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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

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103-105.

Ein Student in H. wurde krank. Er versicherte seinen Lehrer Pr. M. der ihn besuchte, daß er gewiß sterben würde; weil er darüber einen sonderbaren Traum gehabt hatte. Dieser wurde von ihm aufgeschrieben, und nach seinem Tode unter seinen Papieren gefunden.

Es träumte ihm nehmlich als gieng er auf dem H...schen schönen Kirchhofe spazieren, wo er die vielen Leichensteine und Epitaphien, die ihm außerordentlich gefielen, eines nach dem andern besahe, und ihre Aufschriften las; als er sich endlich entfernen wollte, stieß er auf einen Leichenstein, welcher ihm besonders auffiel. Er las nehmlich darauf seinen eigenen Vor- und Zunahmen, und sogar den Tag seines Todes angezeigt (an dem er wirklich gestorben ist) nur das Jahr seines Todes war nicht deutlich genug. Das dem Leichenstein bedeckende Moos saß gerade auf der vierten Ziffer der Jahrszahl, und indem er das Moos davon wegkratzen wollte, wachte er auf.




103-105.

Ein Student in H. wurde krank. Er versicherte seinen Lehrer Pr. M. der ihn besuchte, daß er gewiß sterben wuͤrde; weil er daruͤber einen sonderbaren Traum gehabt hatte. Dieser wurde von ihm aufgeschrieben, und nach seinem Tode unter seinen Papieren gefunden.

Es traͤumte ihm nehmlich als gieng er auf dem H...schen schoͤnen Kirchhofe spazieren, wo er die vielen Leichensteine und Epitaphien, die ihm außerordentlich gefielen, eines nach dem andern besahe, und ihre Aufschriften las; als er sich endlich entfernen wollte, stieß er auf einen Leichenstein, welcher ihm besonders auffiel. Er las nehmlich darauf seinen eigenen Vor- und Zunahmen, und sogar den Tag seines Todes angezeigt (an dem er wirklich gestorben ist) nur das Jahr seines Todes war nicht deutlich genug. Das dem Leichenstein bedeckende Moos saß gerade auf der vierten Ziffer der Jahrszahl, und indem er das Moos davon wegkratzen wollte, wachte er auf.



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[73/0073] 103-105. Ein Student in H. wurde krank. Er versicherte seinen Lehrer Pr. M. der ihn besuchte, daß er gewiß sterben wuͤrde; weil er daruͤber einen sonderbaren Traum gehabt hatte. Dieser wurde von ihm aufgeschrieben, und nach seinem Tode unter seinen Papieren gefunden. Es traͤumte ihm nehmlich als gieng er auf dem H...schen schoͤnen Kirchhofe spazieren, wo er die vielen Leichensteine und Epitaphien, die ihm außerordentlich gefielen, eines nach dem andern besahe, und ihre Aufschriften las; als er sich endlich entfernen wollte, stieß er auf einen Leichenstein, welcher ihm besonders auffiel. Er las nehmlich darauf seinen eigenen Vor- und Zunahmen, und sogar den Tag seines Todes angezeigt (an dem er wirklich gestorben ist) nur das Jahr seines Todes war nicht deutlich genug. Das dem Leichenstein bedeckende Moos saß gerade auf der vierten Ziffer der Jahrszahl, und indem er das Moos davon wegkratzen wollte, wachte er auf.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/73>, abgerufen am 02.05.2024.