Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.
III. Ueber den Anfang der Wortsprache in psychologischer Rücksicht. ![]() Jn welcher Sprache sollte der erste Mensch, der noch keine Sprache kannte -- und da eine angebohrne Sprache so gut ein Unding ist, als angebohrne Jdeen -- die Gottheit verstanden haben. Dieß ist die große Schwierigkeit, welche sich der Meinung von einem übernatürlichen Ursprunge der Wortsprache entgegenstellt. Wir wollen einmal voraussetzen, daß die Gottheit aus wichtigen Absichten dem ersten Menschen die Erfindung der Sprache selbst überließ. Die Wortsprache des ersten Menschen, oder wenn man lieber will, der ersten Menschen, ist gewiß auf eine ganz andere und zugleich langsamere Art entstanden, als die Sprache unserer Kinder.
III. Ueber den Anfang der Wortsprache in psychologischer Ruͤcksicht. ![]() Jn welcher Sprache sollte der erste Mensch, der noch keine Sprache kannte ― und da eine angebohrne Sprache so gut ein Unding ist, als angebohrne Jdeen ― die Gottheit verstanden haben. Dieß ist die große Schwierigkeit, welche sich der Meinung von einem uͤbernatuͤrlichen Ursprunge der Wortsprache entgegenstellt. Wir wollen einmal voraussetzen, daß die Gottheit aus wichtigen Absichten dem ersten Menschen die Erfindung der Sprache selbst uͤberließ. Die Wortsprache des ersten Menschen, oder wenn man lieber will, der ersten Menschen, ist gewiß auf eine ganz andere und zugleich langsamere Art entstanden, als die Sprache unserer Kinder. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0093" n="93"/><lb/> sie die Worte aus dem Katechismus <hi rendition="#b">auswendig gelernt</hi> hatten. Denn haͤtten sie den <hi rendition="#b">Sinn</hi> wirklich erkannt, so wuͤrden sie diese <hi rendition="#b">verwickelten Begriffe</hi> nicht so <hi rendition="#b">sprachrichtig</hi> und vollends nicht so ganz <hi rendition="#b">in der Buͤchersprache</hi> haben ausdruͤcken koͤnnen, da sie einen <hi rendition="#b">sehr simpeln sinnlichen Begrif</hi> nur so <hi rendition="#b">grammatisch unvollkommen</hi> auszudruͤcken wußten. </p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">III</hi>. Ueber den Anfang der Wortsprache in psychologischer Ruͤcksicht.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref2"><note type="editorial"/>Pockels, C. F.</persName> </bibl> </note> <p><hi rendition="#b">Jn welcher Sprache</hi> sollte der erste Mensch, der noch keine Sprache kannte ― und da eine angebohrne Sprache so gut ein Unding ist, als angebohrne Jdeen ― die Gottheit verstanden haben. Dieß ist die große Schwierigkeit, welche sich der Meinung von einem uͤbernatuͤrlichen Ursprunge der Wortsprache entgegenstellt. Wir wollen einmal voraussetzen, daß die Gottheit aus wichtigen Absichten dem ersten Menschen die Erfindung der Sprache selbst uͤberließ. </p> <p>Die Wortsprache des ersten Menschen, oder wenn man lieber will, der ersten Menschen, ist gewiß auf <hi rendition="#b">eine ganz andere</hi> und zugleich <hi rendition="#b">langsamere Art</hi> entstanden, als die Sprache unserer Kinder.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0093]
sie die Worte aus dem Katechismus auswendig gelernt hatten. Denn haͤtten sie den Sinn wirklich erkannt, so wuͤrden sie diese verwickelten Begriffe nicht so sprachrichtig und vollends nicht so ganz in der Buͤchersprache haben ausdruͤcken koͤnnen, da sie einen sehr simpeln sinnlichen Begrif nur so grammatisch unvollkommen auszudruͤcken wußten.
III. Ueber den Anfang der Wortsprache in psychologischer Ruͤcksicht.
Jn welcher Sprache sollte der erste Mensch, der noch keine Sprache kannte ― und da eine angebohrne Sprache so gut ein Unding ist, als angebohrne Jdeen ― die Gottheit verstanden haben. Dieß ist die große Schwierigkeit, welche sich der Meinung von einem uͤbernatuͤrlichen Ursprunge der Wortsprache entgegenstellt. Wir wollen einmal voraussetzen, daß die Gottheit aus wichtigen Absichten dem ersten Menschen die Erfindung der Sprache selbst uͤberließ.
Die Wortsprache des ersten Menschen, oder wenn man lieber will, der ersten Menschen, ist gewiß auf eine ganz andere und zugleich langsamere Art entstanden, als die Sprache unserer Kinder.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/93>, abgerufen am 16.02.2025. |