Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueberhaupt verdient es wohl eine eigne Untersuchung, warum man bei unkörperlichen Handlungen oder Gegenständen sich oft gerade dieser oder jener Präposition bedient, warum man z.B. sagt, über eine Sache denken, und nicht in oder um eine Sache denken? was der Unterschied zwischen an, auf und über eine Sache denken, für eine Aehnlichkeit mit dem Unterschiede der körperlichen Verhältnisse an, auf und über habe? u.s.w.

Diese Vergleichungen unkörperlicher Gegenstände mit den körperlichen müssen sich doch aus einem natürlichen Gefühl bei den Erfindern und Anbauern der menschlichen Sprache herschreiben. Will man einwerfen, diese ersten Erfinder und Anbauer waren keine Philosophen, so konnte jenes erste starke noch durch keine Künsteleien verstimmte Gefühl, doch wohl den Mangel dessen ersetzen, was der Mensch erst lange nachher erfunden, und Philosophie genannt hat.

Wollte man also diesen einfachsten Vergleichungen in der Sprache weiter nachspüren, so wäre dieß vielleicht ein Weg, selbst in das innere Wesen unsrer Vorstellungen von dem Unkörperlichen einzudringen: und welche fruchtbare Vergleichungen mehrerer Sprachen untereinander ließen sich nicht hierüber anstellen?

Jch habe in meinen Schriften über die deutsche Sprache, auch in dieser Rücksicht, schon ver-


Ueberhaupt verdient es wohl eine eigne Untersuchung, warum man bei unkoͤrperlichen Handlungen oder Gegenstaͤnden sich oft gerade dieser oder jener Praͤposition bedient, warum man z.B. sagt, uͤber eine Sache denken, und nicht in oder um eine Sache denken? was der Unterschied zwischen an, auf und uͤber eine Sache denken, fuͤr eine Aehnlichkeit mit dem Unterschiede der koͤrperlichen Verhaͤltnisse an, auf und uͤber habe? u.s.w.

Diese Vergleichungen unkoͤrperlicher Gegenstaͤnde mit den koͤrperlichen muͤssen sich doch aus einem natuͤrlichen Gefuͤhl bei den Erfindern und Anbauern der menschlichen Sprache herschreiben. Will man einwerfen, diese ersten Erfinder und Anbauer waren keine Philosophen, so konnte jenes erste starke noch durch keine Kuͤnsteleien verstimmte Gefuͤhl, doch wohl den Mangel dessen ersetzen, was der Mensch erst lange nachher erfunden, und Philosophie genannt hat.

Wollte man also diesen einfachsten Vergleichungen in der Sprache weiter nachspuͤren, so waͤre dieß vielleicht ein Weg, selbst in das innere Wesen unsrer Vorstellungen von dem Unkoͤrperlichen einzudringen: und welche fruchtbare Vergleichungen mehrerer Sprachen untereinander ließen sich nicht hieruͤber anstellen?

Jch habe in meinen Schriften uͤber die deutsche Sprache, auch in dieser Ruͤcksicht, schon ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <div>
            <pb facs="#f0106" n="102"/><lb/>
            <p>Ueberhaupt verdient es wohl eine eigne Untersuchung, warum man bei                         unko&#x0364;rperlichen Handlungen oder Gegensta&#x0364;nden sich oft gerade dieser oder                         jener Pra&#x0364;position bedient, warum man z.B. sagt, <hi rendition="#b">u&#x0364;ber eine                             Sache denken,</hi> und nicht <hi rendition="#b">in</hi> oder <hi rendition="#b">um eine Sache denken?</hi> was der Unterschied zwischen <hi rendition="#b">an, auf und u&#x0364;ber eine Sache denken,</hi> fu&#x0364;r eine                         Aehnlichkeit mit dem Unterschiede der ko&#x0364;rperlichen Verha&#x0364;ltnisse <hi rendition="#b">an, auf</hi> und <hi rendition="#b">u&#x0364;ber</hi> habe?                         u.s.w. </p>
            <p>Diese Vergleichungen unko&#x0364;rperlicher Gegensta&#x0364;nde mit den ko&#x0364;rperlichen mu&#x0364;ssen                         sich doch aus einem natu&#x0364;rlichen Gefu&#x0364;hl bei den Erfindern und Anbauern der                         menschlichen Sprache herschreiben. Will man einwerfen, diese ersten Erfinder                         und Anbauer waren keine Philosophen, so konnte jenes erste starke noch durch                         keine Ku&#x0364;nsteleien verstimmte Gefu&#x0364;hl, doch wohl den Mangel dessen ersetzen,                         was der Mensch erst lange nachher erfunden, und Philosophie genannt hat. </p>
            <p>Wollte man also diesen einfachsten Vergleichungen in der Sprache weiter                         nachspu&#x0364;ren, so wa&#x0364;re dieß vielleicht ein Weg, selbst in das innere Wesen                         unsrer Vorstellungen von dem Unko&#x0364;rperlichen einzudringen: und welche                         fruchtbare Vergleichungen mehrerer Sprachen untereinander ließen sich nicht                         hieru&#x0364;ber anstellen? </p>
            <p>Jch habe in meinen Schriften u&#x0364;ber die deutsche Sprache, auch in dieser                         Ru&#x0364;cksicht, schon ver-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0106] Ueberhaupt verdient es wohl eine eigne Untersuchung, warum man bei unkoͤrperlichen Handlungen oder Gegenstaͤnden sich oft gerade dieser oder jener Praͤposition bedient, warum man z.B. sagt, uͤber eine Sache denken, und nicht in oder um eine Sache denken? was der Unterschied zwischen an, auf und uͤber eine Sache denken, fuͤr eine Aehnlichkeit mit dem Unterschiede der koͤrperlichen Verhaͤltnisse an, auf und uͤber habe? u.s.w. Diese Vergleichungen unkoͤrperlicher Gegenstaͤnde mit den koͤrperlichen muͤssen sich doch aus einem natuͤrlichen Gefuͤhl bei den Erfindern und Anbauern der menschlichen Sprache herschreiben. Will man einwerfen, diese ersten Erfinder und Anbauer waren keine Philosophen, so konnte jenes erste starke noch durch keine Kuͤnsteleien verstimmte Gefuͤhl, doch wohl den Mangel dessen ersetzen, was der Mensch erst lange nachher erfunden, und Philosophie genannt hat. Wollte man also diesen einfachsten Vergleichungen in der Sprache weiter nachspuͤren, so waͤre dieß vielleicht ein Weg, selbst in das innere Wesen unsrer Vorstellungen von dem Unkoͤrperlichen einzudringen: und welche fruchtbare Vergleichungen mehrerer Sprachen untereinander ließen sich nicht hieruͤber anstellen? Jch habe in meinen Schriften uͤber die deutsche Sprache, auch in dieser Ruͤcksicht, schon ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/106
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/106>, abgerufen am 03.05.2024.