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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

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herabgestimmt würde? Und mich dünkt, zum Dulden wird ein gewisser Grad von Ruhe im Blute erfordert; folglich ist es schon physisch unmöglich, daß das angegebne Temperament bei den schrecklichsten Ereignissen des Lebens, gelassen seyn sollte. Hieraus folgt aber auch, daß wenn Gott keine Wunder mehr thut, -- erst Jahre verstreichen müssen, die alles Schreckliche menschlicher Schicksaale in sich begreifen, wodurch der Ausbruch der Ungeduld, oder die Kühlung des Bluts bewirkt wird, und die so lang erbetene Geduld dann eine Folge davon ist. Ein Grund, warum, sobald wir keine Wunder annehmen, die das im Augenblick bewirken, was erst die Frucht vieler Jahre ist, der Höchste nicht so unbefangene Gebete erhören kann. --

Jch sage nicht, daß mir diese Gedanken alle zum höchsten evident sind. Es sind Zweifel; nichts mehr als Zweifel: keine ausgemachte Wahrheiten, und ich bitte auch, die folgenden so zu betrachten, denn ich bin bereit, sie abzulegen, sobald mich ein Freund der Wahrheit eines bessern belehrt.

Unterwerfung unter den Willen des Ewigen ist bei vielen oft ein Werk des Zwangs; nur bei einigen (und auch bei denen habe ich selten heftige Leidenschaften angetroffen) ein Werk der Ueberzeugung, wozu sie besonders ihr kälteres Blut fähiger machte, als jene. --



herabgestimmt wuͤrde? Und mich duͤnkt, zum Dulden wird ein gewisser Grad von Ruhe im Blute erfordert; folglich ist es schon physisch unmoͤglich, daß das angegebne Temperament bei den schrecklichsten Ereignissen des Lebens, gelassen seyn sollte. Hieraus folgt aber auch, daß wenn Gott keine Wunder mehr thut, — erst Jahre verstreichen muͤssen, die alles Schreckliche menschlicher Schicksaale in sich begreifen, wodurch der Ausbruch der Ungeduld, oder die Kuͤhlung des Bluts bewirkt wird, und die so lang erbetene Geduld dann eine Folge davon ist. Ein Grund, warum, sobald wir keine Wunder annehmen, die das im Augenblick bewirken, was erst die Frucht vieler Jahre ist, der Hoͤchste nicht so unbefangene Gebete erhoͤren kann. —

Jch sage nicht, daß mir diese Gedanken alle zum hoͤchsten evident sind. Es sind Zweifel; nichts mehr als Zweifel: keine ausgemachte Wahrheiten, und ich bitte auch, die folgenden so zu betrachten, denn ich bin bereit, sie abzulegen, sobald mich ein Freund der Wahrheit eines bessern belehrt.

Unterwerfung unter den Willen des Ewigen ist bei vielen oft ein Werk des Zwangs; nur bei einigen (und auch bei denen habe ich selten heftige Leidenschaften angetroffen) ein Werk der Ueberzeugung, wozu sie besonders ihr kaͤlteres Blut faͤhiger machte, als jene. —


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[34/0036] herabgestimmt wuͤrde? Und mich duͤnkt, zum Dulden wird ein gewisser Grad von Ruhe im Blute erfordert; folglich ist es schon physisch unmoͤglich, daß das angegebne Temperament bei den schrecklichsten Ereignissen des Lebens, gelassen seyn sollte. Hieraus folgt aber auch, daß wenn Gott keine Wunder mehr thut, — erst Jahre verstreichen muͤssen, die alles Schreckliche menschlicher Schicksaale in sich begreifen, wodurch der Ausbruch der Ungeduld, oder die Kuͤhlung des Bluts bewirkt wird, und die so lang erbetene Geduld dann eine Folge davon ist. Ein Grund, warum, sobald wir keine Wunder annehmen, die das im Augenblick bewirken, was erst die Frucht vieler Jahre ist, der Hoͤchste nicht so unbefangene Gebete erhoͤren kann. — Jch sage nicht, daß mir diese Gedanken alle zum hoͤchsten evident sind. Es sind Zweifel; nichts mehr als Zweifel: keine ausgemachte Wahrheiten, und ich bitte auch, die folgenden so zu betrachten, denn ich bin bereit, sie abzulegen, sobald mich ein Freund der Wahrheit eines bessern belehrt. Unterwerfung unter den Willen des Ewigen ist bei vielen oft ein Werk des Zwangs; nur bei einigen (und auch bei denen habe ich selten heftige Leidenschaften angetroffen) ein Werk der Ueberzeugung, wozu sie besonders ihr kaͤlteres Blut faͤhiger machte, als jene. —

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/36>, abgerufen am 21.11.2024.