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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

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die diesem Vermögen zugeschriebenen Wirkungen aus dem Temperament und dem Zufalle ab. Von der Wirkung selbst aber führt er zwei unbezweifelte Fakta an.

Anmerkung.

Daß z.B. ein Mensch von melancholischem Temperament leicht auf traurige Ahndungen verfällt, ist sehr natürlich. Es ist aber hier die Frage nicht, wie der Mensch auf solche Gedanken verfällt? sondern, wie es kommt, daß die Naturbegebenheiten, die nach nothwendigen Gesetzen folgen, und keinesweges von dem Temperament dieses Menschen abhängen können, mit seinen melancholischen Gedanken zutreffen?

Treffen also diese beständig zu, wie man in diesem Magazin Beispiele genug davon antrift, so ist dieses nicht mehr eine Wirkung des Zufalls.

Es wäre freilich übereilt, deswegen ein Ahndungsvermögen anzunehmen. Nur alsdann wird ein neues Vermögen angenommen, wenn eine besondere Wirkungsart, nach besondern Gesetzen, entdeckt wird. Die Ahndungsgesetze sind noch unbekannt. Wir wissen noch nicht von welcher Beschaffenheit die Personen sind die Ahndungen haben, und in welchem Verhältniß sie mit den andern, von denen sie Ahndungen haben, seyn müssen? Die Behauptung eines Ahndungsvermögens will für jetzt nichts mehr sagen, als: Es giebt unbezwei-


die diesem Vermoͤgen zugeschriebenen Wirkungen aus dem Temperament und dem Zufalle ab. Von der Wirkung selbst aber fuͤhrt er zwei unbezweifelte Fakta an.

Anmerkung.

Daß z.B. ein Mensch von melancholischem Temperament leicht auf traurige Ahndungen verfaͤllt, ist sehr natuͤrlich. Es ist aber hier die Frage nicht, wie der Mensch auf solche Gedanken verfaͤllt? sondern, wie es kommt, daß die Naturbegebenheiten, die nach nothwendigen Gesetzen folgen, und keinesweges von dem Temperament dieses Menschen abhaͤngen koͤnnen, mit seinen melancholischen Gedanken zutreffen?

Treffen also diese bestaͤndig zu, wie man in diesem Magazin Beispiele genug davon antrift, so ist dieses nicht mehr eine Wirkung des Zufalls.

Es waͤre freilich uͤbereilt, deswegen ein Ahndungsvermoͤgen anzunehmen. Nur alsdann wird ein neues Vermoͤgen angenommen, wenn eine besondere Wirkungsart, nach besondern Gesetzen, entdeckt wird. Die Ahndungsgesetze sind noch unbekannt. Wir wissen noch nicht von welcher Beschaffenheit die Personen sind die Ahndungen haben, und in welchem Verhaͤltniß sie mit den andern, von denen sie Ahndungen haben, seyn muͤssen? Die Behauptung eines Ahndungsvermoͤgens will fuͤr jetzt nichts mehr sagen, als: Es giebt unbezwei-

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[59/0059] die diesem Vermoͤgen zugeschriebenen Wirkungen aus dem Temperament und dem Zufalle ab. Von der Wirkung selbst aber fuͤhrt er zwei unbezweifelte Fakta an. Anmerkung. Daß z.B. ein Mensch von melancholischem Temperament leicht auf traurige Ahndungen verfaͤllt, ist sehr natuͤrlich. Es ist aber hier die Frage nicht, wie der Mensch auf solche Gedanken verfaͤllt? sondern, wie es kommt, daß die Naturbegebenheiten, die nach nothwendigen Gesetzen folgen, und keinesweges von dem Temperament dieses Menschen abhaͤngen koͤnnen, mit seinen melancholischen Gedanken zutreffen? Treffen also diese bestaͤndig zu, wie man in diesem Magazin Beispiele genug davon antrift, so ist dieses nicht mehr eine Wirkung des Zufalls. Es waͤre freilich uͤbereilt, deswegen ein Ahndungsvermoͤgen anzunehmen. Nur alsdann wird ein neues Vermoͤgen angenommen, wenn eine besondere Wirkungsart, nach besondern Gesetzen, entdeckt wird. Die Ahndungsgesetze sind noch unbekannt. Wir wissen noch nicht von welcher Beschaffenheit die Personen sind die Ahndungen haben, und in welchem Verhaͤltniß sie mit den andern, von denen sie Ahndungen haben, seyn muͤssen? Die Behauptung eines Ahndungsvermoͤgens will fuͤr jetzt nichts mehr sagen, als: Es giebt unbezwei-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/59>, abgerufen am 02.05.2024.