Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn x, und y veränderliche Grade vorstellen, und wir bemerken, daß Ax und By, unter mancherlei Ab- und Zunahme von x und y, in Causalverbindung stehen; so muß diese Causalverbindung nicht aufhören, wenn auch x oder y, oder beide = o werden.

Es ist, wie es scheint, eine bloße Anwendung der in der Algebra so nützlichen Fluxionalmethode auf die unausgedehnte Größe, die aber in der Philosophie mit gutem Nutzen gebraucht werden kann. So läßt sich z.B. durch diese Methode beweisen, daß die Seele im tiefsten Schlafe nicht aufhöre, Vorstellungen zu haben; daß die Gegenstände, die mit ihrer Entfernung, immer schwächer auf die sinnlichen Organe würken, in der größten Entfernung doch niemals ihre Einwirkung auf die Sinne völlig verlieren; und daß alle Lebensbewegungen in dem Körper Mitwirkungen der Seele seyn müssen, so daß eben die Seele, welche in den heftigsten Leidenschaften auf die Verdauung, Umlauf des Geblüts u.s.w. einen so merklichen Einfluß zeigt, auch in dem ruhigsten Gemüthszustande nicht ganz ohne Einwirkung auf diese Lebensverrichtungen bleiben könne. Dergleichen psychologische sowohl als physiologische Sätze giebt es so manche, die von verschiedenen Weltweisen in Zweifel gezogen werden, und, wie mich dünkt, auf diese Weise unumstößlich zu beweisen sind. Jedoch ist hier der Ort nicht zur weiteren Ausführung derselben. Jch begnüge


Wenn x, und y veraͤnderliche Grade vorstellen, und wir bemerken, daß Ax und By, unter mancherlei Ab- und Zunahme von x und y, in Causalverbindung stehen; so muß diese Causalverbindung nicht aufhoͤren, wenn auch x oder y, oder beide = o werden.

Es ist, wie es scheint, eine bloße Anwendung der in der Algebra so nuͤtzlichen Fluxionalmethode auf die unausgedehnte Groͤße, die aber in der Philosophie mit gutem Nutzen gebraucht werden kann. So laͤßt sich z.B. durch diese Methode beweisen, daß die Seele im tiefsten Schlafe nicht aufhoͤre, Vorstellungen zu haben; daß die Gegenstaͤnde, die mit ihrer Entfernung, immer schwaͤcher auf die sinnlichen Organe wuͤrken, in der groͤßten Entfernung doch niemals ihre Einwirkung auf die Sinne voͤllig verlieren; und daß alle Lebensbewegungen in dem Koͤrper Mitwirkungen der Seele seyn muͤssen, so daß eben die Seele, welche in den heftigsten Leidenschaften auf die Verdauung, Umlauf des Gebluͤts u.s.w. einen so merklichen Einfluß zeigt, auch in dem ruhigsten Gemuͤthszustande nicht ganz ohne Einwirkung auf diese Lebensverrichtungen bleiben koͤnne. Dergleichen psychologische sowohl als physiologische Saͤtze giebt es so manche, die von verschiedenen Weltweisen in Zweifel gezogen werden, und, wie mich duͤnkt, auf diese Weise unumstoͤßlich zu beweisen sind. Jedoch ist hier der Ort nicht zur weiteren Ausfuͤhrung derselben. Jch begnuͤge

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <pb facs="#f0055" n="51"/><lb/>
          <p>Wenn <hi rendition="#aq">x,</hi> und <hi rendition="#aq">y</hi> vera&#x0364;nderliche Grade vorstellen, und wir bemerken, daß <hi rendition="#aq">Ax</hi> und <hi rendition="#aq">By,</hi> unter                         mancherlei Ab- und Zunahme von <hi rendition="#aq">x</hi> und <hi rendition="#aq">y,</hi> in Causalverbindung stehen; so muß diese                         Causalverbindung nicht aufho&#x0364;ren, wenn auch <hi rendition="#aq">x</hi> oder <hi rendition="#aq">y,</hi> oder beide <hi rendition="#aq">=                             o</hi> werden.</p>
          <p>Es ist, wie es scheint, eine bloße Anwendung der in der Algebra                         so nu&#x0364;tzlichen Fluxionalmethode auf die unausgedehnte Gro&#x0364;ße, die aber in der                         Philosophie mit gutem Nutzen gebraucht werden kann. So la&#x0364;ßt sich z.B. durch                         diese Methode beweisen, daß die Seele im tiefsten Schlafe nicht aufho&#x0364;re,                         Vorstellungen zu haben; daß die Gegensta&#x0364;nde, die mit ihrer Entfernung, immer                         schwa&#x0364;cher auf die sinnlichen Organe wu&#x0364;rken, in der gro&#x0364;ßten Entfernung doch                         niemals ihre Einwirkung auf die Sinne vo&#x0364;llig verlieren; und daß alle                         Lebensbewegungen in dem Ko&#x0364;rper Mitwirkungen der Seele seyn mu&#x0364;ssen, so daß                         eben die Seele, welche in den heftigsten Leidenschaften auf die Verdauung,                         Umlauf des Geblu&#x0364;ts u.s.w. einen so merklichen Einfluß zeigt, auch in dem                         ruhigsten Gemu&#x0364;thszustande nicht ganz ohne Einwirkung auf diese                         Lebensverrichtungen bleiben ko&#x0364;nne. Dergleichen psychologische sowohl als                         physiologische Sa&#x0364;tze giebt es so manche, die von verschiedenen Weltweisen in                         Zweifel gezogen werden, und, wie mich du&#x0364;nkt, auf diese Weise unumsto&#x0364;ßlich zu                         beweisen sind. Jedoch ist hier der Ort nicht zur weiteren Ausfu&#x0364;hrung                         derselben. Jch begnu&#x0364;ge<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0055] Wenn x, und y veraͤnderliche Grade vorstellen, und wir bemerken, daß Ax und By, unter mancherlei Ab- und Zunahme von x und y, in Causalverbindung stehen; so muß diese Causalverbindung nicht aufhoͤren, wenn auch x oder y, oder beide = o werden. Es ist, wie es scheint, eine bloße Anwendung der in der Algebra so nuͤtzlichen Fluxionalmethode auf die unausgedehnte Groͤße, die aber in der Philosophie mit gutem Nutzen gebraucht werden kann. So laͤßt sich z.B. durch diese Methode beweisen, daß die Seele im tiefsten Schlafe nicht aufhoͤre, Vorstellungen zu haben; daß die Gegenstaͤnde, die mit ihrer Entfernung, immer schwaͤcher auf die sinnlichen Organe wuͤrken, in der groͤßten Entfernung doch niemals ihre Einwirkung auf die Sinne voͤllig verlieren; und daß alle Lebensbewegungen in dem Koͤrper Mitwirkungen der Seele seyn muͤssen, so daß eben die Seele, welche in den heftigsten Leidenschaften auf die Verdauung, Umlauf des Gebluͤts u.s.w. einen so merklichen Einfluß zeigt, auch in dem ruhigsten Gemuͤthszustande nicht ganz ohne Einwirkung auf diese Lebensverrichtungen bleiben koͤnne. Dergleichen psychologische sowohl als physiologische Saͤtze giebt es so manche, die von verschiedenen Weltweisen in Zweifel gezogen werden, und, wie mich duͤnkt, auf diese Weise unumstoͤßlich zu beweisen sind. Jedoch ist hier der Ort nicht zur weiteren Ausfuͤhrung derselben. Jch begnuͤge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/55
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/55>, abgerufen am 02.05.2024.