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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.

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9. Sprache in psychologischer Rücksicht.
Das Pronomen Possessivum.

Die Vorstellungen von dem, was wir das Unsrige nennen, drehen sich beständig um die Vorstellung von unsrem eignen Jch. Die Kreise aber, in welchen sie sich um diese Vorstellung bewegen, sind so mannichfaltig und verschieden, als die Dinge, welche uns umgeben. Und der engste Kreis verliert sich sogar in dem Mittelpunkte selber, denn wir sagen mein ich, und fühlen keinen Widerspruch dabei, wenn wir uns selbst, als etwas außer uns selber, denken.

Die Präposition um.

Die deutsche Sprache bedienet sich der Präposition um figürlicher Weise, bei unkörperlichen Dingen, sehr häufig, und vielleicht nicht ohne Grund: denn da wir doch das Unkörperliche einmal mit dem Körperlichen vergleichen müssen, wenn wir es benennen wollen, so scheinet es, als ob die Einschließung oder allseitige Annäherung und Berührung, etwas sey, wovon wir oft in unsren Vorstellungen von dem Unkörperlichen etwas Aehnliches bemerken, das wir nicht schicklicher, als mit diesem Nahmen benennen können, da wir keinen eigentlichen dafür haben.



9. Sprache in psychologischer Ruͤcksicht.
Das Pronomen Possessivum.

Die Vorstellungen von dem, was wir das Unsrige nennen, drehen sich bestaͤndig um die Vorstellung von unsrem eignen Jch. Die Kreise aber, in welchen sie sich um diese Vorstellung bewegen, sind so mannichfaltig und verschieden, als die Dinge, welche uns umgeben. Und der engste Kreis verliert sich sogar in dem Mittelpunkte selber, denn wir sagen mein ich, und fuͤhlen keinen Widerspruch dabei, wenn wir uns selbst, als etwas außer uns selber, denken.

Die Praͤposition um.

Die deutsche Sprache bedienet sich der Praͤposition um figuͤrlicher Weise, bei unkoͤrperlichen Dingen, sehr haͤufig, und vielleicht nicht ohne Grund: denn da wir doch das Unkoͤrperliche einmal mit dem Koͤrperlichen vergleichen muͤssen, wenn wir es benennen wollen, so scheinet es, als ob die Einschließung oder allseitige Annaͤherung und Beruͤhrung, etwas sey, wovon wir oft in unsren Vorstellungen von dem Unkoͤrperlichen etwas Aehnliches bemerken, das wir nicht schicklicher, als mit diesem Nahmen benennen koͤnnen, da wir keinen eigentlichen dafuͤr haben.


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[101/0105] 9. Sprache in psychologischer Ruͤcksicht. Das Pronomen Possessivum. Die Vorstellungen von dem, was wir das Unsrige nennen, drehen sich bestaͤndig um die Vorstellung von unsrem eignen Jch. Die Kreise aber, in welchen sie sich um diese Vorstellung bewegen, sind so mannichfaltig und verschieden, als die Dinge, welche uns umgeben. Und der engste Kreis verliert sich sogar in dem Mittelpunkte selber, denn wir sagen mein ich, und fuͤhlen keinen Widerspruch dabei, wenn wir uns selbst, als etwas außer uns selber, denken. Die Praͤposition um. Die deutsche Sprache bedienet sich der Praͤposition um figuͤrlicher Weise, bei unkoͤrperlichen Dingen, sehr haͤufig, und vielleicht nicht ohne Grund: denn da wir doch das Unkoͤrperliche einmal mit dem Koͤrperlichen vergleichen muͤssen, wenn wir es benennen wollen, so scheinet es, als ob die Einschließung oder allseitige Annaͤherung und Beruͤhrung, etwas sey, wovon wir oft in unsren Vorstellungen von dem Unkoͤrperlichen etwas Aehnliches bemerken, das wir nicht schicklicher, als mit diesem Nahmen benennen koͤnnen, da wir keinen eigentlichen dafuͤr haben.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/105>, abgerufen am 03.05.2024.