit hascht, sie fest ha&#x0364;lt, und                   &#x2014; sie so gut benutzt, als er kann. -&#x2014;</p>
            <p>Ueberdem fand ich auch an ihr eine gewisse Aehnlichkeit mit mir, in Ansehung des                   Herzens. Sie fand ihr gro&#x0364;ßtes Vergnu&#x0364;gen darinnen: dienstfertig gegen jeden und                   a&#x0364;usserst mitleidig gegen Arme zu seyn. Freilich war dieß nicht Tugend, es war                   Temperament. Bei ihren guten Handlungen war sie etwas eitel, und verrichtete sie                   mit einigem Gera&#x0364;usch. Allein das war Fehler der Erziehung: denn man hatte sie in                   ihren ju&#x0364;ngern Jahren oft gelobt, wenn sie irgend einem Armen etwas gab; das war                   ihr nun so zur Gewohnheit geworden ----------</p>
            <p>(Hier ist durch Zufall ein Blatt Mspt. verloren </p>
            <p rend="indention3">gegangen.) </p>
            <p>Jch habe mich nicht u&#x0364;berwinden ko&#x0364;nnen, meiner Freundin diese meine letzte                   fehlgeschlagne Hofnung zu hinterbringen. Und doch wa&#x0364;r es in der Folge vielleicht                   besser gewesen. Nun traue ich keiner Aussicht mehr, denn ich bin zu oft                   geta&#x0364;uscht.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0042] der, wenn uns dieß noch fester zusammenband? Nur der, der selbst so ungluͤcklich, so von allen fremden Antheilnehmen an seinem Leiden entfernt gewesen ist, als ich, und wenn er dann irgend ein menschliches Wesen findet, das ihm ohnedem nicht gleichguͤltig ist — das dann einen Theil seiner Last tragen hilft; an dessen Busen er sein Elend vergessen kann, nur der wirds mir glauben, wie mit beiden Haͤnden er nach der Gelegenheit hascht, sie fest haͤlt, und — sie so gut benutzt, als er kann. -— Ueberdem fand ich auch an ihr eine gewisse Aehnlichkeit mit mir, in Ansehung des Herzens. Sie fand ihr groͤßtes Vergnuͤgen darinnen: dienstfertig gegen jeden und aͤusserst mitleidig gegen Arme zu seyn. Freilich war dieß nicht Tugend, es war Temperament. Bei ihren guten Handlungen war sie etwas eitel, und verrichtete sie mit einigem Geraͤusch. Allein das war Fehler der Erziehung: denn man hatte sie in ihren juͤngern Jahren oft gelobt, wenn sie irgend einem Armen etwas gab; das war ihr nun so zur Gewohnheit geworden ---------- (Hier ist durch Zufall ein Blatt Mspt. verloren gegangen.) Jch habe mich nicht uͤberwinden koͤnnen, meiner Freundin diese meine letzte fehlgeschlagne Hofnung zu hinterbringen. Und doch waͤr es in der Folge vielleicht besser gewesen. Nun traue ich keiner Aussicht mehr, denn ich bin zu oft getaͤuscht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/42
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/42>, abgerufen am 22.11.2024.