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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

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zugefügt. Um z.B. eine Linie zu finden, welche entstehen muß, wenn ein Apfel von einem Baume geworfen wird, muß man 4 Grundsätze annehmen: der Trägheit, vermöge welcher die Kraft des Seitenwurfs fortwirkt, der Schwere, des Widerstandes der Luft, und der Zusammensetzung der Kräfte, wovon wenigstens 3 Prinzipien aus der Erfahrung genommen sind. Eine Wissenschaft scheint eine Ausnahme zu machen; allein ist denn die Affinität ein Prinzip? läßt sich denn aus dem gegebenen Grade der Affinität zweier Körper auf den Grad der Affinität schließen, den einer derselben mit allen übrigen Körpern hat? Ein Prinzip muß eine Regel enthalten, darnach man subsumiren kann; enthält es keine, so verdient es diesen Nahmen nicht. Wenn mir der Theist oder Fatalist eine Naturbegebenheit blos dadurch erklären will, daß der Wille Gottes oder die Ordnung der Natur es erfoderte, so sehe ich wohl, daß eine dieser Behauptungen gegründet seyn muß, aber ich sehe auch ein, daß mir keiner von beiden die vorgekommene Erscheinung aus einem Prinzip erklärt hat, weil weder der Wille Gottes noch die Ordnung der Natur eine Regel enthalten, darnach ich irgend eine besondere Naturveränderung subsumiren kann. 2) Giebt es noch so manche Lücke, welche offenbar mit der Affinität nicht auszufüllen ist.

Es ist allerdings vernunftmäßig keine entbehrliche Prinzipien anzunehmen; allein man muß


zugefuͤgt. Um z.B. eine Linie zu finden, welche entstehen muß, wenn ein Apfel von einem Baume geworfen wird, muß man 4 Grundsaͤtze annehmen: der Traͤgheit, vermoͤge welcher die Kraft des Seitenwurfs fortwirkt, der Schwere, des Widerstandes der Luft, und der Zusammensetzung der Kraͤfte, wovon wenigstens 3 Prinzipien aus der Erfahrung genommen sind. Eine Wissenschaft scheint eine Ausnahme zu machen; allein ist denn die Affinitaͤt ein Prinzip? laͤßt sich denn aus dem gegebenen Grade der Affinitaͤt zweier Koͤrper auf den Grad der Affinitaͤt schließen, den einer derselben mit allen uͤbrigen Koͤrpern hat? Ein Prinzip muß eine Regel enthalten, darnach man subsumiren kann; enthaͤlt es keine, so verdient es diesen Nahmen nicht. Wenn mir der Theist oder Fatalist eine Naturbegebenheit blos dadurch erklaͤren will, daß der Wille Gottes oder die Ordnung der Natur es erfoderte, so sehe ich wohl, daß eine dieser Behauptungen gegruͤndet seyn muß, aber ich sehe auch ein, daß mir keiner von beiden die vorgekommene Erscheinung aus einem Prinzip erklaͤrt hat, weil weder der Wille Gottes noch die Ordnung der Natur eine Regel enthalten, darnach ich irgend eine besondere Naturveraͤnderung subsumiren kann. 2) Giebt es noch so manche Luͤcke, welche offenbar mit der Affinitaͤt nicht auszufuͤllen ist.

Es ist allerdings vernunftmaͤßig keine entbehrliche Prinzipien anzunehmen; allein man muß

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[102/0104] zugefuͤgt. Um z.B. eine Linie zu finden, welche entstehen muß, wenn ein Apfel von einem Baume geworfen wird, muß man 4 Grundsaͤtze annehmen: der Traͤgheit, vermoͤge welcher die Kraft des Seitenwurfs fortwirkt, der Schwere, des Widerstandes der Luft, und der Zusammensetzung der Kraͤfte, wovon wenigstens 3 Prinzipien aus der Erfahrung genommen sind. Eine Wissenschaft scheint eine Ausnahme zu machen; allein ist denn die Affinitaͤt ein Prinzip? laͤßt sich denn aus dem gegebenen Grade der Affinitaͤt zweier Koͤrper auf den Grad der Affinitaͤt schließen, den einer derselben mit allen uͤbrigen Koͤrpern hat? Ein Prinzip muß eine Regel enthalten, darnach man subsumiren kann; enthaͤlt es keine, so verdient es diesen Nahmen nicht. Wenn mir der Theist oder Fatalist eine Naturbegebenheit blos dadurch erklaͤren will, daß der Wille Gottes oder die Ordnung der Natur es erfoderte, so sehe ich wohl, daß eine dieser Behauptungen gegruͤndet seyn muß, aber ich sehe auch ein, daß mir keiner von beiden die vorgekommene Erscheinung aus einem Prinzip erklaͤrt hat, weil weder der Wille Gottes noch die Ordnung der Natur eine Regel enthalten, darnach ich irgend eine besondere Naturveraͤnderung subsumiren kann. 2) Giebt es noch so manche Luͤcke, welche offenbar mit der Affinitaͤt nicht auszufuͤllen ist. Es ist allerdings vernunftmaͤßig keine entbehrliche Prinzipien anzunehmen; allein man muß

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/104>, abgerufen am 27.04.2024.