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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

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lasse diesen und meine Frau kommen. Mein Sohn ermahnt ihn zur Wahrheit, und -- nun bekennt er erst: ja, Herr G. hat mich mit dem Stocke geschlagen. -- Jch bitte Sie, um Gottes willen, mein Freund, was denken Sie von diesem Kinde, das seinem Lehrer bis zum Laster treu war? denn Sie können sich leicht einbilden, ohne daß ich es Jhnen sage, daß von dem Menschen noch etwas ärgers, als der Schlag, oder vielmehr die Schläge selbst (denn er hat deren drei bekommen) geschehen war; daß er ihm nämlich unter Androhung der härtesten Züchtigung, und selbst unter den niederträchtigsten Schmeicheleien, aufs festeste eingebunden hatte, zu uns zu sagen, er sei auf der Treppe an der Bretterwand gefallen. Und dieser Mensch, der seinem Zöglinge, von dem er selbst -- schreibt sogar, daß er ein edles, gutes Herz habe, etliche Schläge am Kopfe, und etliche, wie wir nachher bei weiterer Untersuchung sahen, auf dem rechten Arm dergestallt gegeben hatte, daß der Arm so dick aufgeschwollen war, daß man kaum den Rock herabziehen konnte; dieser Mensch wollte kurz nach der That das arme Kind noch darum: weil es auf der Stube vor Schmerz das Weinen nicht lassen konnte, in dem Augenblick, da ich die Thür aufriß, (wie ich erzählt habe) zur Strafe aus der Stube stossen. Und es war doch die höchste Zeit zu den Stunden; und er hatte doch dies Weinen verursacht; und er versprach sich doch auf seinen süssen Brief von meiner Frau


lasse diesen und meine Frau kommen. Mein Sohn ermahnt ihn zur Wahrheit, und ― nun bekennt er erst: ja, Herr G. hat mich mit dem Stocke geschlagen. ― Jch bitte Sie, um Gottes willen, mein Freund, was denken Sie von diesem Kinde, das seinem Lehrer bis zum Laster treu war? denn Sie koͤnnen sich leicht einbilden, ohne daß ich es Jhnen sage, daß von dem Menschen noch etwas aͤrgers, als der Schlag, oder vielmehr die Schlaͤge selbst (denn er hat deren drei bekommen) geschehen war; daß er ihm naͤmlich unter Androhung der haͤrtesten Zuͤchtigung, und selbst unter den niedertraͤchtigsten Schmeicheleien, aufs festeste eingebunden hatte, zu uns zu sagen, er sei auf der Treppe an der Bretterwand gefallen. Und dieser Mensch, der seinem Zoͤglinge, von dem er selbst ― schreibt sogar, daß er ein edles, gutes Herz habe, etliche Schlaͤge am Kopfe, und etliche, wie wir nachher bei weiterer Untersuchung sahen, auf dem rechten Arm dergestallt gegeben hatte, daß der Arm so dick aufgeschwollen war, daß man kaum den Rock herabziehen konnte; dieser Mensch wollte kurz nach der That das arme Kind noch darum: weil es auf der Stube vor Schmerz das Weinen nicht lassen konnte, in dem Augenblick, da ich die Thuͤr aufriß, (wie ich erzaͤhlt habe) zur Strafe aus der Stube stossen. Und es war doch die hoͤchste Zeit zu den Stunden; und er hatte doch dies Weinen verursacht; und er versprach sich doch auf seinen suͤssen Brief von meiner Frau

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[30/0032] lasse diesen und meine Frau kommen. Mein Sohn ermahnt ihn zur Wahrheit, und ― nun bekennt er erst: ja, Herr G. hat mich mit dem Stocke geschlagen. ― Jch bitte Sie, um Gottes willen, mein Freund, was denken Sie von diesem Kinde, das seinem Lehrer bis zum Laster treu war? denn Sie koͤnnen sich leicht einbilden, ohne daß ich es Jhnen sage, daß von dem Menschen noch etwas aͤrgers, als der Schlag, oder vielmehr die Schlaͤge selbst (denn er hat deren drei bekommen) geschehen war; daß er ihm naͤmlich unter Androhung der haͤrtesten Zuͤchtigung, und selbst unter den niedertraͤchtigsten Schmeicheleien, aufs festeste eingebunden hatte, zu uns zu sagen, er sei auf der Treppe an der Bretterwand gefallen. Und dieser Mensch, der seinem Zoͤglinge, von dem er selbst ― schreibt sogar, daß er ein edles, gutes Herz habe, etliche Schlaͤge am Kopfe, und etliche, wie wir nachher bei weiterer Untersuchung sahen, auf dem rechten Arm dergestallt gegeben hatte, daß der Arm so dick aufgeschwollen war, daß man kaum den Rock herabziehen konnte; dieser Mensch wollte kurz nach der That das arme Kind noch darum: weil es auf der Stube vor Schmerz das Weinen nicht lassen konnte, in dem Augenblick, da ich die Thuͤr aufriß, (wie ich erzaͤhlt habe) zur Strafe aus der Stube stossen. Und es war doch die hoͤchste Zeit zu den Stunden; und er hatte doch dies Weinen verursacht; und er versprach sich doch auf seinen suͤssen Brief von meiner Frau

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/32>, abgerufen am 30.04.2024.