Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.Ferner müssen auch nie zwei wirksame Jdeen zusammenstoßen, die auf eben dasselbe Organ würken, und Verrichtungen verschiedner Art hervorzubringen bemüht sind. Denn so oft eine solche Collision entstehet, erfolgt eine Art von Schwanken und Ungewißheit in der Seele, ein Zittern in den Organen der Bewegung, das wir in Rücksicht auf die Organen der Sprache, mit einem besondern Namen zu belegen, und Stottern zu nennen pflegen. Man sollte glauben, dieser Fehler sey den Organen zuzuschreiben; es müsse nehmlich in der Anlage und dem innern Baue der Sprachwerkzeuge etwas mangelhaft und unrichtig seyn, woraus sich diese Unfähigkeit erklären lasse. Es ist aber aus mancherlei Beobachtungen abzunehmen, daß der Fehler mehr psychologisch, als mechanisch oder organisch seyn müsse. Jch will einige derselben, die ich anzustellen, die beste Gelegenheit gehabt, hier anführen. 1) Jm Affekt sind wir alle, mehr oder weniger, dem Fehler unterworfen. 2) Man ist demselben in einer fremden Sprache, die uns nicht so geläufig ist, mehr ausgesetzt, als in der Muttersprache. 3) Mehr, wenn jemand zugegen ist, vor dem wir uns scheuen, diese Schwachheit merken zu lassen. 4) Am wenigsten, wenn man allein ist, laut und langsam spricht, oder gar singet. Ferner muͤssen auch nie zwei wirksame Jdeen zusammenstoßen, die auf eben dasselbe Organ wuͤrken, und Verrichtungen verschiedner Art hervorzubringen bemuͤht sind. Denn so oft eine solche Collision entstehet, erfolgt eine Art von Schwanken und Ungewißheit in der Seele, ein Zittern in den Organen der Bewegung, das wir in Ruͤcksicht auf die Organen der Sprache, mit einem besondern Namen zu belegen, und Stottern zu nennen pflegen. Man sollte glauben, dieser Fehler sey den Organen zuzuschreiben; es muͤsse nehmlich in der Anlage und dem innern Baue der Sprachwerkzeuge etwas mangelhaft und unrichtig seyn, woraus sich diese Unfaͤhigkeit erklaͤren lasse. Es ist aber aus mancherlei Beobachtungen abzunehmen, daß der Fehler mehr psychologisch, als mechanisch oder organisch seyn muͤsse. Jch will einige derselben, die ich anzustellen, die beste Gelegenheit gehabt, hier anfuͤhren. 1) Jm Affekt sind wir alle, mehr oder weniger, dem Fehler unterworfen. 2) Man ist demselben in einer fremden Sprache, die uns nicht so gelaͤufig ist, mehr ausgesetzt, als in der Muttersprache. 3) Mehr, wenn jemand zugegen ist, vor dem wir uns scheuen, diese Schwachheit merken zu lassen. 4) Am wenigsten, wenn man allein ist, laut und langsam spricht, oder gar singet. <TEI> <text> <body> <div> <div> <pb facs="#f0060" n="56"/><lb/> <p>Ferner muͤssen auch nie zwei wirksame Jdeen zusammenstoßen, die auf eben dasselbe Organ wuͤrken, und Verrichtungen verschiedner Art hervorzubringen bemuͤht sind. Denn so oft eine solche Collision entstehet, erfolgt eine Art von Schwanken und Ungewißheit in der Seele, ein Zittern in den Organen der Bewegung, das wir in Ruͤcksicht auf die Organen der Sprache, mit einem besondern Namen zu belegen, und <hi rendition="#b">Stottern</hi> zu nennen pflegen. </p> <p>Man sollte glauben, dieser Fehler sey den Organen zuzuschreiben; es muͤsse nehmlich in der Anlage und dem innern Baue der Sprachwerkzeuge etwas mangelhaft und unrichtig seyn, woraus sich diese Unfaͤhigkeit erklaͤren lasse. Es ist aber aus mancherlei Beobachtungen abzunehmen, daß der Fehler mehr psychologisch, als mechanisch oder organisch seyn muͤsse. Jch will einige derselben, die ich anzustellen, die beste Gelegenheit gehabt, hier anfuͤhren. </p> <p>1) Jm Affekt sind wir alle, mehr oder weniger, dem Fehler unterworfen. </p> <p>2) Man ist demselben in einer fremden Sprache, die uns nicht so gelaͤufig ist, mehr ausgesetzt, als in der Muttersprache. </p> <p>3) Mehr, wenn jemand zugegen ist, vor dem wir uns scheuen, diese Schwachheit merken zu lassen. </p> <p>4) Am wenigsten, wenn man allein ist, laut und langsam spricht, oder gar singet. </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0060]
Ferner muͤssen auch nie zwei wirksame Jdeen zusammenstoßen, die auf eben dasselbe Organ wuͤrken, und Verrichtungen verschiedner Art hervorzubringen bemuͤht sind. Denn so oft eine solche Collision entstehet, erfolgt eine Art von Schwanken und Ungewißheit in der Seele, ein Zittern in den Organen der Bewegung, das wir in Ruͤcksicht auf die Organen der Sprache, mit einem besondern Namen zu belegen, und Stottern zu nennen pflegen.
Man sollte glauben, dieser Fehler sey den Organen zuzuschreiben; es muͤsse nehmlich in der Anlage und dem innern Baue der Sprachwerkzeuge etwas mangelhaft und unrichtig seyn, woraus sich diese Unfaͤhigkeit erklaͤren lasse. Es ist aber aus mancherlei Beobachtungen abzunehmen, daß der Fehler mehr psychologisch, als mechanisch oder organisch seyn muͤsse. Jch will einige derselben, die ich anzustellen, die beste Gelegenheit gehabt, hier anfuͤhren.
1) Jm Affekt sind wir alle, mehr oder weniger, dem Fehler unterworfen.
2) Man ist demselben in einer fremden Sprache, die uns nicht so gelaͤufig ist, mehr ausgesetzt, als in der Muttersprache.
3) Mehr, wenn jemand zugegen ist, vor dem wir uns scheuen, diese Schwachheit merken zu lassen.
4) Am wenigsten, wenn man allein ist, laut und langsam spricht, oder gar singet.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/60>, abgerufen am 16.07.2024. |