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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

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ger Accisinspektor half selbst oft Schleichhändler mit aufsuchen, und hatte viele ertappt und in Strafe gebracht, worunter sogar sein eigner Vater war. Dieser stieß mit einer ziemlich starken Begleitung auf Roberts Gehülfen; es ward Lerm; die Schuldigen flohen; sie wurden verfolgt, und man schoß nach ihnen. Robert rief den Seinigen zu: sie sollten stehen, und ihre Pistolen auf ihre Verfolger abdrücken. Die Verfolger stutzig; Robert schoß; man hörte winseln; die Visitatoren blieben zurück, und Robert konnte sich mit seiner Rotte retten. Schon früh hörte er das Gerücht, daß der Stadtinspektor gefährlich an der Hüfte verwundet sei, und daß er wohl daran sterben würde. Robert suchte alle mögliche Gründe auf, sich von dieser Schuld freizusprechen; aber es blieb doch eine geheime Unruhe in ihm, die die laute Freude des Pöbels über das Unglück dieses Mannes, und die großen Lobsprüche über den unbekannten Thäter , ihm nicht benehmen konnten, zumal da dieser Mann nach sechs oder acht Wochen wirklich starb. Dieß erschütterte ihn so, daß er sich vornahm, seine Lebensart zu ändern. Er ward immer unruhiger, suchte die Einsamkeit, und fing nun erst an zu untersuchen, ob er wohl recht gehandelt hätte. Verbrechen, glaubte er damals, wäre in seiner Handlung nicht; doch konnte er sich nicht entschließen, je wieder eine verbotne Waare hereinzubringen, und wurde seit der Zeit so gewissenhaft, daß er nicht einmal mit jemanden ge-


ger Accisinspektor half selbst oft Schleichhaͤndler mit aufsuchen, und hatte viele ertappt und in Strafe gebracht, worunter sogar sein eigner Vater war. Dieser stieß mit einer ziemlich starken Begleitung auf Roberts Gehuͤlfen; es ward Lerm; die Schuldigen flohen; sie wurden verfolgt, und man schoß nach ihnen. Robert rief den Seinigen zu: sie sollten stehen, und ihre Pistolen auf ihre Verfolger abdruͤcken. Die Verfolger stutzig; Robert schoß; man hoͤrte winseln; die Visitatoren blieben zuruͤck, und Robert konnte sich mit seiner Rotte retten. Schon fruͤh hoͤrte er das Geruͤcht, daß der Stadtinspektor gefaͤhrlich an der Huͤfte verwundet sei, und daß er wohl daran sterben wuͤrde. Robert suchte alle moͤgliche Gruͤnde auf, sich von dieser Schuld freizusprechen; aber es blieb doch eine geheime Unruhe in ihm, die die laute Freude des Poͤbels uͤber das Ungluͤck dieses Mannes, und die großen Lobspruͤche uͤber den unbekannten Thaͤter , ihm nicht benehmen konnten, zumal da dieser Mann nach sechs oder acht Wochen wirklich starb. Dieß erschuͤtterte ihn so, daß er sich vornahm, seine Lebensart zu aͤndern. Er ward immer unruhiger, suchte die Einsamkeit, und fing nun erst an zu untersuchen, ob er wohl recht gehandelt haͤtte. Verbrechen, glaubte er damals, waͤre in seiner Handlung nicht; doch konnte er sich nicht entschließen, je wieder eine verbotne Waare hereinzubringen, und wurde seit der Zeit so gewissenhaft, daß er nicht einmal mit jemanden ge-

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[11/0013] ger Accisinspektor half selbst oft Schleichhaͤndler mit aufsuchen, und hatte viele ertappt und in Strafe gebracht, worunter sogar sein eigner Vater war. Dieser stieß mit einer ziemlich starken Begleitung auf Roberts Gehuͤlfen; es ward Lerm; die Schuldigen flohen; sie wurden verfolgt, und man schoß nach ihnen. Robert rief den Seinigen zu: sie sollten stehen, und ihre Pistolen auf ihre Verfolger abdruͤcken. Die Verfolger stutzig; Robert schoß; man hoͤrte winseln; die Visitatoren blieben zuruͤck, und Robert konnte sich mit seiner Rotte retten. Schon fruͤh hoͤrte er das Geruͤcht, daß der Stadtinspektor gefaͤhrlich an der Huͤfte verwundet sei, und daß er wohl daran sterben wuͤrde. Robert suchte alle moͤgliche Gruͤnde auf, sich von dieser Schuld freizusprechen; aber es blieb doch eine geheime Unruhe in ihm, die die laute Freude des Poͤbels uͤber das Ungluͤck dieses Mannes, und die großen Lobspruͤche uͤber den unbekannten Thaͤter , ihm nicht benehmen konnten, zumal da dieser Mann nach sechs oder acht Wochen wirklich starb. Dieß erschuͤtterte ihn so, daß er sich vornahm, seine Lebensart zu aͤndern. Er ward immer unruhiger, suchte die Einsamkeit, und fing nun erst an zu untersuchen, ob er wohl recht gehandelt haͤtte. Verbrechen, glaubte er damals, waͤre in seiner Handlung nicht; doch konnte er sich nicht entschließen, je wieder eine verbotne Waare hereinzubringen, und wurde seit der Zeit so gewissenhaft, daß er nicht einmal mit jemanden ge-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/13>, abgerufen am 30.04.2024.