Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Während meiner Agonie, die zwei Stunden dauerte, waren A.. und die übrigen Freunde um mich beschäftigt mich zu erwecken. Man belegte mich von oben bis unten mit Zugpflaster, Meerretig, Sauerteig u.s.w., ohne daß ich von allem das mindeste fühlte. Endlich ward ich durch eine spanische Fliege, die auf der Stelle einer andern noch nicht zugeheilten von neuem zwischen den Schultern gelegt wurde, zurück in das Getümmel meiner phantastischen Welt gerissen. Jch fing an zu fühlen, zu schlucken, mein Puls hob sich, ich ward warm, bald darauf heiß; ich war wieder da, wo ich ausgegangen war, ich rasete wieder meine vorige Raserei, aber um so heftiger. Mein Arzt kam nun wieder, und fing an, mit doppelten Kräften zu arbeiten. Auf die Nachricht, die man meinem Schwiegervater von meiner Erholung brachte, stellte sich augenblicklich der Gebrauch seiner Sprachwerkzeuge ein. Gottlob! war das erste, was er hervorbrachte. Ein inniglichers, inbrünstigers und vielleicht auch Gott angenehmeres Gottlob ist wohl nie über die Lippen eines Heiligen gekommen, das bin ich überzeugt. Man reichte mir nunmehro wechselweise, halbstündlich um halbstündlich die Serpentaria in
Waͤhrend meiner Agonie, die zwei Stunden dauerte, waren A.. und die uͤbrigen Freunde um mich beschaͤftigt mich zu erwecken. Man belegte mich von oben bis unten mit Zugpflaster, Meerretig, Sauerteig u.s.w., ohne daß ich von allem das mindeste fuͤhlte. Endlich ward ich durch eine spanische Fliege, die auf der Stelle einer andern noch nicht zugeheilten von neuem zwischen den Schultern gelegt wurde, zuruͤck in das Getuͤmmel meiner phantastischen Welt gerissen. Jch fing an zu fuͤhlen, zu schlucken, mein Puls hob sich, ich ward warm, bald darauf heiß; ich war wieder da, wo ich ausgegangen war, ich rasete wieder meine vorige Raserei, aber um so heftiger. Mein Arzt kam nun wieder, und fing an, mit doppelten Kraͤften zu arbeiten. Auf die Nachricht, die man meinem Schwiegervater von meiner Erholung brachte, stellte sich augenblicklich der Gebrauch seiner Sprachwerkzeuge ein. Gottlob! war das erste, was er hervorbrachte. Ein inniglichers, inbruͤnstigers und vielleicht auch Gott angenehmeres Gottlob ist wohl nie uͤber die Lippen eines Heiligen gekommen, das bin ich uͤberzeugt. Man reichte mir nunmehro wechselweise, halbstuͤndlich um halbstuͤndlich die Serpentaria in <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0070" n="66"/><lb/> Sohn, sondern zum <hi rendition="#b">Vater,</hi> daß er dem Sohne nicht nacheile. Es wurde ihm zur Ader gelassen, Brechmittel gegeben, und sonstige topische Mittel angewendet, man brachte ihn ins Bette. </p> <p>Waͤhrend meiner Agonie, die zwei Stunden dauerte, waren A.. und die uͤbrigen Freunde um mich beschaͤftigt mich zu erwecken. Man belegte mich von oben bis unten mit Zugpflaster, Meerretig, Sauerteig u.s.w., ohne daß ich von allem das mindeste fuͤhlte. Endlich ward ich durch eine spanische Fliege, die auf der Stelle einer andern noch nicht zugeheilten von neuem zwischen den Schultern gelegt wurde, zuruͤck in das Getuͤmmel meiner phantastischen Welt gerissen. Jch fing an zu fuͤhlen, zu schlucken, mein Puls hob sich, ich ward warm, bald darauf heiß; ich war wieder da, wo ich ausgegangen war, ich rasete wieder meine vorige Raserei, aber um so heftiger. Mein Arzt kam nun wieder, und fing an, mit doppelten Kraͤften zu arbeiten. Auf die Nachricht, die man meinem Schwiegervater von meiner Erholung brachte, stellte sich augenblicklich der Gebrauch seiner Sprachwerkzeuge ein. Gottlob! war das erste, was er hervorbrachte. Ein inniglichers, inbruͤnstigers und vielleicht auch Gott angenehmeres <hi rendition="#b">Gottlob</hi> ist wohl nie uͤber die Lippen eines Heiligen gekommen, das bin ich uͤberzeugt. </p> <p>Man reichte mir nunmehro wechselweise, halbstuͤndlich um halbstuͤndlich die <hi rendition="#aq">Serpentaria</hi> in<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0070]
Sohn, sondern zum Vater, daß er dem Sohne nicht nacheile. Es wurde ihm zur Ader gelassen, Brechmittel gegeben, und sonstige topische Mittel angewendet, man brachte ihn ins Bette.
Waͤhrend meiner Agonie, die zwei Stunden dauerte, waren A.. und die uͤbrigen Freunde um mich beschaͤftigt mich zu erwecken. Man belegte mich von oben bis unten mit Zugpflaster, Meerretig, Sauerteig u.s.w., ohne daß ich von allem das mindeste fuͤhlte. Endlich ward ich durch eine spanische Fliege, die auf der Stelle einer andern noch nicht zugeheilten von neuem zwischen den Schultern gelegt wurde, zuruͤck in das Getuͤmmel meiner phantastischen Welt gerissen. Jch fing an zu fuͤhlen, zu schlucken, mein Puls hob sich, ich ward warm, bald darauf heiß; ich war wieder da, wo ich ausgegangen war, ich rasete wieder meine vorige Raserei, aber um so heftiger. Mein Arzt kam nun wieder, und fing an, mit doppelten Kraͤften zu arbeiten. Auf die Nachricht, die man meinem Schwiegervater von meiner Erholung brachte, stellte sich augenblicklich der Gebrauch seiner Sprachwerkzeuge ein. Gottlob! war das erste, was er hervorbrachte. Ein inniglichers, inbruͤnstigers und vielleicht auch Gott angenehmeres Gottlob ist wohl nie uͤber die Lippen eines Heiligen gekommen, das bin ich uͤberzeugt.
Man reichte mir nunmehro wechselweise, halbstuͤndlich um halbstuͤndlich die Serpentaria in
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/70>, abgerufen am 27.07.2024. |