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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

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Anton allein wußte die Ursach davon, und trug seinen geheimen Kummer mit nach Hause und in die Schule. Jede Stuffe, die er auf die Art freiwillig herunterstieg, kostete ihm tausend Thränen, die er heimlich zu Hause vergoß, aber so bitter diese Arznei war, die er sich selbst verschrieb, so that sie doch ihre Wirkung.

Er hatte es selber so veranstaltet, daß er gerade am letzten Tage der unterste werden mußte. Allein dieß war ihm zu hart. Die Thränen standen ihm in den Augen, und er bat, man möchte ihn nur noch heute an seinem Orte sitzen lassen, morgen wolle er gern den untersten Platz einnehmen.

Jeder hatte Mitleiden mit ihm, und man ließ ihn sitzen. Den andern Tag war der Monath aus, und er kam nicht wieder.

Wie viel ihm diese freiwillige Aufopfrung gekostet habe, läßt sich aus dem Eifer und der Mühe schließen, wodurch er sich jeden höhern Platz zu erwerben gesucht hatte.

Oft wenn der Konrektor in seinem Schlafrock aus dem Fenster sahe, und er vor ihm vorbeiging, dachte er, o könntest du doch dein Herz gegen diesen Mann ausschütten, aber dazu schien ihm die Entfernung zwischen ihm und seinem Lehrer noch viel zu groß zu seyn.



Anton allein wußte die Ursach davon, und trug seinen geheimen Kummer mit nach Hause und in die Schule. Jede Stuffe, die er auf die Art freiwillig herunterstieg, kostete ihm tausend Thraͤnen, die er heimlich zu Hause vergoß, aber so bitter diese Arznei war, die er sich selbst verschrieb, so that sie doch ihre Wirkung.

Er hatte es selber so veranstaltet, daß er gerade am letzten Tage der unterste werden mußte. Allein dieß war ihm zu hart. Die Thraͤnen standen ihm in den Augen, und er bat, man moͤchte ihn nur noch heute an seinem Orte sitzen lassen, morgen wolle er gern den untersten Platz einnehmen.

Jeder hatte Mitleiden mit ihm, und man ließ ihn sitzen. Den andern Tag war der Monath aus, und er kam nicht wieder.

Wie viel ihm diese freiwillige Aufopfrung gekostet habe, laͤßt sich aus dem Eifer und der Muͤhe schließen, wodurch er sich jeden hoͤhern Platz zu erwerben gesucht hatte.

Oft wenn der Konrektor in seinem Schlafrock aus dem Fenster sahe, und er vor ihm vorbeiging, dachte er, o koͤnntest du doch dein Herz gegen diesen Mann ausschuͤtten, aber dazu schien ihm die Entfernung zwischen ihm und seinem Lehrer noch viel zu groß zu seyn.


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[95/0097] Anton allein wußte die Ursach davon, und trug seinen geheimen Kummer mit nach Hause und in die Schule. Jede Stuffe, die er auf die Art freiwillig herunterstieg, kostete ihm tausend Thraͤnen, die er heimlich zu Hause vergoß, aber so bitter diese Arznei war, die er sich selbst verschrieb, so that sie doch ihre Wirkung. Er hatte es selber so veranstaltet, daß er gerade am letzten Tage der unterste werden mußte. Allein dieß war ihm zu hart. Die Thraͤnen standen ihm in den Augen, und er bat, man moͤchte ihn nur noch heute an seinem Orte sitzen lassen, morgen wolle er gern den untersten Platz einnehmen. Jeder hatte Mitleiden mit ihm, und man ließ ihn sitzen. Den andern Tag war der Monath aus, und er kam nicht wieder. Wie viel ihm diese freiwillige Aufopfrung gekostet habe, laͤßt sich aus dem Eifer und der Muͤhe schließen, wodurch er sich jeden hoͤhern Platz zu erwerben gesucht hatte. Oft wenn der Konrektor in seinem Schlafrock aus dem Fenster sahe, und er vor ihm vorbeiging, dachte er, o koͤnntest du doch dein Herz gegen diesen Mann ausschuͤtten, aber dazu schien ihm die Entfernung zwischen ihm und seinem Lehrer noch viel zu groß zu seyn.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/97>, abgerufen am 25.11.2024.