ich wußte selbst nicht recht an was. Es war etwas,
das ich nur im Ganzen umfaßte, was irgend eine dunkle entfernte
Ähnlichkeit mit meinem gegenwärtigen Zustande gehabt
haben muß, ohne daß ich mir dieselbe deutlich ent- wickeln konnte.
Auch erinnere ich mich von meiner Geburts- stadt noch eines dunkeln
Gewölbes, wo man, glaub' ich, durch ein Gitter, die
Särger stehn sahe; ei- nes schwarzen Schranks,
welches in einem der be- nachbarten Häuser auf dem Flur stand, und
mir so ungeheuer groß vorkam, daß ich glaubte, es müßten
nothwendig Menschen darinn wohnen; unsrer Wirthin einer bösen harten
Frau, in einem grauen Kamisohle, und ihres Mannes im
grü- nen Rocke; der gelben Thüre in unsrer Stube; der Treppe, worauf ich oft saß,
und auf und nie- derkletterte; eines Mangelholzes, womit ich
spielte; überhaupt aber mehr der Farben, als
der Gestal- ten der Dinge.
Ein Umstand ist mir noch insbesondre gegen- wärtig. Meine beiden
Stiefbrüder saßen auf ei- ner steinernen Bank, vor einem Hause,
welches dem unsrigen gerade gegenüber stand, und das Klingenbergsche hieß, wie ich mich noch von der Zeit an
zu erinnern scheine, weil ich nachher von diesem Hause nicht wieder reden
hörte. Jch lief
quer
E2
ich wußte selbst nicht recht an was. Es war etwas,
das ich nur im Ganzen umfaßte, was irgend eine dunkle entfernte
Aͤhnlichkeit mit meinem gegenwaͤrtigen Zustande gehabt
haben muß, ohne daß ich mir dieselbe deutlich ent- wickeln konnte.
Auch erinnere ich mich von meiner Geburts- stadt noch eines dunkeln
Gewoͤlbes, wo man, glaub' ich, durch ein Gitter, die
Saͤrger stehn sahe; ei- nes schwarzen Schranks,
welches in einem der be- nachbarten Haͤuser auf dem Flur stand, und
mir so ungeheuer groß vorkam, daß ich glaubte, es muͤßten
nothwendig Menschen darinn wohnen; unsrer Wirthin einer boͤsen harten
Frau, in einem grauen Kamisohle, und ihres Mannes im
gruͤ- nen Rocke; der gelben Thuͤre in unsrer Stube; der Treppe, worauf ich oft saß,
und auf und nie- derkletterte; eines Mangelholzes, womit ich
spielte; uͤberhaupt aber mehr der Farben, als
der Gestal- ten der Dinge.
Ein Umstand ist mir noch insbesondre gegen- waͤrtig. Meine beiden
Stiefbruͤder saßen auf ei- ner steinernen Bank, vor einem Hause,
welches dem unsrigen gerade gegenuͤber stand, und das Klingenbergsche hieß, wie ich mich noch von der Zeit an
zu erinnern scheine, weil ich nachher von diesem Hause nicht wieder reden
hoͤrte. Jch lief
quer
E2
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[67/0071]
ich wußte selbst nicht recht an was. Es war
etwas, das ich nur im Ganzen umfaßte, was
irgend eine dunkle entfernte Aͤhnlichkeit mit
meinem gegenwaͤrtigen Zustande gehabt haben
muß, ohne daß ich mir dieselbe deutlich ent-
wickeln konnte.
Auch erinnere ich mich von meiner Geburts-
stadt noch eines dunkeln Gewoͤlbes, wo man, glaub'
ich, durch ein Gitter, die Saͤrger stehn sahe; ei-
nes schwarzen Schranks, welches in einem der be-
nachbarten Haͤuser auf dem Flur stand, und mir
so ungeheuer groß vorkam, daß ich glaubte, es
muͤßten nothwendig Menschen darinn wohnen;
unsrer Wirthin einer boͤsen harten Frau, in einem
grauen Kamisohle, und ihres Mannes im gruͤ-
nen Rocke; der gelben Thuͤre in unsrer Stube;
der Treppe, worauf ich oft saß, und auf und nie-
derkletterte; eines Mangelholzes, womit ich spielte;
uͤberhaupt aber mehr der Farben, als der Gestal-
ten der Dinge.
Ein Umstand ist mir noch insbesondre gegen-
waͤrtig. Meine beiden Stiefbruͤder saßen auf ei-
ner steinernen Bank, vor einem Hause, welches
dem unsrigen gerade gegenuͤber stand, und das
Klingenbergsche hieß, wie ich mich noch von der
Zeit an zu erinnern scheine, weil ich nachher von
diesem Hause nicht wieder reden hoͤrte. Jch lief
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Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/71>, abgerufen am 16.07.2024.
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