Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Den 29sten ging also mein Delirium immer ununterbrochen fort. Jch blieb noch immer unter meinen vorigen Phantasien, nur daß ihre Vorstellung noch viel lebhafter, und wirklich scheinender waren als vorher; ich glaubte noch immer jede Stunde, daß sie die nächste zu meinem Ende wäre. Den Morgenfrüh gleich nach meiner Erwachung aus der Agonie, rasete ich gewaltig, ich jagte A.. und M.., zwei Freunde, (um deren geleisteten Dienste einigermassen zu erwiedern allein, ich mir jetzo wünsche, sehr glücklich zu seyn) als meine ärgsten Feinde aus der Stube, wollte sie nie wieder vor Augen haben, und obschon ich sie des Abends wieder zu mir kommen ließ, und sie um Verzeihung bat, so jagte ich sie bei Annehrung der Exacerbation doch wiederum weg, so, daß ich sie bis lange nach meiner Genesung nicht wieder zu sehen bekam. Des Abends ward die Jdee des Sterbens etwas lebhafter in mir. Jch schickte nach M.. n, zu welchem Ende weiß ich jetzt nicht mehr so recht deutlich; so viel ich mich erinnre, war es ein gewisses Eitelkeitsgefühl: ich wollte diesem Manne zeigen, und ihn versichern, wie ruhig und zufrieden ich die Welt verlasse, und daß ich voller Ueberzeugung von einer andern glücklichern Welt meine Reise antrete. Unpäßlichkeit-
Den 29sten ging also mein Delirium immer ununterbrochen fort. Jch blieb noch immer unter meinen vorigen Phantasien, nur daß ihre Vorstellung noch viel lebhafter, und wirklich scheinender waren als vorher; ich glaubte noch immer jede Stunde, daß sie die naͤchste zu meinem Ende waͤre. Den Morgenfruͤh gleich nach meiner Erwachung aus der Agonie, rasete ich gewaltig, ich jagte A.. und M.., zwei Freunde, (um deren geleisteten Dienste einigermassen zu erwiedern allein, ich mir jetzo wuͤnsche, sehr gluͤcklich zu seyn) als meine aͤrgsten Feinde aus der Stube, wollte sie nie wieder vor Augen haben, und obschon ich sie des Abends wieder zu mir kommen ließ, und sie um Verzeihung bat, so jagte ich sie bei Annehrung der Exacerbation doch wiederum weg, so, daß ich sie bis lange nach meiner Genesung nicht wieder zu sehen bekam. Des Abends ward die Jdee des Sterbens etwas lebhafter in mir. Jch schickte nach M.. n, zu welchem Ende weiß ich jetzt nicht mehr so recht deutlich; so viel ich mich erinnre, war es ein gewisses Eitelkeitsgefuͤhl: ich wollte diesem Manne zeigen, und ihn versichern, wie ruhig und zufrieden ich die Welt verlasse, und daß ich voller Ueberzeugung von einer andern gluͤcklichern Welt meine Reise antrete. Unpaͤßlichkeit- <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0071" n="67"/><lb/> Substanz und die China, so daß ich von der ersten allein binnen zwei Tage uͤber anderthalb Unzen verschluckte, dabei auch an ein halb Quentchen Kamphor. </p> <p>Den 29sten ging also mein Delirium immer ununterbrochen fort. Jch blieb noch immer unter meinen vorigen Phantasien, nur daß ihre Vorstellung noch viel lebhafter, und wirklich scheinender waren als vorher; ich glaubte noch immer jede Stunde, daß sie die naͤchste zu meinem Ende waͤre. </p> <p>Den Morgenfruͤh gleich nach meiner Erwachung aus der Agonie, rasete ich gewaltig, ich jagte A.. und M.., zwei Freunde, (um deren geleisteten Dienste <hi rendition="#b">einigermassen</hi> zu erwiedern allein, ich mir jetzo wuͤnsche, sehr gluͤcklich zu seyn) als meine aͤrgsten Feinde aus der Stube, wollte sie nie wieder vor Augen haben, und obschon ich sie des Abends wieder zu mir kommen ließ, und sie um Verzeihung bat, so jagte ich sie bei Annehrung der Exacerbation doch wiederum weg, so, daß ich sie bis lange nach meiner Genesung nicht wieder zu sehen bekam. Des Abends ward die Jdee des Sterbens etwas lebhafter in mir. Jch schickte nach M.. n, zu welchem Ende weiß ich jetzt nicht mehr so recht deutlich; so viel ich mich erinnre, war es ein gewisses Eitelkeitsgefuͤhl: ich wollte diesem Manne zeigen, und ihn versichern, wie ruhig und zufrieden ich die Welt verlasse, und daß ich voller Ueberzeugung von einer andern gluͤcklichern Welt meine Reise antrete. Unpaͤßlichkeit-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [67/0071]
Substanz und die China, so daß ich von der ersten allein binnen zwei Tage uͤber anderthalb Unzen verschluckte, dabei auch an ein halb Quentchen Kamphor.
Den 29sten ging also mein Delirium immer ununterbrochen fort. Jch blieb noch immer unter meinen vorigen Phantasien, nur daß ihre Vorstellung noch viel lebhafter, und wirklich scheinender waren als vorher; ich glaubte noch immer jede Stunde, daß sie die naͤchste zu meinem Ende waͤre.
Den Morgenfruͤh gleich nach meiner Erwachung aus der Agonie, rasete ich gewaltig, ich jagte A.. und M.., zwei Freunde, (um deren geleisteten Dienste einigermassen zu erwiedern allein, ich mir jetzo wuͤnsche, sehr gluͤcklich zu seyn) als meine aͤrgsten Feinde aus der Stube, wollte sie nie wieder vor Augen haben, und obschon ich sie des Abends wieder zu mir kommen ließ, und sie um Verzeihung bat, so jagte ich sie bei Annehrung der Exacerbation doch wiederum weg, so, daß ich sie bis lange nach meiner Genesung nicht wieder zu sehen bekam. Des Abends ward die Jdee des Sterbens etwas lebhafter in mir. Jch schickte nach M.. n, zu welchem Ende weiß ich jetzt nicht mehr so recht deutlich; so viel ich mich erinnre, war es ein gewisses Eitelkeitsgefuͤhl: ich wollte diesem Manne zeigen, und ihn versichern, wie ruhig und zufrieden ich die Welt verlasse, und daß ich voller Ueberzeugung von einer andern gluͤcklichern Welt meine Reise antrete. Unpaͤßlichkeit-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/71>, abgerufen am 27.07.2024. |