Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Der Zweck, warum ich etwas thue, ist ein Gedanke in mir, um welchen sich meine Handlung gleichsam, wie ein Rad um seine Axe bewegt, das ohngeachtet dieser gleichförmigen Bewegung dennoch fortrückt. Wenn ich also sage, ich gehe, um das Haus zu sehen, so drehet sich gehen immer um die Vorstellung von sehen, demohngeachtet aber behält es auch die Richtung nach dem äußren Gegenstande, als dem Hause, das ich sehen will. Auf die Art bewegen sich alle unsre Handlungen um einen gewissen Endzweck oder Vorsatz, der die innere Grundlage ihrer Bewegung ist, und ihnen zugleich ihre Richtung nach irgend einem Gegenstande giebt, der wenigstens außer demjenigen Umkreise liegt, welchen sie umfassen, derselbe mag nun übrigens außer uns oder in uns seyn. Aus der Präposition um, in diesem letztern Verstande genommen, scheinet auch die Frage warum entstanden zu seyn, welche sich bei allem, was wir denken unsrer Seelen aufdringt, weil sie ein nothwendiges Bedürfniß des Denkens ist. Denn sie ist gleichsam der Mittelpunkt unsrer Vorstellungen,
Der Zweck, warum ich etwas thue, ist ein Gedanke in mir, um welchen sich meine Handlung gleichsam, wie ein Rad um seine Axe bewegt, das ohngeachtet dieser gleichfoͤrmigen Bewegung dennoch fortruͤckt. Wenn ich also sage, ich gehe, um das Haus zu sehen, so drehet sich gehen immer um die Vorstellung von sehen, demohngeachtet aber behaͤlt es auch die Richtung nach dem aͤußren Gegenstande, als dem Hause, das ich sehen will. Auf die Art bewegen sich alle unsre Handlungen um einen gewissen Endzweck oder Vorsatz, der die innere Grundlage ihrer Bewegung ist, und ihnen zugleich ihre Richtung nach irgend einem Gegenstande giebt, der wenigstens außer demjenigen Umkreise liegt, welchen sie umfassen, derselbe mag nun uͤbrigens außer uns oder in uns seyn. Aus der Praͤposition um, in diesem letztern Verstande genommen, scheinet auch die Frage warum entstanden zu seyn, welche sich bei allem, was wir denken unsrer Seelen aufdringt, weil sie ein nothwendiges Beduͤrfniß des Denkens ist. Denn sie ist gleichsam der Mittelpunkt unsrer Vorstellungen, <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0115" n="108"/><lb/> zu werden; ich hoͤre, um zu lernen; ich schweige, um zu hoͤren;</hi> u.s.w. so lange meine Handlung <hi rendition="#b">fortdauert,</hi> erreiche ich den Zweck nicht, aber ich bleibe immer in gleicher Richtung auf denselben, wie der Kreis auf seinen Mittelpunkt. </p> <p>Der Zweck, <hi rendition="#b">warum</hi> ich etwas thue, ist ein Gedanke in mir, um welchen sich meine Handlung gleichsam, wie ein Rad um seine Axe bewegt, das ohngeachtet dieser gleichfoͤrmigen Bewegung dennoch fortruͤckt. Wenn ich also sage, <hi rendition="#b">ich gehe, um das Haus zu sehen,</hi> so drehet sich <hi rendition="#b">gehen</hi> immer um die Vorstellung von <hi rendition="#b">sehen,</hi> demohngeachtet aber behaͤlt es auch die Richtung nach dem aͤußren Gegenstande, als dem Hause, das ich sehen will. </p> <p>Auf die Art bewegen sich alle unsre Handlungen um einen gewissen Endzweck oder Vorsatz, der die innere Grundlage ihrer Bewegung ist, und ihnen zugleich ihre Richtung nach irgend einem Gegenstande giebt, der wenigstens außer demjenigen Umkreise liegt, welchen sie umfassen, derselbe mag nun uͤbrigens außer uns oder in uns seyn. </p> <p>Aus der Praͤposition <hi rendition="#b">um,</hi> in diesem letztern Verstande genommen, scheinet auch die Frage <hi rendition="#b">warum</hi> entstanden zu seyn, welche sich bei allem, was wir <choice><corr>denken</corr><sic>Denken</sic></choice> unsrer Seelen aufdringt, weil sie ein nothwendiges Beduͤrfniß des Denkens ist. Denn sie ist gleichsam der Mittelpunkt unsrer Vorstellungen,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0115]
zu werden; ich hoͤre, um zu lernen; ich schweige, um zu hoͤren; u.s.w. so lange meine Handlung fortdauert, erreiche ich den Zweck nicht, aber ich bleibe immer in gleicher Richtung auf denselben, wie der Kreis auf seinen Mittelpunkt.
Der Zweck, warum ich etwas thue, ist ein Gedanke in mir, um welchen sich meine Handlung gleichsam, wie ein Rad um seine Axe bewegt, das ohngeachtet dieser gleichfoͤrmigen Bewegung dennoch fortruͤckt. Wenn ich also sage, ich gehe, um das Haus zu sehen, so drehet sich gehen immer um die Vorstellung von sehen, demohngeachtet aber behaͤlt es auch die Richtung nach dem aͤußren Gegenstande, als dem Hause, das ich sehen will.
Auf die Art bewegen sich alle unsre Handlungen um einen gewissen Endzweck oder Vorsatz, der die innere Grundlage ihrer Bewegung ist, und ihnen zugleich ihre Richtung nach irgend einem Gegenstande giebt, der wenigstens außer demjenigen Umkreise liegt, welchen sie umfassen, derselbe mag nun uͤbrigens außer uns oder in uns seyn.
Aus der Praͤposition um, in diesem letztern Verstande genommen, scheinet auch die Frage warum entstanden zu seyn, welche sich bei allem, was wir denken unsrer Seelen aufdringt, weil sie ein nothwendiges Beduͤrfniß des Denkens ist. Denn sie ist gleichsam der Mittelpunkt unsrer Vorstellungen,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/115>, abgerufen am 16.02.2025. |