Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Von diesem Tage an bis zum 3ten Januar ging nichts merkwürdiges vor. Der ganze Zustand der Krankheit blieb derselbe, immerfort schlaflos, immerfort rasen, immerfort zanken und flehn, daß man mich nach meinem Logie, und zwar nach meiner Lesestube, wo Wolfs und Neutons Bildnisse hängen, bringen möchte. Meine Aerzte schöpften aus der Dauerhaftigkeit meines Körpers, und aus andern Symptomen einen geringen Grad von Hofnung, aber alles hing nun vom Schlafe ab.
Von diesem Tage an bis zum 3ten Januar ging nichts merkwuͤrdiges vor. Der ganze Zustand der Krankheit blieb derselbe, immerfort schlaflos, immerfort rasen, immerfort zanken und flehn, daß man mich nach meinem Logie, und zwar nach meiner Lesestube, wo Wolfs und Neutons Bildnisse haͤngen, bringen moͤchte. Meine Aerzte schoͤpften aus der Dauerhaftigkeit meines Koͤrpers, und aus andern Symptomen einen geringen Grad von Hofnung, aber alles hing nun vom Schlafe ab. <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0072" n="68"/><lb/> halber kam er nicht. Nicht lange hernach schickte ich nach den Aeltesten der Gesellschaft der <hi rendition="#b">Krankenbesucher,</hi> (eine Gesellschaft bei unserer Nation, die ihre Einrichtung und Gesetze vom Throne der Menschheit unmittelbar empfangen zu haben scheint) ich sagte ihnen mit voͤlligem und klarem Bewußtsein, daß ich meinen baldigen Todt fuͤhlte, jetzo waͤre die beßte Zeit mich dazu vorzubereiten. Dieß verrichteten diese gute Leute auf die sanfteste und menschenfreundlichste Weise, die ich nie vergessen werde. Sie diktirten mir einige der gewoͤhnlichsten Beichtformeln, unter bestaͤndiger Versicherung, daß ich Gefahrfrey waͤre. Dies dauerte ungefaͤhr fuͤnf Minuten, alsdann verabschiedete ich sie, mit der Bitte, daß sie in meinem letzten Augenblicke nicht so viel Weinens und Schreyens an meinem Bette, wie dies gewoͤhnlich beim Sterbenden geschieht, machen lassen moͤchten. Sie versprachen es und gingen. </p> <p>Von diesem Tage an bis zum 3ten Januar ging nichts merkwuͤrdiges vor. Der ganze Zustand der Krankheit blieb derselbe, immerfort schlaflos, immerfort rasen, immerfort zanken und flehn, daß man mich nach meinem Logie, und zwar nach meiner <hi rendition="#b">Lesestube,</hi> wo Wolfs und Neutons Bildnisse haͤngen, bringen moͤchte. Meine Aerzte schoͤpften aus der Dauerhaftigkeit meines Koͤrpers, und aus andern Symptomen einen geringen Grad von Hofnung, aber alles hing nun vom Schlafe ab.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0072]
halber kam er nicht. Nicht lange hernach schickte ich nach den Aeltesten der Gesellschaft der Krankenbesucher, (eine Gesellschaft bei unserer Nation, die ihre Einrichtung und Gesetze vom Throne der Menschheit unmittelbar empfangen zu haben scheint) ich sagte ihnen mit voͤlligem und klarem Bewußtsein, daß ich meinen baldigen Todt fuͤhlte, jetzo waͤre die beßte Zeit mich dazu vorzubereiten. Dieß verrichteten diese gute Leute auf die sanfteste und menschenfreundlichste Weise, die ich nie vergessen werde. Sie diktirten mir einige der gewoͤhnlichsten Beichtformeln, unter bestaͤndiger Versicherung, daß ich Gefahrfrey waͤre. Dies dauerte ungefaͤhr fuͤnf Minuten, alsdann verabschiedete ich sie, mit der Bitte, daß sie in meinem letzten Augenblicke nicht so viel Weinens und Schreyens an meinem Bette, wie dies gewoͤhnlich beim Sterbenden geschieht, machen lassen moͤchten. Sie versprachen es und gingen.
Von diesem Tage an bis zum 3ten Januar ging nichts merkwuͤrdiges vor. Der ganze Zustand der Krankheit blieb derselbe, immerfort schlaflos, immerfort rasen, immerfort zanken und flehn, daß man mich nach meinem Logie, und zwar nach meiner Lesestube, wo Wolfs und Neutons Bildnisse haͤngen, bringen moͤchte. Meine Aerzte schoͤpften aus der Dauerhaftigkeit meines Koͤrpers, und aus andern Symptomen einen geringen Grad von Hofnung, aber alles hing nun vom Schlafe ab.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |