Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


So auch ein Buch, welches er für sich besonders darzu schicklich finden mag, und dergleichen mehr. Ferner gehört auch hieher alle Stellung und die ganze Lage im Aeussern, die er darzu für sich am füglichsten nun und dann erfahren mag. Alle solche Hülfsmittel, die jeder für sich selbst finden mag, sollen blos dienen, den Weg zum Zwecke zu erleichtern und zu fördern, so weit und so lang sie fürjeden dieses zu leisten vermögen; an diese Mittel aber muß man sich nicht wie an den Zweck selber binden, sondern man mag sie nach verschiedner Disposition und Gutfinden zur Förderung abändern; denn manche Mittel können auch an der Seele nach und nach abgenutzt werden. Allein wenn nun über alle die Mittel von außen nicht noch etwas in der Seele ist, das sich nicht abnutzt und nicht abnutzen kann, so ist bald unsre ganze Haltungskunst gegen alle Zerstreuungen am Ende. Und wenn das nicht alte erfahrne Beobachter ausfindig gemacht hätten, was sich unter allem Getümmel der Welt halten kann, so würde mans wohl im Taumel der Welt wenig inne. Dennoch weiß die Welt aus Erfahrung, daß es Gemüthsbewegungen und Seelenzustände giebt, die allen Zerstreuungen widerstehen, und zwar nicht nur traurige Gemüthslagen, sondern auch angenehme. Ein einziger Liebesgegenstand z.B. nimmt die ganze Seele ein, so daß aller Umgang, alle Zerstreuung, alle Arbeit dagegen nichts vermag, vielmehr wird alles in Beziehung


So auch ein Buch, welches er fuͤr sich besonders darzu schicklich finden mag, und dergleichen mehr. Ferner gehoͤrt auch hieher alle Stellung und die ganze Lage im Aeussern, die er darzu fuͤr sich am fuͤglichsten nun und dann erfahren mag. Alle solche Huͤlfsmittel, die jeder fuͤr sich selbst finden mag, sollen blos dienen, den Weg zum Zwecke zu erleichtern und zu foͤrdern, so weit und so lang sie fuͤrjeden dieses zu leisten vermoͤgen; an diese Mittel aber muß man sich nicht wie an den Zweck selber binden, sondern man mag sie nach verschiedner Disposition und Gutfinden zur Foͤrderung abaͤndern; denn manche Mittel koͤnnen auch an der Seele nach und nach abgenutzt werden. Allein wenn nun uͤber alle die Mittel von außen nicht noch etwas in der Seele ist, das sich nicht abnutzt und nicht abnutzen kann, so ist bald unsre ganze Haltungskunst gegen alle Zerstreuungen am Ende. Und wenn das nicht alte erfahrne Beobachter ausfindig gemacht haͤtten, was sich unter allem Getuͤmmel der Welt halten kann, so wuͤrde mans wohl im Taumel der Welt wenig inne. Dennoch weiß die Welt aus Erfahrung, daß es Gemuͤthsbewegungen und Seelenzustaͤnde giebt, die allen Zerstreuungen widerstehen, und zwar nicht nur traurige Gemuͤthslagen, sondern auch angenehme. Ein einziger Liebesgegenstand z.B. nimmt die ganze Seele ein, so daß aller Umgang, alle Zerstreuung, alle Arbeit dagegen nichts vermag, vielmehr wird alles in Beziehung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0022" n="20"/><lb/>
So                         auch ein Buch, welches er fu&#x0364;r sich besonders darzu schicklich finden mag,                         und dergleichen mehr. Ferner geho&#x0364;rt auch hieher alle Stellung und die ganze                         Lage im Aeussern, die er darzu fu&#x0364;r sich am fu&#x0364;glichsten nun und dann erfahren                         mag. Alle solche Hu&#x0364;lfsmittel, die jeder fu&#x0364;r sich selbst finden mag, sollen                         blos dienen, den Weg zum Zwecke zu erleichtern und zu fo&#x0364;rdern, so weit und                         so lang sie fu&#x0364;r<choice><corr>jeden</corr><sic>jedem</sic></choice> dieses zu leisten vermo&#x0364;gen; an diese Mittel aber muß                         man sich nicht wie an den Zweck selber binden, sondern man mag sie nach                         verschiedner Disposition und Gutfinden zur Fo&#x0364;rderung aba&#x0364;ndern; denn manche                         Mittel ko&#x0364;nnen auch an der Seele nach und nach abgenutzt werden. Allein wenn                         nun u&#x0364;ber alle die Mittel von außen nicht noch etwas in der Seele ist, das                         sich nicht abnutzt und nicht abnutzen kann, so ist bald unsre ganze                         Haltungskunst gegen alle Zerstreuungen am Ende. Und wenn das nicht alte                         erfahrne Beobachter ausfindig gemacht ha&#x0364;tten, was sich unter allem Getu&#x0364;mmel                         der Welt halten kann, so wu&#x0364;rde mans wohl im Taumel der Welt wenig inne.                         Dennoch weiß die Welt aus Erfahrung, daß es Gemu&#x0364;thsbewegungen und                         Seelenzusta&#x0364;nde giebt, die allen Zerstreuungen widerstehen, und zwar nicht                         nur traurige Gemu&#x0364;thslagen, sondern auch angenehme. Ein einziger                         Liebesgegenstand z.B. nimmt die ganze Seele ein, so daß aller Umgang, alle                         Zerstreuung, alle Arbeit dagegen nichts vermag, vielmehr wird alles in                         Beziehung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0022] So auch ein Buch, welches er fuͤr sich besonders darzu schicklich finden mag, und dergleichen mehr. Ferner gehoͤrt auch hieher alle Stellung und die ganze Lage im Aeussern, die er darzu fuͤr sich am fuͤglichsten nun und dann erfahren mag. Alle solche Huͤlfsmittel, die jeder fuͤr sich selbst finden mag, sollen blos dienen, den Weg zum Zwecke zu erleichtern und zu foͤrdern, so weit und so lang sie fuͤrjeden dieses zu leisten vermoͤgen; an diese Mittel aber muß man sich nicht wie an den Zweck selber binden, sondern man mag sie nach verschiedner Disposition und Gutfinden zur Foͤrderung abaͤndern; denn manche Mittel koͤnnen auch an der Seele nach und nach abgenutzt werden. Allein wenn nun uͤber alle die Mittel von außen nicht noch etwas in der Seele ist, das sich nicht abnutzt und nicht abnutzen kann, so ist bald unsre ganze Haltungskunst gegen alle Zerstreuungen am Ende. Und wenn das nicht alte erfahrne Beobachter ausfindig gemacht haͤtten, was sich unter allem Getuͤmmel der Welt halten kann, so wuͤrde mans wohl im Taumel der Welt wenig inne. Dennoch weiß die Welt aus Erfahrung, daß es Gemuͤthsbewegungen und Seelenzustaͤnde giebt, die allen Zerstreuungen widerstehen, und zwar nicht nur traurige Gemuͤthslagen, sondern auch angenehme. Ein einziger Liebesgegenstand z.B. nimmt die ganze Seele ein, so daß aller Umgang, alle Zerstreuung, alle Arbeit dagegen nichts vermag, vielmehr wird alles in Beziehung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/22
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/22>, abgerufen am 28.03.2024.