Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


auf den einigen Gegenstand verwandt, und verwandelt und bekömmt eine andere Gestalt. Ein gelehrter Eigensinn, ein Baumeister von Hypothesenthürmen, so geistig er immer seyn mag, will eben so völlig den Platz allein behaupten, und alles in einem Kopf nach sich richten. Warum soll dann nicht vielmehr die ewige Wahrheit der ewigen Güte von unendlichem Gewicht und unumschränkter Ausbreitung über alles der Gegenstand unsrer einzigen Liebe seyn, wenn sie gleich keine Puppe noch Krone dieser Welt ist? Wir müssen nur einen Standpunkt in uns ausfinden können, woraus wir sie beständig im Gesichte zu halten, einen Sammelpunkt alles darzu zu richten, vermögen, oder eine Schnellkraft, um alles damit zu beleben! Die Wirklichkeit ist der gröste Beweis der Möglichkeit. Daß so etwas in uns zu finden seyn müsse, zeigen uns aus alten Zeiten sogar Könige in aller ihrer Herrlichkeit, Hofmänner unter allen den größten Reizen der Welt, Kriegsleute und andre Personen von göttlicher Tugend unter allem Getümmel und Gewimmel der Erde; Jhrer viele tausende von allen Ständen und Lebensarten in verschiednen Zeiten der gedrückten Religion versiegelten ihren festen himmlischen Sinn als standhafte Märtyrer sogar mit ihrem Blute, und bei ruhigen Zeiten lebten sie patriarchalisch in der Welt. Sie waren zwar in der Welt, aber nicht von der Welt, nicht von der Art der Welt, wie sie insge-


auf den einigen Gegenstand verwandt, und verwandelt und bekoͤmmt eine andere Gestalt. Ein gelehrter Eigensinn, ein Baumeister von Hypothesenthuͤrmen, so geistig er immer seyn mag, will eben so voͤllig den Platz allein behaupten, und alles in einem Kopf nach sich richten. Warum soll dann nicht vielmehr die ewige Wahrheit der ewigen Guͤte von unendlichem Gewicht und unumschraͤnkter Ausbreitung uͤber alles der Gegenstand unsrer einzigen Liebe seyn, wenn sie gleich keine Puppe noch Krone dieser Welt ist? Wir muͤssen nur einen Standpunkt in uns ausfinden koͤnnen, woraus wir sie bestaͤndig im Gesichte zu halten, einen Sammelpunkt alles darzu zu richten, vermoͤgen, oder eine Schnellkraft, um alles damit zu beleben! Die Wirklichkeit ist der groͤste Beweis der Moͤglichkeit. Daß so etwas in uns zu finden seyn muͤsse, zeigen uns aus alten Zeiten sogar Koͤnige in aller ihrer Herrlichkeit, Hofmaͤnner unter allen den groͤßten Reizen der Welt, Kriegsleute und andre Personen von goͤttlicher Tugend unter allem Getuͤmmel und Gewimmel der Erde; Jhrer viele tausende von allen Staͤnden und Lebensarten in verschiednen Zeiten der gedruͤckten Religion versiegelten ihren festen himmlischen Sinn als standhafte Maͤrtyrer sogar mit ihrem Blute, und bei ruhigen Zeiten lebten sie patriarchalisch in der Welt. Sie waren zwar in der Welt, aber nicht von der Welt, nicht von der Art der Welt, wie sie insge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0023" n="21"/><lb/>
auf den einigen Gegenstand verwandt, und                         verwandelt und beko&#x0364;mmt eine andere Gestalt. Ein gelehrter Eigensinn, ein                         Baumeister von Hypothesenthu&#x0364;rmen, so geistig er immer seyn mag, will eben so                         vo&#x0364;llig den Platz allein behaupten, und alles in einem Kopf nach sich                         richten. Warum soll dann nicht vielmehr die ewige Wahrheit der ewigen Gu&#x0364;te                         von unendlichem Gewicht und unumschra&#x0364;nkter Ausbreitung u&#x0364;ber alles der                         Gegenstand unsrer einzigen Liebe seyn, wenn sie gleich keine Puppe noch                         Krone dieser Welt ist? Wir mu&#x0364;ssen nur einen Standpunkt in uns ausfinden                         ko&#x0364;nnen, woraus wir sie besta&#x0364;ndig im Gesichte zu halten, einen Sammelpunkt                         alles darzu zu richten, vermo&#x0364;gen, oder eine Schnellkraft, um alles damit zu                         beleben! Die Wirklichkeit ist der gro&#x0364;ste Beweis der Mo&#x0364;glichkeit. Daß so                         etwas in uns zu finden seyn mu&#x0364;sse, zeigen uns aus alten Zeiten sogar Ko&#x0364;nige                         in aller ihrer Herrlichkeit, Hofma&#x0364;nner unter allen den gro&#x0364;ßten Reizen der                         Welt, Kriegsleute und andre Personen von go&#x0364;ttlicher Tugend unter allem                         Getu&#x0364;mmel und Gewimmel der Erde; Jhrer viele tausende von allen Sta&#x0364;nden und                         Lebensarten in verschiednen Zeiten der gedru&#x0364;ckten Religion versiegelten                         ihren festen himmlischen Sinn als standhafte Ma&#x0364;rtyrer sogar mit ihrem Blute,                         und bei ruhigen Zeiten lebten sie patriarchalisch in der Welt. Sie waren                         zwar in der Welt, aber nicht von der Welt, nicht von der Art der Welt, wie                         sie insge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0023] auf den einigen Gegenstand verwandt, und verwandelt und bekoͤmmt eine andere Gestalt. Ein gelehrter Eigensinn, ein Baumeister von Hypothesenthuͤrmen, so geistig er immer seyn mag, will eben so voͤllig den Platz allein behaupten, und alles in einem Kopf nach sich richten. Warum soll dann nicht vielmehr die ewige Wahrheit der ewigen Guͤte von unendlichem Gewicht und unumschraͤnkter Ausbreitung uͤber alles der Gegenstand unsrer einzigen Liebe seyn, wenn sie gleich keine Puppe noch Krone dieser Welt ist? Wir muͤssen nur einen Standpunkt in uns ausfinden koͤnnen, woraus wir sie bestaͤndig im Gesichte zu halten, einen Sammelpunkt alles darzu zu richten, vermoͤgen, oder eine Schnellkraft, um alles damit zu beleben! Die Wirklichkeit ist der groͤste Beweis der Moͤglichkeit. Daß so etwas in uns zu finden seyn muͤsse, zeigen uns aus alten Zeiten sogar Koͤnige in aller ihrer Herrlichkeit, Hofmaͤnner unter allen den groͤßten Reizen der Welt, Kriegsleute und andre Personen von goͤttlicher Tugend unter allem Getuͤmmel und Gewimmel der Erde; Jhrer viele tausende von allen Staͤnden und Lebensarten in verschiednen Zeiten der gedruͤckten Religion versiegelten ihren festen himmlischen Sinn als standhafte Maͤrtyrer sogar mit ihrem Blute, und bei ruhigen Zeiten lebten sie patriarchalisch in der Welt. Sie waren zwar in der Welt, aber nicht von der Welt, nicht von der Art der Welt, wie sie insge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/23
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/23>, abgerufen am 28.03.2024.