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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

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diesen Wissenschaften mit der Vernunft in gar keine Kollision, und die Begriffe derselben sind ebenfalls nicht dem mindesten Zweifel unterworfen. Man sagt daher mit Recht, daß nicht derjenige dumm sey, der die Metaphisik oder auch eine praktische Wissenschaft nicht zu fassen vermag, sondern derjenige, welcher die Fähigkeit nicht hat, die reine Mathematik zu erlernen; denn um diese zu erlernen braucht man keinen Hindernissen entgegen zu arbeiten, welche von den Seelenkräften selbst herkommen, und man muß also den Grad der Vernunft nicht haben, der zu ihrer Erlernung erfordert wird; das ist, man ist in Absicht dieser Wissenschaft dumm.

Jch habe gesagt in Absicht dieser Wissenschaft; denn ich will gar nicht behaupten, daß derjenige, dem es zu schwer wird, die Lehren der reinen Mathematik zu fassen, in keiner andern Wissenschaft fortkommen kann; denn die Mathematik erfordert einen Grad der Vernunft, welchen wenige andere Wissenschaften erfordern; ich sage nur, daß der Fehler in dem Grad der Vernunft selbst liegen muß, wenn jemand die reine Mathematik nicht zu begreifen vermag.

Man siehet, daß der Beendigung einer Untersuchung, der Erlernung aller Wissenschaften große Schwierigkeiten entgegen stehen, und daß davon nur eine einzige ausgenommen ist, zu deren Erlernung aber ein großer Grad der Vernunft erfordert wird, und hiemit hat sich die vorhin angezeigte Frage: warum im Traume die Einbildungskraft walltet, und die höhern unterdrückt sind, in eine ganz an-


diesen Wissenschaften mit der Vernunft in gar keine Kollision, und die Begriffe derselben sind ebenfalls nicht dem mindesten Zweifel unterworfen. Man sagt daher mit Recht, daß nicht derjenige dumm sey, der die Metaphisik oder auch eine praktische Wissenschaft nicht zu fassen vermag, sondern derjenige, welcher die Faͤhigkeit nicht hat, die reine Mathematik zu erlernen; denn um diese zu erlernen braucht man keinen Hindernissen entgegen zu arbeiten, welche von den Seelenkraͤften selbst herkommen, und man muß also den Grad der Vernunft nicht haben, der zu ihrer Erlernung erfordert wird; das ist, man ist in Absicht dieser Wissenschaft dumm.

Jch habe gesagt in Absicht dieser Wissenschaft; denn ich will gar nicht behaupten, daß derjenige, dem es zu schwer wird, die Lehren der reinen Mathematik zu fassen, in keiner andern Wissenschaft fortkommen kann; denn die Mathematik erfordert einen Grad der Vernunft, welchen wenige andere Wissenschaften erfordern; ich sage nur, daß der Fehler in dem Grad der Vernunft selbst liegen muß, wenn jemand die reine Mathematik nicht zu begreifen vermag.

Man siehet, daß der Beendigung einer Untersuchung, der Erlernung aller Wissenschaften große Schwierigkeiten entgegen stehen, und daß davon nur eine einzige ausgenommen ist, zu deren Erlernung aber ein großer Grad der Vernunft erfordert wird, und hiemit hat sich die vorhin angezeigte Frage: warum im Traume die Einbildungskraft walltet, und die hoͤhern unterdruͤckt sind, in eine ganz an-

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[121/0123] diesen Wissenschaften mit der Vernunft in gar keine Kollision, und die Begriffe derselben sind ebenfalls nicht dem mindesten Zweifel unterworfen. Man sagt daher mit Recht, daß nicht derjenige dumm sey, der die Metaphisik oder auch eine praktische Wissenschaft nicht zu fassen vermag, sondern derjenige, welcher die Faͤhigkeit nicht hat, die reine Mathematik zu erlernen; denn um diese zu erlernen braucht man keinen Hindernissen entgegen zu arbeiten, welche von den Seelenkraͤften selbst herkommen, und man muß also den Grad der Vernunft nicht haben, der zu ihrer Erlernung erfordert wird; das ist, man ist in Absicht dieser Wissenschaft dumm. Jch habe gesagt in Absicht dieser Wissenschaft; denn ich will gar nicht behaupten, daß derjenige, dem es zu schwer wird, die Lehren der reinen Mathematik zu fassen, in keiner andern Wissenschaft fortkommen kann; denn die Mathematik erfordert einen Grad der Vernunft, welchen wenige andere Wissenschaften erfordern; ich sage nur, daß der Fehler in dem Grad der Vernunft selbst liegen muß, wenn jemand die reine Mathematik nicht zu begreifen vermag. Man siehet, daß der Beendigung einer Untersuchung, der Erlernung aller Wissenschaften große Schwierigkeiten entgegen stehen, und daß davon nur eine einzige ausgenommen ist, zu deren Erlernung aber ein großer Grad der Vernunft erfordert wird, und hiemit hat sich die vorhin angezeigte Frage: warum im Traume die Einbildungskraft walltet, und die hoͤhern unterdruͤckt sind, in eine ganz an-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/123>, abgerufen am 27.04.2024.