Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.Es war am Ende des August. Das Gras Er ward von der rothen Ruhr befallen, und Nachdem der seelige diesen Vormittag noch mit Worte
Es war am Ende des August. Das Gras Er ward von der rothen Ruhr befallen, und Nachdem der seelige diesen Vormittag noch mit Worte
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0063" n="59"/> <p>Es war am Ende des August. Das Gras<lb/> auf der Wiese war abgemaͤht, und von dem Heu<lb/> stieg uns ein angenehmer Duft entgegen. Die<lb/> ganze Natur laͤchelte. Wir waren außerordent-<lb/> lich vergnuͤgt, und machten Entwuͤrfe auf die Zu-<lb/> kunft. Kein Gedanke dran, daß dieß unser letzter<lb/> Spatziergang seyn sollte.</p><lb/> <p>Er ward von der rothen Ruhr befallen, und<lb/> den andern Tag schon lag er nieder. Als ich ihn<lb/> im Anfange seiner Krankheit besuchte, aͤußerte er,<lb/> daß er schwerlich glaubte, durchzukommen, hatte<lb/> aber demohngeachtet immer noch einige Hofnung,<lb/> bis an den folgenden Sonntag, da er des Mor-<lb/> gens fruͤh zu seinem Bruder mit vielem Nachdruck<lb/> und Gewißheit sagte: <hi rendition="#b">ich sterbe!</hi> Wie dieser dar-<lb/> uͤber in die aͤußerste Wehmuth geraͤth, spricht er<lb/> ihm Trost ein, und versichert ihn zu wiederhohlten-<lb/> malen, er werde <hi rendition="#b">gewiß bald,</hi> und ehe er sich‘s ver-<lb/> sehen wuͤrde, eine sehr gute Versorgung erhalten:<lb/> welches auch sogleich nach seinem Tode eingetroffen<lb/> ist, indem man dem <hi rendition="#b">Herrn Candidat Zierlein,</hi><lb/> noch ehe sein Bruder begraben ward, eine eintraͤg-<lb/> liche Pfarstelle auf dem Lande uͤbertrug.</p><lb/> <p>Nachdem der seelige diesen Vormittag noch mit<lb/> vieler Fassung verschiednes gesprochen hatte, bat er<lb/> seinen Bruder, ihm einige Psalmen im hebraͤischen<lb/> Grundtext vorzulesen, und sagte unter andern die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Worte</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0063]
Es war am Ende des August. Das Gras
auf der Wiese war abgemaͤht, und von dem Heu
stieg uns ein angenehmer Duft entgegen. Die
ganze Natur laͤchelte. Wir waren außerordent-
lich vergnuͤgt, und machten Entwuͤrfe auf die Zu-
kunft. Kein Gedanke dran, daß dieß unser letzter
Spatziergang seyn sollte.
Er ward von der rothen Ruhr befallen, und
den andern Tag schon lag er nieder. Als ich ihn
im Anfange seiner Krankheit besuchte, aͤußerte er,
daß er schwerlich glaubte, durchzukommen, hatte
aber demohngeachtet immer noch einige Hofnung,
bis an den folgenden Sonntag, da er des Mor-
gens fruͤh zu seinem Bruder mit vielem Nachdruck
und Gewißheit sagte: ich sterbe! Wie dieser dar-
uͤber in die aͤußerste Wehmuth geraͤth, spricht er
ihm Trost ein, und versichert ihn zu wiederhohlten-
malen, er werde gewiß bald, und ehe er sich‘s ver-
sehen wuͤrde, eine sehr gute Versorgung erhalten:
welches auch sogleich nach seinem Tode eingetroffen
ist, indem man dem Herrn Candidat Zierlein,
noch ehe sein Bruder begraben ward, eine eintraͤg-
liche Pfarstelle auf dem Lande uͤbertrug.
Nachdem der seelige diesen Vormittag noch mit
vieler Fassung verschiednes gesprochen hatte, bat er
seinen Bruder, ihm einige Psalmen im hebraͤischen
Grundtext vorzulesen, und sagte unter andern die
Worte
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