Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite


er noch vor einigen Jahren bewiesen, da er noch zwanzig Rthlr., die seine Mutter nicht bezahlt hatte, nebst der Jnteresse ersetzte. -- Er ging nach Hause, und da er gut französisch sprach und ziemliche Fertigkeit auf dem Clavier hatte, so kriegte er bald Condition, und jetzt ist er mit einem gewissen Großen auf Reisen.

Er hat viel zur Bildung meines Verstandes beigetragen, doch habe ich ihm auch einige Zweifel in Absicht der Religion zu danken. -- Er hatte in allen nur fünfviertel Jahr Collegia besucht; die mehresten hab' ich ihm abgeschrieben und nachgeschickt. Jetzt ist er schon examinirt, und auf ihn wartet eine der besten Pfarren, sobald seine Reisen geendiget sind.

Durch ihn bekam mein Geschmack in der Wahl der Bücher eine andre Wendung. Vorher hatte ich nur Romane gelesen, und Reflexion und Moral immer überschlagen, weil mich nur das Historische vergnügte. Allein auf einmal bekam ich Geschmack daran. Die Elogen, die S** oft meinem natürlich guten Verstande machte, mochten wohl Eindruck auf mich gemacht und meinen Ehrgeitz angefacht haben. Da ich vorher nur flüchtig über alles, was Nachdenken verursachte, hinweggeschlüpft war, so bedurfte es just einer solchen Erschütterung, um mich darauf aufmerksam zu machen. Und meiner richtig gestimmten Seele konnte das wahre Schöne nicht lange fremd bleiben. Vor-


er noch vor einigen Jahren bewiesen, da er noch zwanzig Rthlr., die seine Mutter nicht bezahlt hatte, nebst der Jnteresse ersetzte. ― Er ging nach Hause, und da er gut franzoͤsisch sprach und ziemliche Fertigkeit auf dem Clavier hatte, so kriegte er bald Condition, und jetzt ist er mit einem gewissen Großen auf Reisen.

Er hat viel zur Bildung meines Verstandes beigetragen, doch habe ich ihm auch einige Zweifel in Absicht der Religion zu danken. ― Er hatte in allen nur fuͤnfviertel Jahr Collegia besucht; die mehresten hab' ich ihm abgeschrieben und nachgeschickt. Jetzt ist er schon examinirt, und auf ihn wartet eine der besten Pfarren, sobald seine Reisen geendiget sind.

Durch ihn bekam mein Geschmack in der Wahl der Buͤcher eine andre Wendung. Vorher hatte ich nur Romane gelesen, und Reflexion und Moral immer uͤberschlagen, weil mich nur das Historische vergnuͤgte. Allein auf einmal bekam ich Geschmack daran. Die Elogen, die S** oft meinem natuͤrlich guten Verstande machte, mochten wohl Eindruck auf mich gemacht und meinen Ehrgeitz angefacht haben. Da ich vorher nur fluͤchtig uͤber alles, was Nachdenken verursachte, hinweggeschluͤpft war, so bedurfte es just einer solchen Erschuͤtterung, um mich darauf aufmerksam zu machen. Und meiner richtig gestimmten Seele konnte das wahre Schoͤne nicht lange fremd bleiben. Vor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0057" n="57"/><lb/>
er                         noch vor einigen Jahren bewiesen, da er noch zwanzig Rthlr., die seine                         Mutter nicht bezahlt hatte, nebst der Jnteresse ersetzte. &#x2015; Er ging nach                         Hause, und da er gut franzo&#x0364;sisch sprach und ziemliche Fertigkeit auf dem                         Clavier hatte, so kriegte er bald Condition, und jetzt ist er mit einem                         gewissen Großen auf Reisen. </p>
            <p>Er hat viel zur Bildung meines Verstandes beigetragen, doch habe ich ihm auch                         einige Zweifel in Absicht der Religion zu danken. &#x2015; Er hatte in allen nur                         fu&#x0364;nfviertel Jahr Collegia besucht; die mehresten hab' ich ihm abgeschrieben                         und nachgeschickt. Jetzt ist er schon examinirt, und auf ihn wartet eine der                         besten Pfarren, sobald seine Reisen geendiget sind. </p>
            <p>Durch ihn bekam mein Geschmack in der Wahl der Bu&#x0364;cher eine andre Wendung.                         Vorher hatte ich nur Romane gelesen, und Reflexion und Moral immer                         u&#x0364;berschlagen, weil mich nur das Historische vergnu&#x0364;gte. Allein auf einmal                         bekam ich Geschmack daran. Die Elogen, die S** oft meinem natu&#x0364;rlich guten                         Verstande machte, mochten wohl Eindruck auf mich gemacht und meinen Ehrgeitz                         angefacht haben. Da ich vorher nur flu&#x0364;chtig u&#x0364;ber alles, was Nachdenken                         verursachte, hinweggeschlu&#x0364;pft war, so bedurfte es just einer solchen                         Erschu&#x0364;tterung, um mich darauf aufmerksam zu machen. Und meiner richtig                         gestimmten Seele konnte das wahre Scho&#x0364;ne nicht lange fremd bleiben. Vor-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0057] er noch vor einigen Jahren bewiesen, da er noch zwanzig Rthlr., die seine Mutter nicht bezahlt hatte, nebst der Jnteresse ersetzte. ― Er ging nach Hause, und da er gut franzoͤsisch sprach und ziemliche Fertigkeit auf dem Clavier hatte, so kriegte er bald Condition, und jetzt ist er mit einem gewissen Großen auf Reisen. Er hat viel zur Bildung meines Verstandes beigetragen, doch habe ich ihm auch einige Zweifel in Absicht der Religion zu danken. ― Er hatte in allen nur fuͤnfviertel Jahr Collegia besucht; die mehresten hab' ich ihm abgeschrieben und nachgeschickt. Jetzt ist er schon examinirt, und auf ihn wartet eine der besten Pfarren, sobald seine Reisen geendiget sind. Durch ihn bekam mein Geschmack in der Wahl der Buͤcher eine andre Wendung. Vorher hatte ich nur Romane gelesen, und Reflexion und Moral immer uͤberschlagen, weil mich nur das Historische vergnuͤgte. Allein auf einmal bekam ich Geschmack daran. Die Elogen, die S** oft meinem natuͤrlich guten Verstande machte, mochten wohl Eindruck auf mich gemacht und meinen Ehrgeitz angefacht haben. Da ich vorher nur fluͤchtig uͤber alles, was Nachdenken verursachte, hinweggeschluͤpft war, so bedurfte es just einer solchen Erschuͤtterung, um mich darauf aufmerksam zu machen. Und meiner richtig gestimmten Seele konnte das wahre Schoͤne nicht lange fremd bleiben. Vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/57
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/57>, abgerufen am 06.05.2024.