darinnen, was groß und klein geschrieben wurde. Daraus schloß ich: alles was groß gedruckt sei, sei ein Stammwort; die übrigen ließen sich von jenen herleiten; müßten also klein geschrieben werden. Jch bemerkte, daß allemal nach einem Punktum ein großer Buchstabe folgte. Die mehresten Schwierigkeiten machten die Zeichen ? ! ; : , doch lernte ich ihren Gebrauch eher, als ich ihren Nahmen kannte. Jch fing an mich im Briefschreiben zu üben. Doch ich merkte bald selbst, daß es mir an Ausdruck fehlte. Mein gesundes, richtiges Gefühl sagte mir immer selbst, ohne daß ich mir die eigentliche Ursach anzugeben wußte: dieses sei schlecht; jenes leidlich. Die Eigenliebe in diesem Fall ist nie mein Fehler gewesen. Und da ich meine Schwäche kannte und mich oft vor mir selbst schämte, so wurde dieß ein Sporn, mich zu vervollkommnen. Jch lieh mir vom Antiquar Bücher. Die Kosten bestritt ich von dem, was ich mir zurückbehielt, wenn ich was für meine Eltern verkaufen mußte. -- Allein, ich las bloß Romane, die wunderbar waren. Freilich mitunter auch manche gute. Allein, da ich keine Auswahl kannte, so hatte es immer Schaden für mein Herz, ob ich gleich mehr Sachkenntniß bekam.
Um diese Zeit zog ein Student, ich will ihn S** nennen, in das Haus, wo wir wohnten. Ein Mensch von den herrlichsten Talenten, sehr guten und oft großmüthigen Herzen; aber äußerst
darinnen, was groß und klein geschrieben wurde. Daraus schloß ich: alles was groß gedruckt sei, sei ein Stammwort; die uͤbrigen ließen sich von jenen herleiten; muͤßten also klein geschrieben werden. Jch bemerkte, daß allemal nach einem Punktum ein großer Buchstabe folgte. Die mehresten Schwierigkeiten machten die Zeichen ? ! ; : , doch lernte ich ihren Gebrauch eher, als ich ihren Nahmen kannte. Jch fing an mich im Briefschreiben zu uͤben. Doch ich merkte bald selbst, daß es mir an Ausdruck fehlte. Mein gesundes, richtiges Gefuͤhl sagte mir immer selbst, ohne daß ich mir die eigentliche Ursach anzugeben wußte: dieses sei schlecht; jenes leidlich. Die Eigenliebe in diesem Fall ist nie mein Fehler gewesen. Und da ich meine Schwaͤche kannte und mich oft vor mir selbst schaͤmte, so wurde dieß ein Sporn, mich zu vervollkommnen. Jch lieh mir vom Antiquar Buͤcher. Die Kosten bestritt ich von dem, was ich mir zuruͤckbehielt, wenn ich was fuͤr meine Eltern verkaufen mußte. ― Allein, ich las bloß Romane, die wunderbar waren. Freilich mitunter auch manche gute. Allein, da ich keine Auswahl kannte, so hatte es immer Schaden fuͤr mein Herz, ob ich gleich mehr Sachkenntniß bekam.
Um diese Zeit zog ein Student, ich will ihn S** nennen, in das Haus, wo wir wohnten. Ein Mensch von den herrlichsten Talenten, sehr guten und oft großmuͤthigen Herzen; aber aͤußerst
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darinnen, was groß und klein geschrieben wurde. Daraus schloß ich: alles was groß gedruckt sei, sei ein Stammwort; die uͤbrigen ließen sich von jenen herleiten; muͤßten also klein geschrieben werden. Jch bemerkte, daß allemal nach einem Punktum ein großer Buchstabe folgte. Die mehresten Schwierigkeiten machten die Zeichen ? ! ; : , doch lernte ich ihren Gebrauch eher, als ich ihren Nahmen kannte. Jch fing an mich im Briefschreiben zu uͤben. Doch ich merkte bald selbst, daß es mir an Ausdruck fehlte. Mein gesundes, richtiges Gefuͤhl sagte mir immer selbst, ohne daß ich mir die eigentliche Ursach anzugeben wußte: dieses sei schlecht; jenes leidlich. Die Eigenliebe in diesem Fall ist nie mein Fehler gewesen. Und da ich meine Schwaͤche kannte und mich oft vor mir selbst schaͤmte, so wurde dieß ein Sporn, mich zu vervollkommnen. Jch lieh mir vom Antiquar Buͤcher. Die Kosten bestritt ich von dem, was ich mir zuruͤckbehielt, wenn ich was fuͤr meine Eltern verkaufen mußte. ― Allein, ich las bloß Romane, die wunderbar waren. Freilich mitunter auch manche gute. Allein, da ich keine Auswahl kannte, so hatte es immer Schaden fuͤr mein Herz, ob ich gleich mehr Sachkenntniß bekam. </p><p>Um diese Zeit zog ein Student, ich will ihn S** nennen, in das Haus, wo wir wohnten. Ein Mensch von den herrlichsten Talenten, sehr guten und oft großmuͤthigen Herzen; aber aͤußerst<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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darinnen, was groß und klein geschrieben wurde. Daraus schloß ich: alles was groß gedruckt sei, sei ein Stammwort; die uͤbrigen ließen sich von jenen herleiten; muͤßten also klein geschrieben werden. Jch bemerkte, daß allemal nach einem Punktum ein großer Buchstabe folgte. Die mehresten Schwierigkeiten machten die Zeichen ? ! ; : , doch lernte ich ihren Gebrauch eher, als ich ihren Nahmen kannte. Jch fing an mich im Briefschreiben zu uͤben. Doch ich merkte bald selbst, daß es mir an Ausdruck fehlte. Mein gesundes, richtiges Gefuͤhl sagte mir immer selbst, ohne daß ich mir die eigentliche Ursach anzugeben wußte: dieses sei schlecht; jenes leidlich. Die Eigenliebe in diesem Fall ist nie mein Fehler gewesen. Und da ich meine Schwaͤche kannte und mich oft vor mir selbst schaͤmte, so wurde dieß ein Sporn, mich zu vervollkommnen. Jch lieh mir vom Antiquar Buͤcher. Die Kosten bestritt ich von dem, was ich mir zuruͤckbehielt, wenn ich was fuͤr meine Eltern verkaufen mußte. ― Allein, ich las bloß Romane, die wunderbar waren. Freilich mitunter auch manche gute. Allein, da ich keine Auswahl kannte, so hatte es immer Schaden fuͤr mein Herz, ob ich gleich mehr Sachkenntniß bekam.
Um diese Zeit zog ein Student, ich will ihn S** nennen, in das Haus, wo wir wohnten. Ein Mensch von den herrlichsten Talenten, sehr guten und oft großmuͤthigen Herzen; aber aͤußerst
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/55>, abgerufen am 16.02.2025.
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