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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

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leichtsinnig, verschwendrisch und stolz. Wir wurden bald gute Freunde. Er war einiger Streiche wegen von der H. Schule weggejagt worden, und kam ohne Wissen seines Vaters auf die Universität. Ein ganzes Jahr hatte er schon das äußerste Elend erlitten, bis sich sein Vater über ihn erbarmte und ihm einiges Geld schickte. Allein, das war zu wenig für einen bis zur Verschwendung freigebigen Menschen. Da er aber überall sich beliebt zu machen wußte, so borgte ihm jedermann, und er nahm es, ohne zu wissen, wovon er bezahlen sollte.

Da meine Hand jetzt etwas leidlich wurde, so verschafte mir S** einige Collegia abzuschreiben. Er theilte immer sein weniges, was er hatte, so oft er sahe, daß ich Mangel litt, gern und willig mit mir. So vergingen einige Jahre unter mancherlei Abwechselungen, unter Kummer und Sorgen, und unter allem, was die Armuth Schreckliches in ihrem Gefolge hat.

Nach Verlauf von dritthalb Jahren hatte S** 100 Rthlr. Schulden, und -- keine Hofnung, sie je bezahlen zu können. Er wollte eben H** verlassen, als er plötzlich Nachricht von seinem Vater erhielt, daß er sich wieder verheirathet hätte, und daß seine zukünftige Mutter seine Schulden bezahlen wollte. Mit Entzücken denke ich mir auch noch jetzt seine Freude, da er nun bezahlen konnte. Sein Herz war immer weit vom Betrug entfernt, so leichtsinnig er auch Schulden machte. Dieß hat


leichtsinnig, verschwendrisch und stolz. Wir wurden bald gute Freunde. Er war einiger Streiche wegen von der H. Schule weggejagt worden, und kam ohne Wissen seines Vaters auf die Universitaͤt. Ein ganzes Jahr hatte er schon das aͤußerste Elend erlitten, bis sich sein Vater uͤber ihn erbarmte und ihm einiges Geld schickte. Allein, das war zu wenig fuͤr einen bis zur Verschwendung freigebigen Menschen. Da er aber uͤberall sich beliebt zu machen wußte, so borgte ihm jedermann, und er nahm es, ohne zu wissen, wovon er bezahlen sollte.

Da meine Hand jetzt etwas leidlich wurde, so verschafte mir S** einige Collegia abzuschreiben. Er theilte immer sein weniges, was er hatte, so oft er sahe, daß ich Mangel litt, gern und willig mit mir. So vergingen einige Jahre unter mancherlei Abwechselungen, unter Kummer und Sorgen, und unter allem, was die Armuth Schreckliches in ihrem Gefolge hat.

Nach Verlauf von dritthalb Jahren hatte S** 100 Rthlr. Schulden, und ― keine Hofnung, sie je bezahlen zu koͤnnen. Er wollte eben H** verlassen, als er ploͤtzlich Nachricht von seinem Vater erhielt, daß er sich wieder verheirathet haͤtte, und daß seine zukuͤnftige Mutter seine Schulden bezahlen wollte. Mit Entzuͤcken denke ich mir auch noch jetzt seine Freude, da er nun bezahlen konnte. Sein Herz war immer weit vom Betrug entfernt, so leichtsinnig er auch Schulden machte. Dieß hat

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[56/0056] leichtsinnig, verschwendrisch und stolz. Wir wurden bald gute Freunde. Er war einiger Streiche wegen von der H. Schule weggejagt worden, und kam ohne Wissen seines Vaters auf die Universitaͤt. Ein ganzes Jahr hatte er schon das aͤußerste Elend erlitten, bis sich sein Vater uͤber ihn erbarmte und ihm einiges Geld schickte. Allein, das war zu wenig fuͤr einen bis zur Verschwendung freigebigen Menschen. Da er aber uͤberall sich beliebt zu machen wußte, so borgte ihm jedermann, und er nahm es, ohne zu wissen, wovon er bezahlen sollte. Da meine Hand jetzt etwas leidlich wurde, so verschafte mir S** einige Collegia abzuschreiben. Er theilte immer sein weniges, was er hatte, so oft er sahe, daß ich Mangel litt, gern und willig mit mir. So vergingen einige Jahre unter mancherlei Abwechselungen, unter Kummer und Sorgen, und unter allem, was die Armuth Schreckliches in ihrem Gefolge hat. Nach Verlauf von dritthalb Jahren hatte S** 100 Rthlr. Schulden, und ― keine Hofnung, sie je bezahlen zu koͤnnen. Er wollte eben H** verlassen, als er ploͤtzlich Nachricht von seinem Vater erhielt, daß er sich wieder verheirathet haͤtte, und daß seine zukuͤnftige Mutter seine Schulden bezahlen wollte. Mit Entzuͤcken denke ich mir auch noch jetzt seine Freude, da er nun bezahlen konnte. Sein Herz war immer weit vom Betrug entfernt, so leichtsinnig er auch Schulden machte. Dieß hat

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/56>, abgerufen am 07.05.2024.