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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.

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Dieses taube und stumme Weibsbild begleitete eben sowohl ihre Gebehrden mit einem heftigen Affekte, wie Brüning.

Das Angenehme konnte sie nicht ohne Lachen, und das Unangenehme nicht ohne Verdruß erzählen, sogar, daß man manchmal sich mit der Flucht zu retten Ursach hatte, um nicht das selbst auszustehen, was sie andern drohte, wenn man bei ihren Erzählungen sich kaltsinnig anstellte.

Die zweite taube Person, mit welcher ich Umgang gehabt, war eine Tagelöhnerin in Wolmirsleben, Nahmens Köhlerin: diese konnte sprechen und lesen, auch aus der Bewegung des Mundes die Worte verstehen, wenn man gleich keinen Schall mit ihrer Bildung verknüpfte.

Alle Buchstaben, die einerlei Bewegung der Sprachgliedmaßen erfordern, z.E. k und z, ch und k, sp und p verwechselte sie beständig bei der Aussprache.

Die Ursache von dem allen war keine andere, als daß sie erst im neunten Jahre, durch einige heftige Ohrfeigen des damaligen Schulmeisters, ihr Gehör verlohren.

Lesen konnte sie damals, las auch noch im funfzigsten Jahre, aber sie verstand kein Wort von dem, was sie las, ausgenommen solche Wörter, deren Bedeutung ihr durch den Augenschein gezeiget werden konnte: ganze Redensarten aber wußte sie nie zusammen zu reimen.



Dieses taube und stumme Weibsbild begleitete eben sowohl ihre Gebehrden mit einem heftigen Affekte, wie Bruͤning.

Das Angenehme konnte sie nicht ohne Lachen, und das Unangenehme nicht ohne Verdruß erzaͤhlen, sogar, daß man manchmal sich mit der Flucht zu retten Ursach hatte, um nicht das selbst auszustehen, was sie andern drohte, wenn man bei ihren Erzaͤhlungen sich kaltsinnig anstellte.

Die zweite taube Person, mit welcher ich Umgang gehabt, war eine Tageloͤhnerin in Wolmirsleben, Nahmens Koͤhlerin: diese konnte sprechen und lesen, auch aus der Bewegung des Mundes die Worte verstehen, wenn man gleich keinen Schall mit ihrer Bildung verknuͤpfte.

Alle Buchstaben, die einerlei Bewegung der Sprachgliedmaßen erfordern, z.E. k und z, ch und k, sp und p verwechselte sie bestaͤndig bei der Aussprache.

Die Ursache von dem allen war keine andere, als daß sie erst im neunten Jahre, durch einige heftige Ohrfeigen des damaligen Schulmeisters, ihr Gehoͤr verlohren.

Lesen konnte sie damals, las auch noch im funfzigsten Jahre, aber sie verstand kein Wort von dem, was sie las, ausgenommen solche Woͤrter, deren Bedeutung ihr durch den Augenschein gezeiget werden konnte: ganze Redensarten aber wußte sie nie zusammen zu reimen.


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[59/0059] Dieses taube und stumme Weibsbild begleitete eben sowohl ihre Gebehrden mit einem heftigen Affekte, wie Bruͤning. Das Angenehme konnte sie nicht ohne Lachen, und das Unangenehme nicht ohne Verdruß erzaͤhlen, sogar, daß man manchmal sich mit der Flucht zu retten Ursach hatte, um nicht das selbst auszustehen, was sie andern drohte, wenn man bei ihren Erzaͤhlungen sich kaltsinnig anstellte. Die zweite taube Person, mit welcher ich Umgang gehabt, war eine Tageloͤhnerin in Wolmirsleben, Nahmens Koͤhlerin: diese konnte sprechen und lesen, auch aus der Bewegung des Mundes die Worte verstehen, wenn man gleich keinen Schall mit ihrer Bildung verknuͤpfte. Alle Buchstaben, die einerlei Bewegung der Sprachgliedmaßen erfordern, z.E. k und z, ch und k, sp und p verwechselte sie bestaͤndig bei der Aussprache. Die Ursache von dem allen war keine andere, als daß sie erst im neunten Jahre, durch einige heftige Ohrfeigen des damaligen Schulmeisters, ihr Gehoͤr verlohren. Lesen konnte sie damals, las auch noch im funfzigsten Jahre, aber sie verstand kein Wort von dem, was sie las, ausgenommen solche Woͤrter, deren Bedeutung ihr durch den Augenschein gezeiget werden konnte: ganze Redensarten aber wußte sie nie zusammen zu reimen.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/59>, abgerufen am 23.11.2024.