quer über die Straße von unserm zu jenem
Hause hin und wieder. Ein ansehnlicher Mann kam in der Mitte der Straße
dahergegangen, und ich rannte ihm gerade auf den Leib. Nun weiß ich noch
ganz genau, wie ich gegen diesen Mann an- fing mit beiden Händen
auszuschlagen, weil ich glaubte, er habe mir Unrecht gethan, da ich
doch im Grunde der beleidigende Theil war.
Nicht weit von uns gegenüber wohnte der Gar- nisonprediger, in dessen Garten
meine Brüder oft mit mir spatzieren gingen. Von diesem Garten kann
ich mich weiter nichts, als der grünen Wein- ranken an den Seiten
erinnern. -- Die Eindrücke großer sichtbarer
Gegenstände, als der Thür- me, Kirchen, des Umfanges
der Häuser, u. s. w. sind von diesen Zeiten her gänzlich aus
meinem Ge- dächtniß verwischt, und haben nicht die mindeste Spur
zurückgelassen, nur das scheinet mir noch sehr klar zu seyn, daß unsre
Hausthüre weit größer war, als die des
gegenüberstehenden Hauses.
Jn der kindischen Einbildungskraft stel- len sich die kleinen
Gegenstände viel größer dar, als sie sind, und die großen
faßt sie nicht.
Erinnerungen aus den frühesten Jah- ren der Kindheit von
mehrern Personen ne- beneinander gestellt, würden vielleicht
erwei-
sen,
quer uͤber die Straße von unserm zu jenem
Hause hin und wieder. Ein ansehnlicher Mann kam in der Mitte der Straße
dahergegangen, und ich rannte ihm gerade auf den Leib. Nun weiß ich noch
ganz genau, wie ich gegen diesen Mann an- fing mit beiden Haͤnden
auszuschlagen, weil ich glaubte, er habe mir Unrecht gethan, da ich
doch im Grunde der beleidigende Theil war.
Nicht weit von uns gegenuͤber wohnte der Gar- nisonprediger, in dessen Garten
meine Bruͤder oft mit mir spatzieren gingen. Von diesem Garten kann
ich mich weiter nichts, als der gruͤnen Wein- ranken an den Seiten
erinnern. — Die Eindruͤcke großer sichtbarer
Gegenstaͤnde, als der Thuͤr- me, Kirchen, des Umfanges
der Haͤuser, u. s. w. sind von diesen Zeiten her gaͤnzlich aus
meinem Ge- daͤchtniß verwischt, und haben nicht die mindeste Spur
zuruͤckgelassen, nur das scheinet mir noch sehr klar zu seyn, daß unsre
Hausthuͤre weit groͤßer war, als die des
gegenuͤberstehenden Hauses.
Jn der kindischen Einbildungskraft stel- len sich die kleinen
Gegenstaͤnde viel groͤßer dar, als sie sind, und die großen
faßt sie nicht.
Erinnerungen aus den fruͤhesten Jah- ren der Kindheit von
mehrern Personen ne- beneinander gestellt, wuͤrden vielleicht
erwei-
sen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0072"n="68"/>
quer uͤber die Straße von unserm zu jenem
Hause<lb/>
hin und wieder. Ein ansehnlicher Mann kam in<lb/>
der Mitte der Straße
dahergegangen, und ich<lb/>
rannte ihm gerade auf den Leib. Nun weiß ich<lb/>
noch
ganz genau, wie ich gegen diesen Mann an-<lb/>
fing mit beiden Haͤnden
auszuschlagen, weil ich<lb/>
glaubte, er habe mir Unrecht gethan, da ich
doch<lb/>
im Grunde der beleidigende Theil war.</p><lb/><p>Nicht weit von uns gegenuͤber wohnte der Gar-<lb/>
nisonprediger, in dessen Garten
meine Bruͤder oft<lb/>
mit mir spatzieren gingen. Von diesem Garten<lb/>
kann
ich mich weiter nichts, als der gruͤnen Wein-<lb/>
ranken an den Seiten
erinnern. — Die Eindruͤcke<lb/><hirendition="#b">großer sichtbarer
Gegenstaͤnde</hi>, als der Thuͤr-<lb/>
me, Kirchen, des Umfanges
der Haͤuser, u. s. w.<lb/>
sind von diesen Zeiten her gaͤnzlich aus
meinem Ge-<lb/>
daͤchtniß verwischt, und haben nicht die mindeste<lb/>
Spur
zuruͤckgelassen, nur das scheinet mir noch sehr<lb/>
klar zu seyn, daß unsre
Hausthuͤre weit <hirendition="#b">groͤßer</hi><lb/>
war, als die des
gegenuͤberstehenden Hauses.</p><lb/><p><hirendition="#b">Jn der kindischen Einbildungskraft stel-<lb/>
len sich die kleinen
Gegenstaͤnde viel groͤßer<lb/>
dar, als sie sind, und die großen
faßt sie nicht.</hi></p><lb/><p><hirendition="#b">Erinnerungen aus den fruͤhesten Jah-<lb/>
ren der Kindheit von
mehrern Personen ne-<lb/>
beneinander gestellt, wuͤrden vielleicht
erwei-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">sen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[68/0072]
quer uͤber die Straße von unserm zu jenem Hause
hin und wieder. Ein ansehnlicher Mann kam in
der Mitte der Straße dahergegangen, und ich
rannte ihm gerade auf den Leib. Nun weiß ich
noch ganz genau, wie ich gegen diesen Mann an-
fing mit beiden Haͤnden auszuschlagen, weil ich
glaubte, er habe mir Unrecht gethan, da ich doch
im Grunde der beleidigende Theil war.
Nicht weit von uns gegenuͤber wohnte der Gar-
nisonprediger, in dessen Garten meine Bruͤder oft
mit mir spatzieren gingen. Von diesem Garten
kann ich mich weiter nichts, als der gruͤnen Wein-
ranken an den Seiten erinnern. — Die Eindruͤcke
großer sichtbarer Gegenstaͤnde, als der Thuͤr-
me, Kirchen, des Umfanges der Haͤuser, u. s. w.
sind von diesen Zeiten her gaͤnzlich aus meinem Ge-
daͤchtniß verwischt, und haben nicht die mindeste
Spur zuruͤckgelassen, nur das scheinet mir noch sehr
klar zu seyn, daß unsre Hausthuͤre weit groͤßer
war, als die des gegenuͤberstehenden Hauses.
Jn der kindischen Einbildungskraft stel-
len sich die kleinen Gegenstaͤnde viel groͤßer
dar, als sie sind, und die großen faßt sie nicht.
Erinnerungen aus den fruͤhesten Jah-
ren der Kindheit von mehrern Personen ne-
beneinander gestellt, wuͤrden vielleicht erwei-
sen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Thomas Gloning, Marc Kuse, Justus-Liebig-Universität: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2013-06-06T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jurgita Baranauskaite, Justus-Liebig-Universität: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2013-06-06T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-06T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/72>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.