Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Erinnerungen aus den frühesten Jahren der Kindheit, ein Pendant zu denen im ersten Stück des ersten Bandes p. 65 u.f. enthaltenen Geschichten.

Von meiner frühesten Jugend auf behauptete ich, einmal weiße Bären vor unserm Hause tanzen, und einen Papagei in der Stube meiner Großmutter in einem grossen Käfigt gesehen zu haben, welche beide Dinge doch, nach der Versicherung meiner Mutter, niemals seit meiner Geburt mir unter die Augen gekommen seyn konnten.

Meine Erinnerung davon ist so lebhaft, daß ich, aller Versicherungen meiner Mutter ungeachtet, es mir lange Zeit nicht aus dem Sinne schlagen konnte, die Sache für wahr zu halten.

Wenn mich meine Mutter fragte, in welcher Gegend der Stube denn der Papagei mit seinem Käfigt gehangen habe, so konnte ich ihr die detaillirteste Beschreibung davon geben, und sie mußte gestehen, daß wirklich einmal an diesem Orte ein Papagei gehangen habe, allein dieß sei, sagte sie, lang vor meiner Geburt gewesen, denn zu der Zeit, da ich geboren worden, sei der Vogel lang todt gewesen. Jch wußte ihr auch sogar die ganze Farbe des Pa-


IV. Erinnerungen aus den fruͤhesten Jahren der Kindheit, ein Pendant zu denen im ersten Stuͤck des ersten Bandes p. 65 u.f. enthaltenen Geschichten.

Von meiner fruͤhesten Jugend auf behauptete ich, einmal weiße Baͤren vor unserm Hause tanzen, und einen Papagei in der Stube meiner Großmutter in einem grossen Kaͤfigt gesehen zu haben, welche beide Dinge doch, nach der Versicherung meiner Mutter, niemals seit meiner Geburt mir unter die Augen gekommen seyn konnten.

Meine Erinnerung davon ist so lebhaft, daß ich, aller Versicherungen meiner Mutter ungeachtet, es mir lange Zeit nicht aus dem Sinne schlagen konnte, die Sache fuͤr wahr zu halten.

Wenn mich meine Mutter fragte, in welcher Gegend der Stube denn der Papagei mit seinem Kaͤfigt gehangen habe, so konnte ich ihr die detaillirteste Beschreibung davon geben, und sie mußte gestehen, daß wirklich einmal an diesem Orte ein Papagei gehangen habe, allein dieß sei, sagte sie, lang vor meiner Geburt gewesen, denn zu der Zeit, da ich geboren worden, sei der Vogel lang todt gewesen. Jch wußte ihr auch sogar die ganze Farbe des Pa-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0103" n="103"/><lb/><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">IV</hi>.                 Erinnerungen aus den fru&#x0364;hesten Jahren der Kindheit, ein Pendant zu                         denen im ersten Stu&#x0364;ck des ersten Bandes p. 65 u.f. enthaltenen                         Geschichten.</head><lb/>
            <note type="editorial">
              <bibl>
                <persName ref="#ref2"><note type="editorial"/>Pockels, C. F.</persName>
              </bibl>
            </note>
            <p>Von meiner fru&#x0364;hesten Jugend auf behauptete ich, einmal                         weiße Ba&#x0364;ren vor unserm Hause tanzen, und einen Papagei in der Stube meiner                         Großmutter in einem grossen Ka&#x0364;figt gesehen zu haben, welche beide Dinge                         doch, nach der Versicherung meiner Mutter, niemals seit meiner Geburt mir                         unter die Augen gekommen seyn konnten. </p>
            <p>Meine Erinnerung davon ist so lebhaft, daß ich, aller Versicherungen meiner                         Mutter ungeachtet, es mir lange Zeit nicht aus dem Sinne schlagen konnte,                         die Sache fu&#x0364;r wahr zu halten. </p>
            <p>Wenn mich meine Mutter fragte, in welcher Gegend der Stube denn der Papagei                         mit seinem Ka&#x0364;figt gehangen habe, so konnte ich ihr die detaillirteste                         Beschreibung davon geben, und sie mußte gestehen, daß wirklich einmal an                         diesem Orte ein Papagei gehangen habe, allein dieß sei, sagte sie, lang vor                         meiner Geburt gewesen, denn zu der Zeit, da ich geboren worden, sei der                         Vogel lang todt gewesen. Jch wußte ihr auch sogar die ganze Farbe des Pa-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0103] IV. Erinnerungen aus den fruͤhesten Jahren der Kindheit, ein Pendant zu denen im ersten Stuͤck des ersten Bandes p. 65 u.f. enthaltenen Geschichten. Von meiner fruͤhesten Jugend auf behauptete ich, einmal weiße Baͤren vor unserm Hause tanzen, und einen Papagei in der Stube meiner Großmutter in einem grossen Kaͤfigt gesehen zu haben, welche beide Dinge doch, nach der Versicherung meiner Mutter, niemals seit meiner Geburt mir unter die Augen gekommen seyn konnten. Meine Erinnerung davon ist so lebhaft, daß ich, aller Versicherungen meiner Mutter ungeachtet, es mir lange Zeit nicht aus dem Sinne schlagen konnte, die Sache fuͤr wahr zu halten. Wenn mich meine Mutter fragte, in welcher Gegend der Stube denn der Papagei mit seinem Kaͤfigt gehangen habe, so konnte ich ihr die detaillirteste Beschreibung davon geben, und sie mußte gestehen, daß wirklich einmal an diesem Orte ein Papagei gehangen habe, allein dieß sei, sagte sie, lang vor meiner Geburt gewesen, denn zu der Zeit, da ich geboren worden, sei der Vogel lang todt gewesen. Jch wußte ihr auch sogar die ganze Farbe des Pa-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/103
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/103>, abgerufen am 27.04.2024.