Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


vor Michaelis seinen Dienst zum zweitenmahle verlassen, in der Absicht, so lange herum zu schwärmen, als das Geld reichen würde, nachher aber sich das Leben zu nehmen. Ohne Plan sey er durch das Eisenachsche, Hildburghausensche, Saalfeldsche und Hessensche, und so wieder zurück gezogen. Bey Naumburg habe er sich in die Saale stürzen wollen, da er aber gehört, daß eben in Leipzig Messe sey, so habe er Lust bekommen, diese noch erst zu sehen. Hier habe er seine Uhr und einen Rock verkauft, und mit diesem Gelde noch eine Tour über Merseburg, Halle, Eisleben und Nordhausen gemacht, nachher aber sich wieder in die Gegend um E.... begeben, wo er sich in einem Walde, ohngefähr eine Meile von E... eine Hütte gebauet, sich daselbst 14 Tage aufgehalten, und nur zuweilen Lebensmittel aus Wernigerode gehohlt. Seine Absicht sey im Grunde gewesen, sich nach und nach der Nahrungsmittel wirklich zu entziehn, und so zu verhungern. Es habe ihm aber zu lange gedauert, von der rauhen Witterung sey er endlich aus der Hütte vertrieben worden, und habe sich nur zuweilen darinn, die meiste Zeit aber auf dem Zechenhause zu den drey Annen aufgehalten. Endlich sey sein Geld völlig zu Ende gegangen und er habe nun den festen Vorsatz gefaßt, sich das Leben zu nehmen, auch zu dem Ende giftigen Fliegenschwamm gegessen, den er aber wieder von sich gegeben. Jn Wernigerode habe er in einer Apotheke Gift ver-


vor Michaelis seinen Dienst zum zweitenmahle verlassen, in der Absicht, so lange herum zu schwaͤrmen, als das Geld reichen wuͤrde, nachher aber sich das Leben zu nehmen. Ohne Plan sey er durch das Eisenachsche, Hildburghausensche, Saalfeldsche und Hessensche, und so wieder zuruͤck gezogen. Bey Naumburg habe er sich in die Saale stuͤrzen wollen, da er aber gehoͤrt, daß eben in Leipzig Messe sey, so habe er Lust bekommen, diese noch erst zu sehen. Hier habe er seine Uhr und einen Rock verkauft, und mit diesem Gelde noch eine Tour uͤber Merseburg, Halle, Eisleben und Nordhausen gemacht, nachher aber sich wieder in die Gegend um E.... begeben, wo er sich in einem Walde, ohngefaͤhr eine Meile von E... eine Huͤtte gebauet, sich daselbst 14 Tage aufgehalten, und nur zuweilen Lebensmittel aus Wernigerode gehohlt. Seine Absicht sey im Grunde gewesen, sich nach und nach der Nahrungsmittel wirklich zu entziehn, und so zu verhungern. Es habe ihm aber zu lange gedauert, von der rauhen Witterung sey er endlich aus der Huͤtte vertrieben worden, und habe sich nur zuweilen darinn, die meiste Zeit aber auf dem Zechenhause zu den drey Annen aufgehalten. Endlich sey sein Geld voͤllig zu Ende gegangen und er habe nun den festen Vorsatz gefaßt, sich das Leben zu nehmen, auch zu dem Ende giftigen Fliegenschwamm gegessen, den er aber wieder von sich gegeben. Jn Wernigerode habe er in einer Apotheke Gift ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0057" n="55"/><lb/>
vor                         Michaelis seinen Dienst zum zweitenmahle verlassen, in der Absicht, so lange                         herum zu schwa&#x0364;rmen, als das Geld reichen wu&#x0364;rde, nachher aber sich das Leben                         zu nehmen. Ohne Plan sey er durch das Eisenachsche, Hildburghausensche,                         Saalfeldsche und Hessensche, und so wieder zuru&#x0364;ck gezogen. Bey Naumburg habe                         er sich in die Saale stu&#x0364;rzen wollen, da er aber geho&#x0364;rt, daß eben in Leipzig                         Messe sey, so habe er Lust bekommen, diese noch erst zu sehen. Hier habe er                         seine Uhr und einen Rock verkauft, und mit diesem Gelde noch eine Tour u&#x0364;ber                         Merseburg, Halle, Eisleben und Nordhausen gemacht, nachher aber sich wieder                         in die Gegend um E.... begeben, wo er sich in einem Walde, ohngefa&#x0364;hr eine                         Meile von E... eine Hu&#x0364;tte gebauet, sich daselbst 14 Tage aufgehalten, und                         nur zuweilen Lebensmittel aus Wernigerode gehohlt. Seine Absicht sey im                         Grunde gewesen, sich nach und nach der Nahrungsmittel wirklich zu entziehn,                         und so zu <choice><corr>verhungern.</corr><sic>verhungern</sic></choice> Es habe ihm aber zu lange gedauert, von der                         rauhen Witterung sey er endlich aus der Hu&#x0364;tte vertrieben worden, und habe                         sich nur zuweilen darinn, die meiste Zeit aber auf dem Zechenhause zu den                         drey Annen aufgehalten. Endlich sey sein Geld vo&#x0364;llig zu Ende gegangen und er                         habe nun den festen Vorsatz gefaßt, sich das Leben zu nehmen, auch zu dem                         Ende giftigen Fliegenschwamm gegessen, den er aber wieder von sich gegeben.                         Jn Wernigerode habe er in einer Apotheke Gift ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0057] vor Michaelis seinen Dienst zum zweitenmahle verlassen, in der Absicht, so lange herum zu schwaͤrmen, als das Geld reichen wuͤrde, nachher aber sich das Leben zu nehmen. Ohne Plan sey er durch das Eisenachsche, Hildburghausensche, Saalfeldsche und Hessensche, und so wieder zuruͤck gezogen. Bey Naumburg habe er sich in die Saale stuͤrzen wollen, da er aber gehoͤrt, daß eben in Leipzig Messe sey, so habe er Lust bekommen, diese noch erst zu sehen. Hier habe er seine Uhr und einen Rock verkauft, und mit diesem Gelde noch eine Tour uͤber Merseburg, Halle, Eisleben und Nordhausen gemacht, nachher aber sich wieder in die Gegend um E.... begeben, wo er sich in einem Walde, ohngefaͤhr eine Meile von E... eine Huͤtte gebauet, sich daselbst 14 Tage aufgehalten, und nur zuweilen Lebensmittel aus Wernigerode gehohlt. Seine Absicht sey im Grunde gewesen, sich nach und nach der Nahrungsmittel wirklich zu entziehn, und so zu verhungern. Es habe ihm aber zu lange gedauert, von der rauhen Witterung sey er endlich aus der Huͤtte vertrieben worden, und habe sich nur zuweilen darinn, die meiste Zeit aber auf dem Zechenhause zu den drey Annen aufgehalten. Endlich sey sein Geld voͤllig zu Ende gegangen und er habe nun den festen Vorsatz gefaßt, sich das Leben zu nehmen, auch zu dem Ende giftigen Fliegenschwamm gegessen, den er aber wieder von sich gegeben. Jn Wernigerode habe er in einer Apotheke Gift ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/57
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/57>, abgerufen am 08.05.2024.