Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.Noch etwas über Ahndungsvermögen. ![]() Ellrich den 17ten August 1784. Schon in meiner Jugend begegnete mir es zuweilen, daß sich meiner Seele, ohne die allergeringste äußere Veranlassung, plötzlich der Gedanke aufdrang; dieser oder jener Bekannter ist dir nahe, wird jetzt gleich zu dir kommen! (wenn die Ahndung mir im Hause anwandelte) oder wird dir begegnen! (wenn ich dann gerade auf der Straße war.) Zu meiner eignen großen Verwunderung traf dieses nicht selten ein, ob ich gleich von dem, der eine Minute darauf vor mir stand, weder gewußt hatte, daß er in die Gegend kommen würde, noch von ihm gesprochen, noch an ihn gedacht; vielmehr schien die Jdee, außer allem Zusammenhange mit den übrigen, einer Eingebung ähnlich, denn ich konnte schlechterdings keinen Faden dazu finden. Jn meinen spätern Jahren ist mir der Fall seltener vorgekommen, doch erinnre ich mich noch sehr lebhaft an den folgenden. Vor zwei Jahren ging ich, mit meiner Frau am Arme zu Leipzig den Brühl hinauf. Als wir nahe an der Ecke der Heustraße waren, fiel mir, mitten unter einem Gespräche von dem Schauspiele, das an dem Abend aufgeführt werden sollte, die Jdee ein, daß der Rath Bertuch aus Weimar mir nahe wäre. Noch etwas uͤber Ahndungsvermoͤgen. ![]() Ellrich den 17ten August 1784. Schon in meiner Jugend begegnete mir es zuweilen, daß sich meiner Seele, ohne die allergeringste aͤußere Veranlassung, ploͤtzlich der Gedanke aufdrang; dieser oder jener Bekannter ist dir nahe, wird jetzt gleich zu dir kommen! (wenn die Ahndung mir im Hause anwandelte) oder wird dir begegnen! (wenn ich dann gerade auf der Straße war.) Zu meiner eignen großen Verwunderung traf dieses nicht selten ein, ob ich gleich von dem, der eine Minute darauf vor mir stand, weder gewußt hatte, daß er in die Gegend kommen wuͤrde, noch von ihm gesprochen, noch an ihn gedacht; vielmehr schien die Jdee, außer allem Zusammenhange mit den uͤbrigen, einer Eingebung aͤhnlich, denn ich konnte schlechterdings keinen Faden dazu finden. Jn meinen spaͤtern Jahren ist mir der Fall seltener vorgekommen, doch erinnre ich mich noch sehr lebhaft an den folgenden. Vor zwei Jahren ging ich, mit meiner Frau am Arme zu Leipzig den Bruͤhl hinauf. Als wir nahe an der Ecke der Heustraße waren, fiel mir, mitten unter einem Gespraͤche von dem Schauspiele, das an dem Abend aufgefuͤhrt werden sollte, die Jdee ein, daß der Rath Bertuch aus Weimar mir nahe waͤre. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0118" n="118"/><lb/><lb/> </div> </div> <div n="2"> <head>Noch etwas uͤber Ahndungsvermoͤgen. </head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref162"><note type="editorial"/>Goͤckingk, Leopold Friedrich Guͤnther von</persName> </bibl> </note> <p rendition="#right">Ellrich den 17ten August 1784. </p> <p>Schon in meiner Jugend begegnete mir es zuweilen, daß sich meiner Seele, ohne die allergeringste aͤußere Veranlassung, ploͤtzlich der Gedanke aufdrang; dieser oder jener Bekannter ist dir nahe, wird jetzt gleich zu dir kommen! (wenn die Ahndung mir im Hause anwandelte) oder wird dir begegnen! (wenn ich dann gerade auf der Straße war.) </p> <p>Zu meiner eignen großen Verwunderung traf dieses nicht selten ein, ob ich gleich von dem, der eine Minute darauf vor mir stand, weder gewußt hatte, daß er in die Gegend kommen wuͤrde, noch von ihm gesprochen, noch an ihn gedacht; vielmehr schien die Jdee, außer allem Zusammenhange mit den uͤbrigen, einer Eingebung aͤhnlich, denn ich konnte schlechterdings keinen Faden dazu finden. </p> <p>Jn meinen spaͤtern Jahren ist mir der Fall seltener vorgekommen, doch erinnre ich mich noch sehr lebhaft an den folgenden. </p> <p>Vor zwei Jahren ging ich, mit meiner Frau am Arme zu Leipzig den Bruͤhl hinauf. Als wir nahe an der Ecke der Heustraße waren, fiel mir, mitten unter einem Gespraͤche von dem Schauspiele, das an dem Abend aufgefuͤhrt werden sollte, die Jdee ein, daß der Rath <hi rendition="#b">Bertuch</hi> aus <hi rendition="#b">Weimar</hi> mir nahe waͤre. </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0118]
Noch etwas uͤber Ahndungsvermoͤgen.
Ellrich den 17ten August 1784.
Schon in meiner Jugend begegnete mir es zuweilen, daß sich meiner Seele, ohne die allergeringste aͤußere Veranlassung, ploͤtzlich der Gedanke aufdrang; dieser oder jener Bekannter ist dir nahe, wird jetzt gleich zu dir kommen! (wenn die Ahndung mir im Hause anwandelte) oder wird dir begegnen! (wenn ich dann gerade auf der Straße war.)
Zu meiner eignen großen Verwunderung traf dieses nicht selten ein, ob ich gleich von dem, der eine Minute darauf vor mir stand, weder gewußt hatte, daß er in die Gegend kommen wuͤrde, noch von ihm gesprochen, noch an ihn gedacht; vielmehr schien die Jdee, außer allem Zusammenhange mit den uͤbrigen, einer Eingebung aͤhnlich, denn ich konnte schlechterdings keinen Faden dazu finden.
Jn meinen spaͤtern Jahren ist mir der Fall seltener vorgekommen, doch erinnre ich mich noch sehr lebhaft an den folgenden.
Vor zwei Jahren ging ich, mit meiner Frau am Arme zu Leipzig den Bruͤhl hinauf. Als wir nahe an der Ecke der Heustraße waren, fiel mir, mitten unter einem Gespraͤche von dem Schauspiele, das an dem Abend aufgefuͤhrt werden sollte, die Jdee ein, daß der Rath Bertuch aus Weimar mir nahe waͤre.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/118>, abgerufen am 16.02.2025. |