Jch habe Jhnen neulich versprochen, einen Auszug aus den
Kriminalacten, die ich jetzt eben unter Händen habe, zu liefern, und
darinn besonders das- jenige, was zu psychologischen Betrachtungen An- laß
geben könnte, aufzuzeichnen. Da ich aber weiß, daß oft dasjenige, was
mir oder auch einem andern wichtig und bemerkungswerth scheinen
möch- te, ein dritter ganz unbedeutend finden würde,
und mancher geringscheinende Umstand einer Thatsache, in Vergleichung mit
einer andern, zu großen und wichtigen Betrachtungen Anlaß geben kann, so habe
ich Jhnen die Handlungen des Jnquisiten so
nackend, wie ich sie in den Acten gefunden, hingeworfen.
Der Musquetier Friedrich Wilhelm Meyer, achtundzwanzig Jahr
alt, aus Dresden gebürtig, eines Kaufmanns Sohn, lernte in
sei- ner Jugend bei einer christlich guten Erziehung
die Orangeriegärtnerkunst, und ging nach geendigten Lehrjahren, um
sein Glück nun weiter zu suchen, 1737 nach Prag. Hier traf ihn nebst
vielen andern Fremdlingen das Loos aufgegriffen und nach Un- garn
transportirt zu werden. Er fand jedoch in der bei Molwitz 1741 vorgefallenen
Schlacht Gele- genheit den östreichern zu entweichen, und
deren Dienste mit den preußischen, unter Anführung des
Gene-
III.
Berlin den 5ten October 1782.
Jch habe Jhnen neulich versprochen, einen Auszug aus den
Kriminalacten, die ich jetzt eben unter Haͤnden habe, zu liefern, und
darinn besonders das- jenige, was zu psychologischen Betrachtungen An- laß
geben koͤnnte, aufzuzeichnen. Da ich aber weiß, daß oft dasjenige, was
mir oder auch einem andern wichtig und bemerkungswerth scheinen
moͤch- te, ein dritter ganz unbedeutend finden wuͤrde,
und mancher geringscheinende Umstand einer Thatsache, in Vergleichung mit
einer andern, zu großen und wichtigen Betrachtungen Anlaß geben kann, so habe
ich Jhnen die Handlungen des Jnquisiten so
nackend, wie ich sie in den Acten gefunden, hingeworfen.
Der Musquetier Friedrich Wilhelm Meyer, achtundzwanzig Jahr
alt, aus Dresden gebuͤrtig, eines Kaufmanns Sohn, lernte in
sei- ner Jugend bei einer christlich guten Erziehung
die Orangeriegaͤrtnerkunst, und ging nach geendigten Lehrjahren, um
sein Gluͤck nun weiter zu suchen, 1737 nach Prag. Hier traf ihn nebst
vielen andern Fremdlingen das Loos aufgegriffen und nach Un- garn
transportirt zu werden. Er fand jedoch in der bei Molwitz 1741 vorgefallenen
Schlacht Gele- genheit den oͤstreichern zu entweichen, und
deren Dienste mit den preußischen, unter Anfuͤhrung des
Gene-
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[16/0020]
III.
Berlin den 5ten October 1782.
Jch habe Jhnen neulich versprochen, einen Auszug
aus den Kriminalacten, die ich jetzt eben unter
Haͤnden habe, zu liefern, und darinn besonders das-
jenige, was zu psychologischen Betrachtungen An-
laß geben koͤnnte, aufzuzeichnen. Da ich aber
weiß, daß oft dasjenige, was mir oder auch einem
andern wichtig und bemerkungswerth scheinen moͤch-
te, ein dritter ganz unbedeutend finden wuͤrde, und
mancher geringscheinende Umstand einer Thatsache,
in Vergleichung mit einer andern, zu großen und
wichtigen Betrachtungen Anlaß geben kann, so habe ich
Jhnen die Handlungen des Jnquisiten so nackend,
wie ich sie in den Acten gefunden, hingeworfen.
Der Musquetier Friedrich Wilhelm
Meyer, achtundzwanzig Jahr alt, aus Dresden
gebuͤrtig, eines Kaufmanns Sohn, lernte in sei-
ner Jugend bei einer christlich guten Erziehung die
Orangeriegaͤrtnerkunst, und ging nach geendigten
Lehrjahren, um sein Gluͤck nun weiter zu suchen,
1737 nach Prag. Hier traf ihn nebst vielen andern
Fremdlingen das Loos aufgegriffen und nach Un-
garn transportirt zu werden. Er fand jedoch in
der bei Molwitz 1741 vorgefallenen Schlacht Gele-
genheit den oͤstreichern zu entweichen, und deren
Dienste mit den preußischen, unter Anfuͤhrung des
Gene-
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Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/20>, abgerufen am 27.07.2024.
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