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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

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die nicht beteten; nach dem dritten, es giengen zwar viele Leute in die Kirche, die wenigsten aber aus der rechten Absicht. Sie zeigte nun und klagte: die Leute könnten hören und reden, und bekümmerten sich so wenig um die Predigt. Ein Theil plauderte, ein Theil sähe nur zu, was die Leute für Kleider und Frisuren hätten, ein Theil säße und blätterte in Büchern, und ein Theil schliefe, was Gott wohl möchte davon denken; sie wollte gerne zuhören, wenn sie nur könnte. Jndessen hätte sie doch den Nutzen von ihrem Kirchengehen, daß sie von Gott den Seegen empfinge.

Nach dem vierten Gebote, das wäre nicht erlaubt, wenn Kinder ihren Eltern nicht gehorchten u.s.w. Hier zeigten sich die hoffnungsvollesten Früchte der jetzigen Bemühung, und daß sie nicht mechanisch gelernt hatte, aus folgenden Umständen: Wie sie nach Hause kömmt, nimmt sie eine Tafel, macht einen Ring darauf, und theilet den in zehn Theile, und schreibet die Gebote darein; nun gehet sie zu ihrer alten Großmutter, und zeiget, wenn sie sich vergangen und sie beleidiget hätte, so bäte sie um Vergebung. Von der Zeit an hat sie sich sehr gehorsam bewiesen.

Nach dem fünften Gebote zeigte sie die Kindermörderin an, die vor einigen Jahren gerichtet war.

Nach dem sechsten Gebote war es ihr ein rechter Schauder, wenn junge Leute so vor die Thore


die nicht beteten; nach dem dritten, es giengen zwar viele Leute in die Kirche, die wenigsten aber aus der rechten Absicht. Sie zeigte nun und klagte: die Leute koͤnnten hoͤren und reden, und bekuͤmmerten sich so wenig um die Predigt. Ein Theil plauderte, ein Theil saͤhe nur zu, was die Leute fuͤr Kleider und Frisuren haͤtten, ein Theil saͤße und blaͤtterte in Buͤchern, und ein Theil schliefe, was Gott wohl moͤchte davon denken; sie wollte gerne zuhoͤren, wenn sie nur koͤnnte. Jndessen haͤtte sie doch den Nutzen von ihrem Kirchengehen, daß sie von Gott den Seegen empfinge.

Nach dem vierten Gebote, das waͤre nicht erlaubt, wenn Kinder ihren Eltern nicht gehorchten u.s.w. Hier zeigten sich die hoffnungsvollesten Fruͤchte der jetzigen Bemuͤhung, und daß sie nicht mechanisch gelernt hatte, aus folgenden Umstaͤnden: Wie sie nach Hause koͤmmt, nimmt sie eine Tafel, macht einen Ring darauf, und theilet den in zehn Theile, und schreibet die Gebote darein; nun gehet sie zu ihrer alten Großmutter, und zeiget, wenn sie sich vergangen und sie beleidiget haͤtte, so baͤte sie um Vergebung. Von der Zeit an hat sie sich sehr gehorsam bewiesen.

Nach dem fuͤnften Gebote zeigte sie die Kindermoͤrderin an, die vor einigen Jahren gerichtet war.

Nach dem sechsten Gebote war es ihr ein rechter Schauder, wenn junge Leute so vor die Thore

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[97/0101] die nicht beteten; nach dem dritten, es giengen zwar viele Leute in die Kirche, die wenigsten aber aus der rechten Absicht. Sie zeigte nun und klagte: die Leute koͤnnten hoͤren und reden, und bekuͤmmerten sich so wenig um die Predigt. Ein Theil plauderte, ein Theil saͤhe nur zu, was die Leute fuͤr Kleider und Frisuren haͤtten, ein Theil saͤße und blaͤtterte in Buͤchern, und ein Theil schliefe, was Gott wohl moͤchte davon denken; sie wollte gerne zuhoͤren, wenn sie nur koͤnnte. Jndessen haͤtte sie doch den Nutzen von ihrem Kirchengehen, daß sie von Gott den Seegen empfinge. Nach dem vierten Gebote, das waͤre nicht erlaubt, wenn Kinder ihren Eltern nicht gehorchten u.s.w. Hier zeigten sich die hoffnungsvollesten Fruͤchte der jetzigen Bemuͤhung, und daß sie nicht mechanisch gelernt hatte, aus folgenden Umstaͤnden: Wie sie nach Hause koͤmmt, nimmt sie eine Tafel, macht einen Ring darauf, und theilet den in zehn Theile, und schreibet die Gebote darein; nun gehet sie zu ihrer alten Großmutter, und zeiget, wenn sie sich vergangen und sie beleidiget haͤtte, so baͤte sie um Vergebung. Von der Zeit an hat sie sich sehr gehorsam bewiesen. Nach dem fuͤnften Gebote zeigte sie die Kindermoͤrderin an, die vor einigen Jahren gerichtet war. Nach dem sechsten Gebote war es ihr ein rechter Schauder, wenn junge Leute so vor die Thore

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/101>, abgerufen am 30.04.2024.