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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

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ner Organen;
-- in der Beschaffenheit seiner individuellen Vorstellungen den meisten Grund hat? -- Dies ist nun die Frage.

Es ist am allerwahrscheinlichsten, daß hörbare körperliche Gegenstände, die den Menschen theils wegen des nothwendigen Gebrauchs, den sie bald damit anfingen; theils wegen ihres frappanten Anblicks; theils wegen des Fürchterlichen, das sie bei sich hatten, zugleich sehr interessant waren, die ersten Wörter zur Sprache hergegeben haben, und zwar deswegen, weil der Mensch nicht nur einen natürlichen Hang hat, gehörte Töne nachzuahmen, sondern auch würklich, obgleich nicht immer auf eine genaue Art, durch Hülfe seiner Stimme nachahmen kann. Dieses Nachahmen war die erste menschliche Sprache.

Die Thiere mußten gleich vom Anfang an die interessantesten Geschöpfe für den Menschen seyn; er lebte in ihrer Gesellschaft und lebte zugleich von ihnen, sie waren ihm anfänglich theurer und wichtiger als der Mensch selbst, es war nöthig sie genau von einander unterscheiden zu können -- er gab ihnen die ersten Namen, und dieses waren keine andern, als Töne ihrer eignen Stimme, die er nachmachen konnte, und wodurch er zugleich auf eine sinnliche Art Jndividuen aufs genaueste zu unterscheiden im Stande war. (Adam gab zuerst den Thieren ihre Namen. Sollte der Ge-


ner Organen;
― in der Beschaffenheit seiner individuellen Vorstellungen den meisten Grund hat? ― Dies ist nun die Frage.

Es ist am allerwahrscheinlichsten, daß hoͤrbare koͤrperliche Gegenstaͤnde, die den Menschen theils wegen des nothwendigen Gebrauchs, den sie bald damit anfingen; theils wegen ihres frappanten Anblicks; theils wegen des Fuͤrchterlichen, das sie bei sich hatten, zugleich sehr interessant waren, die ersten Woͤrter zur Sprache hergegeben haben, und zwar deswegen, weil der Mensch nicht nur einen natuͤrlichen Hang hat, gehoͤrte Toͤne nachzuahmen, sondern auch wuͤrklich, obgleich nicht immer auf eine genaue Art, durch Huͤlfe seiner Stimme nachahmen kann. Dieses Nachahmen war die erste menschliche Sprache.

Die Thiere mußten gleich vom Anfang an die interessantesten Geschoͤpfe fuͤr den Menschen seyn; er lebte in ihrer Gesellschaft und lebte zugleich von ihnen, sie waren ihm anfaͤnglich theurer und wichtiger als der Mensch selbst, es war noͤthig sie genau von einander unterscheiden zu koͤnnen ― er gab ihnen die ersten Namen, und dieses waren keine andern, als Toͤne ihrer eignen Stimme, die er nachmachen konnte, und wodurch er zugleich auf eine sinnliche Art Jndividuen aufs genaueste zu unterscheiden im Stande war. (Adam gab zuerst den Thieren ihre Namen. Sollte der Ge-

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[97/0097] ner Organen; ― in der Beschaffenheit seiner individuellen Vorstellungen den meisten Grund hat? ― Dies ist nun die Frage. Es ist am allerwahrscheinlichsten, daß hoͤrbare koͤrperliche Gegenstaͤnde, die den Menschen theils wegen des nothwendigen Gebrauchs, den sie bald damit anfingen; theils wegen ihres frappanten Anblicks; theils wegen des Fuͤrchterlichen, das sie bei sich hatten, zugleich sehr interessant waren, die ersten Woͤrter zur Sprache hergegeben haben, und zwar deswegen, weil der Mensch nicht nur einen natuͤrlichen Hang hat, gehoͤrte Toͤne nachzuahmen, sondern auch wuͤrklich, obgleich nicht immer auf eine genaue Art, durch Huͤlfe seiner Stimme nachahmen kann. Dieses Nachahmen war die erste menschliche Sprache. Die Thiere mußten gleich vom Anfang an die interessantesten Geschoͤpfe fuͤr den Menschen seyn; er lebte in ihrer Gesellschaft und lebte zugleich von ihnen, sie waren ihm anfaͤnglich theurer und wichtiger als der Mensch selbst, es war noͤthig sie genau von einander unterscheiden zu koͤnnen ― er gab ihnen die ersten Namen, und dieses waren keine andern, als Toͤne ihrer eignen Stimme, die er nachmachen konnte, und wodurch er zugleich auf eine sinnliche Art Jndividuen aufs genaueste zu unterscheiden im Stande war. (Adam gab zuerst den Thieren ihre Namen. Sollte der Ge-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/97>, abgerufen am 06.05.2024.