Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.
Die Sprache mußte schon große Fortschritte gemacht haben, die Begriffe der Menschen mußten schon sehr vervielfältigt, verfeinert, geordnet, die Nothwendigkeit des Sprachunterrichts insbesondre mußte schon dringender geworden seyn, als sie Abstrakta zu benennen anfingen. Ehe die Menschen ganze Geschlechter und Arten von Geschöpfen kennen lernten, verging wahrscheinlich viele Zeit. -- Für diese Geschlechter und Arten wurde der schon bekannte Name eines einzelnen dahin gehörigen Jndividuums ohne Zweifel der nachherige Allgemein- oder Geschlechtsname, und mithin waren die Bezeichnungen der Thierklassen -- (wieder, weil sie den Menschen am ersten bekannt werden mußten) -- auch die ersten Wörter für Abstrakte. Später noch folgten die, welche Eigenschaften des menschlichen Geistes, Pflichten, Tugenden und Laster andeuteten. Es ist in der That leichter auszumachen, wie die Menschen auf diese Begriffe, als wie sie auf die Ausdrücke derselben gekommen sind -- Es läßt sich hier durchaus nicht bestimmen, ob die Menschen blos willkührliche zufällige Wörter für abstrakte Begriffe gradezu
Die Sprache mußte schon große Fortschritte gemacht haben, die Begriffe der Menschen mußten schon sehr vervielfaͤltigt, verfeinert, geordnet, die Nothwendigkeit des Sprachunterrichts insbesondre mußte schon dringender geworden seyn, als sie Abstrakta zu benennen anfingen. Ehe die Menschen ganze Geschlechter und Arten von Geschoͤpfen kennen lernten, verging wahrscheinlich viele Zeit. ― Fuͤr diese Geschlechter und Arten wurde der schon bekannte Name eines einzelnen dahin gehoͤrigen Jndividuums ohne Zweifel der nachherige Allgemein- oder Geschlechtsname, und mithin waren die Bezeichnungen der Thierklassen ― (wieder, weil sie den Menschen am ersten bekannt werden mußten) ― auch die ersten Woͤrter fuͤr Abstrakte. Spaͤter noch folgten die, welche Eigenschaften des menschlichen Geistes, Pflichten, Tugenden und Laster andeuteten. Es ist in der That leichter auszumachen, wie die Menschen auf diese Begriffe, als wie sie auf die Ausdruͤcke derselben gekommen sind ― Es laͤßt sich hier durchaus nicht bestimmen, ob die Menschen blos willkuͤhrliche zufaͤllige Woͤrter fuͤr abstrakte Begriffe gradezu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0101" n="101"/><lb/> Ausbildung der Sprache. Musik</hi> und <hi rendition="#b">Tanz thaten</hi> gewiß auch das ihrige dabei. ― Jn einem andern Klima, wo die Natur die Menschen <hi rendition="#b">rauher</hi> geschaffen hatte, war auch vielleicht ein Despot der erste Gesetzgeber der Sprache. </p> <p>Die Sprache mußte schon <hi rendition="#b">große Fortschritte</hi> gemacht haben, die Begriffe der Menschen mußten schon sehr <hi rendition="#b">vervielfaͤltigt, verfeinert, geordnet,</hi> die <hi rendition="#b">Nothwendigkeit</hi> des Sprachunterrichts insbesondre mußte <hi rendition="#b">schon dringender geworden</hi> seyn, als sie <hi rendition="#b">Abstrakta</hi> zu benennen anfingen. Ehe die Menschen ganze Geschlechter und Arten von Geschoͤpfen kennen lernten, verging wahrscheinlich viele Zeit. ― Fuͤr diese Geschlechter und Arten wurde der schon <hi rendition="#b">bekannte Name eines einzelnen dahin gehoͤrigen Jndividuums</hi> ohne Zweifel der nachherige Allgemein- oder Geschlechtsname, und mithin waren die Bezeichnungen der Thierklassen ― (wieder, weil sie den Menschen am ersten bekannt werden mußten) ― auch die ersten Woͤrter fuͤr Abstrakte. </p> <p>Spaͤter noch folgten die, welche Eigenschaften des menschlichen Geistes, Pflichten, Tugenden und Laster andeuteten. Es ist in der That leichter auszumachen, wie die Menschen auf <hi rendition="#b">diese Begriffe,</hi> als wie sie auf <hi rendition="#b">die Ausdruͤcke</hi> derselben gekommen sind ― Es laͤßt sich hier durchaus nicht bestimmen, ob die Menschen blos <hi rendition="#b">willkuͤhrliche zufaͤllige</hi> Woͤrter fuͤr abstrakte Begriffe gradezu<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0101]
Ausbildung der Sprache. Musik und Tanz thaten gewiß auch das ihrige dabei. ― Jn einem andern Klima, wo die Natur die Menschen rauher geschaffen hatte, war auch vielleicht ein Despot der erste Gesetzgeber der Sprache.
Die Sprache mußte schon große Fortschritte gemacht haben, die Begriffe der Menschen mußten schon sehr vervielfaͤltigt, verfeinert, geordnet, die Nothwendigkeit des Sprachunterrichts insbesondre mußte schon dringender geworden seyn, als sie Abstrakta zu benennen anfingen. Ehe die Menschen ganze Geschlechter und Arten von Geschoͤpfen kennen lernten, verging wahrscheinlich viele Zeit. ― Fuͤr diese Geschlechter und Arten wurde der schon bekannte Name eines einzelnen dahin gehoͤrigen Jndividuums ohne Zweifel der nachherige Allgemein- oder Geschlechtsname, und mithin waren die Bezeichnungen der Thierklassen ― (wieder, weil sie den Menschen am ersten bekannt werden mußten) ― auch die ersten Woͤrter fuͤr Abstrakte.
Spaͤter noch folgten die, welche Eigenschaften des menschlichen Geistes, Pflichten, Tugenden und Laster andeuteten. Es ist in der That leichter auszumachen, wie die Menschen auf diese Begriffe, als wie sie auf die Ausdruͤcke derselben gekommen sind ― Es laͤßt sich hier durchaus nicht bestimmen, ob die Menschen blos willkuͤhrliche zufaͤllige Woͤrter fuͤr abstrakte Begriffe gradezu
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/101>, abgerufen am 05.07.2024. |